Category Archives: Meinung

12 in 12 – Cinema Farnese – Kapitel 2

Cinema Farnese
Ein Fall fürAlfredo Conte

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Kapitel 2

„Mord im Cinema Farnese“ steht am nächsten Tag in grossen Lettern auf der Frontseite des „Messaggero“. Das Telefon von Inspektor Conte lief schon den ganzen Morgen heiss. Auch Polizeipräsident Marco Caruso hatte angerufen und kräftig Dampf gemacht. Der Fall müsse gelöst werden, aber subito. Conte hatte nicht geschlafen und gerade mal Zeit, zu Hause ein frisch gebügeltes, hellbeiges Hemd anzuziehen und bei Roscioli einen Caffè zu trinken.

Die Nachforschungen hatten bisher wenig gebracht. Roberto Ginelli, der gestern die Schüsse im Kino gemeldet hatte, war nicht mehr aufgetaucht. Die Forensiker der Polizeiwache hatten weder Fingerabdrücke noch andere Spuren gefunden, die Aufschluss über den Täter geben könnten.

Das waren die Fakten: Es gab keine körperliche Auseinandersetzung und der Schuss wurde aus nächster Nähe wahrscheinlich mit einer einer Beretta PX4 Storm mit 9mm Kaliber direkt in die Schläfe abgefeuert. Immerhin war sich Conte somit so gut wie sicher, dass der Täter das Opfer gekannt hatte. Gut möglich, dass die beiden im Kino nach der letzen Vorstellung nebeneinander sassen und etwas wichtiges zu besprechen hatten.

Der Inspektor hatte Ginelli mehrere Nachrichten hinterlassen und ihn gebeten, umgehend aufs Revier zu kommen. Warum hat er das noch nicht getan? Erst ruft er mich an und dann verschwindet er, fragt sich Conte. Roberto Ginelli und das Opfer kannten sich gut. Freunde waren sie keine. Im Gegenteil. Jeder wusste, dass Mariella Novelli nicht nur die Ehefrau des Kinobesitzers, sondern auch die grosse Liebe von Roberto Ginelli war.

Roberto hatte Giuliano nie verzeihen, dass er ihm damals, als er in Bologna die Bäckerlehre absolvierte, Mariella ausgespannt hatte. Immer wieder gab es deswegen Streit. Roberto hatte nie geheiratet und 30 Jahre darauf gehofft, dass Mariella irgendwann doch zu ihm zurück kommen wird.

Da klopft es an der Tür. “Herein” ruft Conte. Es ist Roberto Ginelli. Er habe nicht mehr warten können gestern Nacht, da er in die Backstube musste, um den Teig für die Pizza Rosso für morgen vorzubereiten. Heute früh sei dann auch zu viel los gewesen, entschuldigt er sich. Der Inspektor verkneift sich eine seiner legendären Schimpftiraden und kommt zur Sache. Er macht keinen Hehl daraus, dass er von Robertos Abneigung, ja vielleicht sogar Hass gegenüber Giuliano, weiss. Roberto läuft rot an, fängt sich aber wieder und beteuert, dass er nie und nimmer in der Lage sei, jemandem etwas anzutun. Er sei gestern Abend nur kurz vor die Tür seiner Backstube gegangen, um wie immer wenn die Glocke der Chiesa die San Pantelo Mitternacht schlägt, eine Zigarette zu rauchen. Dann der Knall aus dem Kino. Da wusste er, dass etwas Schlimmes geschehen war. Gesehen habe er nichts deutliches, nur einen Schatten, der um die Ecke Richtung Via dei Giubbonari entschwand. Allein sei er  in der Backstube gewesen und auch sonst habe er niemand getroffen.

Das reichte dem Inspektor fürs Erste. Er hatte jetzt dringenderes vor. Im Caffe Peru an der Piazza Santa Caterina della Rota traf sich das Quartier oder genauer gesagt, diejenigen, die immer alles von jedem wussten. Ein Besuch dort war meist ergiebiger, als wochenlanges Recherchieren. Der Tisch draussen vor dem Eingang war immer reserviert. Dort sassen jeweils Emanuele Bruno, der das Teatro dei Satiri führte, Mauro Piselli, dem das wunderschöne Hotel Lunetta gehörte und Stefano Totti, der Tausendsassa unter den Gastronomen der Stadt mit seiner Osteria Romana. In der Regel komplettierte Giuliano Novelli die Runde. Doch der würde dieses Mal nicht mehr dabei sein können.

12 in 12 – Cinema Farnese – Kapitel 1

Cinema Farnese
Ein Fall für Alfredo Conte

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Kapitel 1

Es war bereits nach Mitternacht, als das Telefon klingelte. Wie fast jeden Abend sass Inspektor Alfredo Conte noch in seinem kleinen Büro an der Piazza della Trinita dei Pellegrini mitten im Centro Storico von Rom. Seit über 20 Jahren war Conte für das Quartier rund um den Campo de’ Fiori zuständig. Er war mit allen Wassern gewaschen. Ein kauziger aber liebenswerter Typ. Sein hellbeiges Hemd, die dichten, gewellten schwarzen Haare und der buschige Schnurrbart waren sein Markenzeichen.

Der Inspektor nahm den Hörer ab. Es war Roberto Ginelli, der Geschäftsführer des Forno Campo de’ Fiori, der wohl besten Bäckerei der ganzen Stadt. Ihn kannte Conte gut, da er sich bei ihm jeden Mittag sein grosses Stück Pizza Rosso abholte. Roberto war ausser sich. Er müsse sofort kommen, sagte er. Schüsse habe er gehört und zwar im Cinema Farnese. Nein, reinzugehen habe er sich nicht getraut, obschon die Eingangstür sperrangelweit offen stehe.

Conte legte den Hörer auf. Mit seinem karierten Jacket unter dem Arm machte er sich auf den Weg. Das Cinema Farnese war gerade mal 100 Meter von seiner Polizeiwache entfernt. Er kannte den alten Giuliano Novelli, der das in den dreissiger Jahren gegründete Kino führte, gut. Noch gestern hatte er ihn gesehen, als er seine Pizza bei Roberto abgeholt hatte und über den Campo zur Polizeiwache zurückging. Die Tür stand tatsächlich weit auf. Roberto war nicht zu sehen. Conte verlor keine Zeit und trat gleich ein. Seine kleine Beretta hatte er wie immer in der Innentasche seines gestreiften Jackets, das er mittlerweile übergestreift hatte.

Er wusste, dass Giuliano in der Regel der Letzte war, der das Kino nach der Abendvorstellung verliess. „Roberto“ rief Conte. Keine Antwort.. Es war still. Totenstill und dunkel. Der Lichtschalter im Foyer schien nicht zu funktionieren. Das von aussen unscheinbare Kino hat einen Saal mit 300 Plätzen – auch dort stand die Tür offen. Conte trat in den Saal. Er hatte mittlerweile seine kleine Taschenlampe angeknipst. In der ersten Reihe schien sich was zu bewegen. „Halt“ schrie er, rannte den Gang entlang Richtung Leinwand und richtete den Lichtstrahl auf die roten Plüschsitze. Es war Giuliano. Regungslos sass er in der ersten Reihe und starrte Richtung Leinwand. Das Blut lief von seiner Schläfe herunter und tropfte auf den Boden. Kein Puls. Giuliano war tot.

12 in 12 – Das Städterating für Moskau

Das ist der letzte Eintrag aus Moskau. Der Moment, die Stadt zu bewerten, ist gekommen.

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Ein Monat ist nicht viel Zeit, doch genug, um einen Eindruck zu gewinnen, wie eine Stadt tickt. Deshalb haben wir ein Städterating erarbeitet, das sich von den gängigen Modellen der Mercers dieser Welt unterscheidet. Wir achten weniger auf das Bildungssystem, das politische Umfeld und das Gesundheitssystem, sondern mehr auf Faktoren, die eine Stadt einzigartig machen. Das Rating in neun Kategorien geht von 1 (schlecht) bis 10 (grandios) und spiegelt unser rein subjektives Empfinden:

Die Leute: 6

Die Moskauer sind sehr nett, gehen allerdings selten auf einen zu.

Kulturelles Angebot: 7

Wenn die Sprachbarriere nicht wäre, dann wäre das Rating noch höher – aber eben, subjektiv ist die Bewertung. Die unzähligen Theater an jeder Ecke blieben uns leider mehrheitlich verschlossen. Doch sonst gibt es ein fast grenzenloses Angebot, das erfrischend anders ist, als irgendwo sonst auf der Welt.  Gleichzeitig ist Moskau aber auch international und relevant.  Besonders die klassische Musik gehört hier zur DNA der Stadt.

Food: 7

Die kreative Gastroszene in Moskau war die grosse positive Überraschung. Wir werden die unendlichen Möglichkeiten vermissen.

Preisniveau: 9

Moskau eilt der Ruf einer teuren Stadt voraus. Keine Ahnung warum. Nicht nur wegen der Rubelkrise ist hier alle billig – teilweise gar spottbillig.

Öffentlicher Verkehr: 8

Die Metro in Moskau schlägt sie alle. Alle 2 Minuten ein Zug und das in jede Richtung. Zudem gibt es Uber, Taxis, Busse und alles andere, was man sich so wünscht. Der Verkehr auf der Strasse ist dicht, doch nicht so schlimm wie der Ruf, der ihm vorauseilt. Zudem beeindruckt Moskau mit Fahrradstationen an jeder Ecke.

Wetter/Klima: 4

Wir hatten Glück, da wir im Spätsommer hier waren. Das war toll. Doch der Winter kündigt sich bereits an und der wird hart – hammerhart.

Sicherheit: 9

Die sicherste Stadt, in der wir je waren.

Fun / Feel-Good-Factor: 8

Wir haben uns hier pudelwohl gefühlt und sehr viel Spass gehabt.

Coolness/Kreativität: 7

Sehr viel modische und progressive Leute. Hat uns sehr positiv überrascht.

GESAMTRATING: 65 VON 90 PUNKTEN

Das reicht im Moment für den Spitzenplatz

Next stop: Bella Roma

12 in 12 – Paradies im Anti-Café

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Die Klingel unter dem Zifferblatt drücken und kurz warten. Jemand meldet sich durch die Gegensprechanlage. Ich sage: “Zifferblatt” und schon geht die Tür auf. Zwei Stockwerke nach oben. Da ist es wieder dieses Schild mit dem Zifferblatt. Wir stossen die Tür auf. Ist das der falsche Eingang? Hier wohnt doch jemand.
„Kommt rein“ ruft eine junge Frau. Das machen wir. Die junge Frau heisst Olya und fragt uns, ob wir was zu trinken wollen.

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img_9545Wir sind hier richtig. Goldrichtig. Das ist es also. Das Original Anti-Café. Das „Ziferblat“ an Moskaus Nobelmeile Tverskaya. Gemütlich ist’s hier.  Das Konzept ist einfach. Du zahlst nach der Zeit, die Du hier verbringst. Kaffee, Tee, Kuchen,  kleine Häppchen und alles was du sonst konsumierst ist umsonst. Die erste Stunde kostet drei Euro, danach zwei und ab Stunde vier ist es ganz umsonst. Hier sollst Du verweilen und dich wohl fühlen.

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Hier kannst Du Dich unterhalten oder ein Buch lesen und wenn es sein muss auch im Netz surfen oder Deinen Laptop aufklappen. Hier verkehren Künstler und Studenten aber auch ganz normale Moskauer, die einfach einen Gang zurückschalten wollen. Hier setzt sich mal einfach einer ans Klavier oder fragt Dich, ob Du Lust auf eine Partie Schach hast. Doch eines ist es hier ganz besonders: Eine Oase der Ruhe in einer Stadt, die den Kapitalismus für sich entdeckt hat. Das offizielle Motto: Im Ziferblat darfst Du alles, solange Du Rücksicht auf Deine Mitbesucher nimmst.

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Mittlerweile gibt es diese Anti-Cafés in Moskau an jeder Ecke. Auch in London und Berlin hat das Konzept Fuss gefasst. Doch keines ist wie das Ziferblat, das der Lebenskünstler Ivan Mitin 2011 gegründet hat. Während andere genau ausrechnen, was die Stunde kosten muss, damit sich die Sache lohnt, ist Mitin noch immer kein Geschäftsmann. Ohne Gönner könnte das Anti-Cafe  nicht überleben. Zum Glück gibt es viele Gleichgesinnte, denen es wichtig ist, dass es nicht nur Starbucks & Co. gibt, sondern auch Freiräume für alle, die kein dickes Portemonnaie haben. Die Welt braucht mehr Zifferblätter…

12 in 12 – So wird die Polizei ausgetrickst

Der Trick mit der CD
Der Trick mit der CD

Was, die CD hat ausgedient? Spotify, Youtube und Co. haben das Zepter übernommen und wenn schon, dann ganz zurück zu Vinyl? Aber bestimmt nicht in Moskau. Da sind CDs total angesagt.

OK, eins nach dem anderen. In Moskau fahren schickere Schlitten rum als in Chelsea. Lamborghini hier, Ferrari da. Heulende Motoren und Geschwindigkeitsrausch mitten in der Stadt. Die siebenspurigen Boulevards laden so richtig zum Rennerfahren ein. Spätestens wenn die Sonne untergeht, dann rasen einem die Boliden hier so richtig um die Ohren.

Doch wer nicht der Sohn eines Oligarchen ist und damit sozusagen eine „get out of jail free card“ im Handschuhfach hat, muss aufpassen, dass er nicht von einer der über 1’000 Kameras erfasst wird.

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Um die Kameras zu überlisten, gibt es einen einfachen Trick: Mit einer CD das hintere Nummernschild teilweise abdecken. Die Kamera versucht dann vergebens, die Identität des Fahrers festzustellen.

Doch ist das nicht illegal? Ja, schon. Das Abdecken der Nummernschilder ist verboten und wenn das ein Polizist bei einem entdeckt, dann gibt es auch einen Strafzettel. Doch der fällige Betrag für das Anbringen einer CD ist Vergleich zur Strafe fürs schnell fahren  so lächerlich tief, dass es sich lohnt, den Trick mit der CD immer und immer wieder anzuwenden.

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P.S. Eine Kostprobe der russischen Autofahrkunst und anderen Schabernacks gefällig? Dann schaut Euch mal (auf eigene Verantwortung) das Twitter Account von Only in Russia an. Stundenlanger Spass garantiert.

12 in 12 – Japanische Invasion in Moskau

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Was hat ein japanischer Getränkeautomat in einer Unterführung in Moskau zu suchen? DyDo steht drauf und alle Getränke sind japanischer Herkunft mit japansicher Beschriftung. Verwirrend. Das ist keine Versehen. In jeder, aber wirklich jeder Unterführung und jeder Metrostation in Moskau stehen bis zu 20 Automaten. Wie bestellt und nicht abgeholt. Auf Hochglanz poliert, in Reih und Glied. Kein Schabernack oder eine Filmkulisse. Sie sind wirklich da. Einsam und allein. In bald vier Wochen Moskau habe ich noch keinen einzigen Russen gesehen, der dort etwas kauft. KEINEN EINZIGEN.

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Die Automaten stehen nicht erst seit gestern da. Die ersten wurden vor zwei Jahren aufgestellt. Der riesige japanische Getränkekonzern DyDo hat mit der Stadt Moskau einen Vertrag abgeschlossen, der ihm erlaubt, 90’000!!! Automaten aufzustellen. Wie viele es bisher sind, ist schwer zu sagen. Doch es dürften mehrere Tausend sein. DyDo ist optimistisch und nach eigener Aussage davon überzeugt, dass Moskau mit seinen 12 Mio. Einwohnern 200’000 dieser Automaten absorbieren kann. Sehr schräg. Soda mit Pfirsichgeschmack, Ingwergetränke und andere japanische Köstlichkeiten sind im Angebot. Passt das zu den Russen?

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DyDo gibt zu Protokoll, der russische Kunde würde die japanische Qualität schätzen und sei gerne bereit, etwas mehr für ein Qualitätsprodukt zu bezahlen. Aha. Das sieht verdammt nach Fokus-Gruppen, Brainstorming in den Managementetagen Tokios und ausgiebigem Market Research aus….Wer sich das nur ausgedacht hat. Doch Moment. Da geht tatsächlich ein etwa 20-jähriger Russe auf den Automaten zu. Genau das Zielpublikum, das sich die Marketingurus wünschen. Er bleibt vor dem Automaten stehen, schaut sich alles genau an und…greift in den Münzauswurf, um zu sehen, ob da Kleingeld liegen geblieben ist. Nichts drin. Na wie könnte da auch was drin sein. Niemand benutzt die Automaten.

12 in 12 – Russische Politik für Dummies

Spoiler Alert: Putins Partei United Russia wird die Wahl am Sonntag gewinnen
Spoiler Alert: Putins Partei United Russia wird die Wahl am Sonntag gewinnen

Am Sonntag sind Parlamentswahlen in Russland. Die ersten seit 2011. 14 Parteien treten an, um sich die 450 Sitze der Duma, wie das Parlament in Russland heisst, untereinander aufzuteilen. Wer erwartet, dass das ein Riesenspektakel ist, der täuscht sich. Kein fleissiges verteilen von Flugblättern, keine Wahlveranstaltungen mit Kampfreden, keine mit Plakaten zugepflasterten Wände. Demokratie in Russland funktioniert eben anders.

Hier und da mal ein kleiner Stand, etwa zwei auf zwei Meter gross, mit einem einzigen Wahlhelfer. Keiner hält an und der Helfer strengt auch nicht gross an, mit den potenziellen Wählern ins Gespräch zu kommen. Weder in den Kneipen von Arbat noch in den Kaffees des Stadtteils Basmanny sind die Wahlen ein Thema. Schulanfang, die Erlebnisse aus den Sommerferien und der vor der Tür stehende Winter sind da viel wichtiger.  Doch warum? Genügend Parteien gibt es ja.

Ein Blick auf die politische Landschaft bringt Licht ins Dunkel. Die Partei von Putin und Medvedev, Einiges Russland, hat bei den letzten Wahlen 49,4% der Stimmen geholt, Gerechtes Russland 13,2% und die Liberal-Demokratische Partei Russlands (LDPR) 11,7%. Die LDPR gilt zwar als Opposition, doch die Tiraden gegen die Regierung sind zahnlos. Bei wichtigen Abstimmungen stützt die Partei jeweils den Kurs des Kremls. Bleibt die Kommunistische Partei Russlands, die 2011 immerhin 19% der Stimmen holte. Doch in Umfragen werden ihr für Sonntag nur 13% prognostiziert. Eine neue Kraft gibt es keine.

Es ist also recht egal, für wen man sein Kreuz macht. Im Endeffekt wird Putin, der sich als Präsident offiziell nicht in den Wahlkampf einmischen darf,  gestärkt aus den Wahlen hervorgehen. Seine Beliebtheitsrate ist ohnehin schon so hoch wie nie. Ach ja – es gibt übrigens noch andere Organisationen in Russland, die gerne an den Wahlen teilgenommen hätten. Elf oppositionelle Parteien wurden mit mehr oder weniger guten Gründen gar nicht erst zugelassen.

12 in 12 – Auf den Spuren von Dr. Schiwago

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Wer den Vorortszug raus aus Moskau nimmt, taucht schnell in eine andere Welt ein. Die Gesichter der Pendler sind vom harten Leben gezeichnet. Schnell wird einem klar: Nicht jeder profitiert vom Wohlstand des neuen Moskaus. Plattenbauten und Industriekomplexe reihen sich hier aneinander. Ein ernüchternder Anblick. img_9210

Doch nach nur 20 Minuten ändert sich die Szenerie. Nächster Halt: Peredelkino – das Epizentrum der russischen Literaturszene. Hier, mitten in dichten Birkenwäldern, stehen die Datschas, die so manchen grossen Denkern, allen voran die Nobelpreisträger Boris Pasternak und Alexander Solschenizyn Freiräume gegeben haben.

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Hier hat Pasternak Dr. Schiwago und Solschenizyn das Archipel Gulag, in dem er detailliert die Verbrechen des stalinistischen Regimes beschreibt, geschrieben.

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Auch Blut Okudzhava, der 1994 für den Roman “Die Show” den Booker-Preis erhielt, zog sich zum Schreiben gerne nach Peredelkino zurück.

img_9264Pasternaks Haus, in dem er von 1936 bis zu seinem Tod 1960 lebte,  ist klein. Ein Garten mit einem Gemüsebeet,  das er selber bestellte, eine Veranda, zwei Schlafzimmer und ein Wintergarten. Dazu ein Klavier, falls sein Freund, der Pianist und Komponist Sergei Rachmaninow, mal vorbeischaute. Schön ist’s hier.img_9212

Gegenüber des kleinen Gärtchens ist ein Zaun hochgezogen. Dahinter eine riesige Baustelle. Hier wird ein kitschiges Mehrfamilienhaus hochgezogen, das wohl für die Reichen und Schönen aus Moskau gedacht ist. Ob die wohl auch bald mit dem Vorstadtzug nach Peredelkino fahren?

Ein Zitat von Pasternak:
Nur ein vollkommen unbedeutender Mensch,
eine unverbesserliche Null, wird sich damit begnügen,
im Leben immer ein und dieselbe Rolle zu spielen,
immer den gleichen Platz in der Gesellschaft einzunehmen
und dieselben Dinge zu tun.

Und was zum Nachdenken von Solschenizyn:
Alles, was in der Ferne vor sich geht und uns nicht direkt bedroht, das heißen wir gut.

Neben dem Trailer für Dr. Schiwago (1965) – ja, genau der mit Omar Sharif  – zur Auflockerung noch ein anderer Klassiker: Dieter Hallervorden auf der Suche nach dem Mittelteil von Dr. Schiwago.


12 in 12 – Wenn das kein Ohrwurm ist

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Irgendwie läuft mir dieser Song hier nach. An jeder Ecke wird er gespielt. Dabei hat die Aufnahme über 40 Jahre auf dem Buckel. Lyudmila Senchina ist sowas wie die Edith Piaff von Russland und Cinderella wohl das La Vie en Rose. Zugegeben, mit dem Vergleich hab ich etwas hoch gegriffen und ich bin mir auch nicht sicher, ob ich den Song mag oder nicht. Doch wenn das kein Ohrwurm ist…

 

Zarizyno-Park – Nicht gut genug für Katharina die Grosse

 

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Mehr als 20 Liebhaber hat sie gehabt. Dabei ging sie kein Risiko ein. Die Auserwählten wurden zunächst von ihren Hofdamen getestet. Die Rede ist von Katharina der Grossen, die nach ihrem kometenhaften Aufstieg fast ein halbes Jahrhundert über Russland herrschte.

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1775 befahl die Zarin,  einen Landsitz vor den Toren Moskaus zu bauen, der mit den grossartigen Anwesen St- Petersburg mithalten kann: Den Zarizyno-Park. Doch die gute Katharina war nicht zufrieden. Nach zehnjähriger Arbeit liess sie 1785 den ersten Bau kurzerhand wieder abreissen.

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Auch ein zweiter Versuch scheiterte. So wenig Geduld wie mit ihren Männern hatte Katharina die Grosse auch mit Zarizyno. Sie wurde dem Projekt untreu.

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Nach dem Tod Katharina der Grossen wurden im 19. Jahrhundert lediglich einige Nebengebäude hinzugefügt. Zarizyno blieb bis Anfang des 20. Jahrhunderts unvollendet.

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Richtig fertiggestellt wurde das Anwesen mit seinen weitläufigen Gärten inmitten eines märchenhaften Waldes erst 2007.  Über 200 Jahre nach Baubeginn.

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Heute gilt die Anlage als eine der schönsten ihrer Art. Sie braucht sich hinter den Palästen St. Petersburgs nicht zu verstecken.

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Kein Wunder, dass es für ein Moskauer Brautpaar mittlerweile Pflicht ist, hier seine Hochzeitsfotos zu schiessen.

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Dutzende von Paaren stehen Schlange, um den besten Platz für das perfekte Foto ein paar Minuten für sich zu haben.

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Wer hier im Zarizyno-Park nicht seine romantische Ader entdeckt, dem ist kaum mehr zu helfen.

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Auch Katharina die Grosse hätte sich dieser Magie an diesem lauen Spätsommer-Nachmittag wohl kaum entziehen können.

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