Category Archives: Lifestyle

12 in 12 – Das ist Jorge

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Jorge ist IT-Spezialist oder sowas ähnliches. Jorge hat ein klitzekleines Geschäft im Stadtteil Roma Norte in Mexico City. Der Laden ist sein ganzer Stolz. Vor zwei Jahren, kurz vor seinem 50. Geburtstag, hat er sein Erspartes zusammengekratzt und den Shop eröffnet. Es laufe gut, sagt er und lächelt.

Bei Jorge ist man immer richtig, wen es um elektronische Geräte geht. Wenn das iPhone kaputt ist, schaut man bei Jorge vorbei. Er wird’s schon richten. Keinen Adapter für die Steckdose? Ja genau, Jorge hat ihn. Und wer in der Nachbarschaft einfach nur einen Schwatz halten will, für den hat Jorge auch immer ein offenes Ohr.

Ich war dringend auf Jorges Hilfe angewiesen, denn ich brauchte Kopien von einer Musik-CD und zwar gleich 20 Stück. Das CD-Rom-Laufwerk meines MacBooks hatte den Geist aufgegeben und mir blieb nichts anderes übrig, als alles auf einen USB-Stick runterzuziehen und bei Jorge vorbeizuschauen.

Ob er das machen kann, frage ich ihn. „Claro que si“ meint er. Bis Nachmittags um fünf sei alles fertig. Super. Den USB-Stick brauche er nicht, denn er habe bereits alles auf seinen Harddrive kopiert. Alles klar. Easy peasy…

Nachmittags um fünf. Jorge verkauft gerade ein Keyboard an eine überglückliche Kundin. Gut, dass ich vorbei komme, meint er. Er brauche den USB Stick doch nochmal, denn er habe die Daten nicht richtig runtergeladen. Ob denn morgen auch noch reiche für die Kopien. Aber sicher. Gar kein Problem. Ich gehe zurück in die Wohnung und hole den USB-Stick. Jorge kann endlich loslegen.

Am nächsten Morgen um 10 sei alles fertig. Mit den Öffnungszeiten nimmt es Jorge nicht so genau. Um 11 ist noch niemand da. Ich komme um 12 wieder. Alles zu. Na ja, dann geh ich eben erst Mittag essen. Danach habe ich Glück. Jorge steht vor seinem uralten Desktop Computer und grinst. Er hätte noch was erledigen müssen, entschuldigt er sich. Ach ja, die CD’s. „Es ging nicht, da ich das Modem nicht an den PC anschliessen konnte“ meint er. Wie bitte? Warum braucht er das Internet für eine einfache Kopie? Naja, ich habe ja auch nicht viel Ahnung und Jorge ist schliesslich der Spezialist. Er könne da alles heute Abend zu Hause machen, meint er. Dort habe er einen besseren Computer. Ob er sicher sei, dass morgen alles bereit ist, frage ich. „Claro que si“ kommt es wie aus der Pistole geschossen. Morgen um 10 sei alles fertig.

Ich warte bis Mittags. Der Rolladen ist noch immer nicht hochgezogen. Ich schaue die Strasse entlang und sehe Jorge. Er kauft sich gerade einen Kaffee. Puh, Glück gehabt. Er habe ein Problem, meint er. Die CD’s sind kopiert, aber der Songname kam nicht mit. Das soll auch am Internet liegen. Ich zeige ihm, dass auf der Harddisk und dem Stick alles drauf ist. Nein, es gehe nur mit Internet. OK. Ob ich denn noch einen Tag warten könne. Naja, jetzt kommt es auch nicht mehr drauf an und bezahlt habe ich Jorge ja auch noch nicht. „Claro que si“ sage ich und zottle wieder von dannen.

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Ich komme mir vor wie bei Groundhog Day. Der Wecker klingelt, Frühstück wird gemacht und der tägliche Besuch bei Jorge steht an. Was wird es dieses Mal sein? Als er mich kommen sieht, kramt er im Regal rum, dann in seinem Aktenkoffer. Wo sind die CD’s? Er ruft seine Frau an. Ja, er hat sie zu Hause vergessen. In zwei Stunden sind sie da, verspricht er. Ach ja, einer der Songs hätte nicht drauf gepasst. Mhh. Das hatte ich ihn am Anfang schon gefragt. Er hatte da noch gesagt, dass bestimmt alle Songs drauf passen. Doch egal. Hauptsache die CD’s sind fertig.

Zwei Stunden später. Jorge hat die CD’s. Er spielt mir die Erste stolz in seinem Auto vor. Gleich merke ich, dass die Reihenfolge völlig durcheinander geraten ist. Wir legen die CD in seinem Laptop ein und siehe da, auch die Songnamen fehlen noch immer. Das könne er gleich wieder gut machen. Er habe das Modem und alle sei bereit. Ob er dazu nicht alle CD’s von neuem brennen müsse, will ich wissen. Jaja schon, doch das macht gar nichts. Um 4 Uhr Nachmittags sei alles gemacht.

5 Uhr Nachmittags. Jorge ist noch am Brennen. Noch zwei, dann sei er fertig. Ich lege eine der fertigen CD’s, die er in eine Schokoladenschachtel gelegt hat, in das Laufwerk seines zweiten Laptops. Ich traue meinen Augen nicht. Der erste Song ist gleich zweimal drauf, der fünfte ebenfalls und insgesamt sind es 22 Songs statt 20. Dazu hat er nur 16 statt 20 CD’s kopiert. Das ist nicht nur auf der Test-CD so, sondern auf allen 16.

Jorge ist das mega peinlich. Er ist mit seinem Latein am Ende. Er hat sich Mühe gegeben, doch ich glaube, besser wird’s nicht. „Vielleicht mögen die Leute ja die Songs so gern, dass sie sie zweimal hören wollen“, sagt er scherzhaft und versucht zu retten, was zu retten ist. Irgendwie tut er mir Leid, denn er hat sich viel Zeit genommen und Mühe gegeben und jetzt war alles umsonst. Er gibt mir die 16 CD’s, Geld will er dafür keins haben.

Jorge mag zwar nicht der nächste Zuckerberg oder Gates sein. Doch ein guter Kerl ist er allemal. Ich gebe ihm die Hand und er entschuldigt sich tausend Mal.
Es wird mir fehlen, nicht mehr jeden Tag bei Jorge vorbeizuschauen. Ich hatte mich schon so daran gewöhnt.

Nachtrag:

In Argentinien hab ich die CD’s dann getestet, was gar nicht so einfach war. Ich hatte ja kein CD-Rom-Laufwerk mehr, in der Wohnung gab es keinen CD-Spieler und ein Geschäft mit CD-Spielern ist hier eher eine Seltenheit. Nach einigen Tagen fand ich dann endlich doch ein Geschäft. Erste CD – Disc Error – Zweite CD: Ebenfalls Disc Error. Das kann doch nicht sein. Jorge, was hast Du denn bloss gemacht?. Dritte CD ebenfalls Disk error. SO ging das weiter bis zur letzten. Von den 16 CD’s war gerade mal eine CD brauchbar. Sowas aber auch. Da hab ich nun drei Wochen “on and off” damit verbracht, die CD’s zu brennen und dann gar kein happy end. C’est la vie sagt man da wohl. Jetzt muss es ein Attachment bzw. ein Download tun…

 

 

12 in 12 – Die Hundeflüsterer von Mexico City

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Sowas habe ich noch nie gesehen. Im wunderschönen Parque Espana liegen links und rechts der Promenade fast 50 Hunde. 50 HUNDE!!! Alle haben eine Leine, aber keiner von ihnen ist irgendwo festgebunden und alle sind total friedlich. Ob Pitbull, Boxer, Schäferhund oder Promenadenmischung, sie alle scheinen irgendwie hypnotisiert zu sein. Kein Bellen, kein Knurren, sondern nur verträumte Blicke.

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Hier sind die Hundeflüsterer von Condesa am Werk. Angel, der gerade mal 20 Jahre alt ist und sein Vater haben sich an der Federation Canofila zum Hundetrainer ausbilden lassen. Jeden Morgen holen sie die Hunde bei den “Herrchen” ab und beginnen mit dem Training, das bis zum frühen Nachmittag dauert. Nicht nur das Gehorsam der Hunde, sondern auch das Selbstbewusstsein und das Verhalten an sich werden trainiert.

Fast jeden Morgen schaue ich Angel und seinem Vater für ein paar Minuten zu. Die Hunde haben es gut. Ich wünschte mir auch, so Zen drauf zu sein. Beeindruckend. Dagegen sind die “Dog Walker” im Central Park in New York reine Amateure.

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In Condesa hat so gut wie jeder einen Hund.  Hundesalons gibt es denn auch an jeder Ecke. Leider käme es immer wieder mal vor, dass ein Besitzer morgens den Hund bringt und ihn nie wieder abholt, sagt Angel. “Dann bleibt er bei uns im Training, bis wir einen neuen Besitzer gefunden haben.” Der Labrador Cabo ist so einer. Der war mal ein Strassenköter, den Angel selbst aufgenommen hat. Ein Parkbesucher nahm sich dem Hund an, kam dann aber einige Monate später einfach nicht mehr vorbei. Jetzt sei Cabo wieder ohne Herrchen bei ihm zu Hause. Am liebsten würde ich Cabo gleich selbst adoptieren. Doch leider geht das nicht. Doch bei den Hundeflüsterern ist er gut aufgehoben.

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12 in 12 – Mexico is the Shit

 

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Ach ja, falls Ihr Euch fragt, wie die Mexikaner mit den Nachrichten, dass Mexikanerhasser Donald Trump bald Präsident ist und dann mit Mexiko aufräumen wird, umgehen, kann ich Euch beruhigen. Sie nehmen es mit viel Humor. Wie sonst… Ganz angesagt in CDMX, wie Mexico City hier nur genannt wird, sind im Moment T-Shirts und Jacken mit dem Aufdruck “Mexico is the Shit”. Get it? Find ich schon sehr cool, denn Mexiko ist wirklich einfach nur der Hammer.

Witzig ist auch zu beobachten, wie sich hier die amerikanischen Touristen andauernd entschuldigen, dass The Donald gewählt wurde. Ja, tut uns leid, das mit unserem Idioten als Präsidenten. Augustin, dem hier unsere Wohnung gehört, ist dann immer ganz verstört. “Erstens haben wir einen Präsidenten, der noch schlimmer ist als Trump (Enrique Pena Nieto) und zweitens können die ja persönlich nichts dafür” sagt er. Ist bestimmt nett gemeint von den Amis.

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Ach ja, “Mexico is the Shit.” Das sagen die Erfinder des Spruchs, eine Designergruppe aus CDMX dazu:

This isn’t just a jacket, it’s a statement.
It is an opportunity to remind the world that Mexico is great! That everything made in Mexico is done right. It is a tribute to all those Mexicans around the world that are shifting global culture with their beautiful hearts and brilliant minds; it’s a way to show that we are many and we are together; that we are raising the standards, reminding the world that our voice matters.

Hier könnt ihr die Jacke bestellen.

12 in 12 – Gefährliche Vorurteile

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Mit Vorurteilen ist das so eine Sache. Niemand kann mir erzählen, dass er sich nicht Vorurteile bildet und sich nie von Aussagen Anderer beeinflussen lässt.  Wenn Donald Trump sagt, alle Mexikaner seien Vergewaltiger und Kriminelle, dann schüttelt man zwar den Kopf und ist empört. Doch wenn man etwas Unwahres nur oft genug wiederholt, dann bleibt im Unterbewusstsein meist etwas hängen.

Um nochmals den Weisen Donald heranzuziehen. Er brauchte nur immer und immer wieder zu wiederholen, dass Hillary Clinton “crooked” sei , was zu Deutsch soviel wie korrupt und betrügerisch bedeutet, und irgendwann wurde das zu einem Fakt. Ja, Hillary ist “crooked”. Warum, das interessierte dann plötzlich niemanden mehr. Man vergass sogar, wer das ursprünglich gesagt hatte. Das nennt man dann Indoktrination und was daraus entstehen kann, dass wissen wir hoffentlich alle.

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“Vorurteile sind die Vernunft der Narren” hat schon der französische Philosoph Voltaire gesagt und das vor über 300 Jahren.  Aktueller könnte diese Aussage nicht sein. Jeder will sich unsere komplexe Welt so einfach wie möglich machen und dazu sind Vorurteile das einfachste Mittel.  Vorurteile nehmen in unsicheren Zeiten übrigens exponentiell zu. Schöne Aussichten.

Zurück nach Mexiko…Fragt Euch doch mal, was Euer Bild eines Mexikaners ist. Was stellt Ihr Euch genau vor und wie ist diese Vorstellung entstanden. Seit mal ehrlich. Ich will gar nicht versuchen, Eure Gedanken zu lesen. Doch glaubt mir, sie sind von Vorurteilen geprägt.

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Ich will mich da nicht ausschliessen. Auch ich habe Vorurteile und zwar eine ganze Menge – auch über Mexikaner. Richtig einschätzen kann man Menschen sowieso immer erst dann, wenn man sie trifft, mit ihnen spricht, ihnen zuhört und auf sie eingeht.

Ich weiss, dass ich mich hier aufs Glatteis bewege und kräftig generalisiere. Doch hier meine Charakterisierung der Mexikaner.

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Die Mexikaner sind herzensgute Menschen. Ich habe selten Leute erlebt, die so hilfreich sind und das ohne jeglichen Hintergedanken. Mexikaner sind taktvoll und können zuhören, sind interessiert, freuen sich, dass man da bist, setzen alle Hebel in Bewegung, dass sie dir deinen Wunsch erfüllen können und lassen dich in der Regel in Ruhe, wenn du gerade keine Lust hat, mit ihnen zu sprechen. Mexikaner sind alles andere als überheblich, machen einen glücklichen Eindruck, egal ob sie auf der Strasse frisch gepressten Orangensaft verkaufen oder ob sie gerade zur Mittagspause aus ihrem Grossraumbüro kommen und im schicken Restaurant ihre Portion Sushi verzehren.

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Mexikaner lieben ihr Land und sind stolz darauf, dass  Mexiko in den letzten 20 Jahren einen ganz grossen Schritt nach vorne gemacht hat. Mexikaner sind keineswegs immer laut, sondern auch gerne mal nachdenklich,  Mexikaner sind nicht alle kriminell Herr Trump, sondern die ganz grosse Mehrheit arbeitet hart, egal ob als Bäcker, Anwalt oder Schuhputzer. Kurz und gut: Mexikaner sind mir viel näher, als ich das jemals gedacht hätte. Sie sind wundervoll. Ich verstehe mich gut mit ihnen. Ich hoffe, sie sich auch mit mir, denn sie haben ganz bestimmt auch Vorurteile, wenn es um einen Gringo aus Europa geht.

12 in 12 – Bitte Mezcal und nicht Tequila

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Als ich hier in Condesa in einer Bar neulich eine Margarita bestelle, schaut mich der Barkeeper ganz schräg an. “Sin sal” (ohne Salz) sage ich noch und habe damit wohl ganz verspielt. Ich schaue meinen Kollegen Carlos an und der sagt ganz trocken: “Ne Margarita bestellt man in Mexiko nicht. Das ist was Amerikanisches.” Echt? Das kann doch nicht sein. Für mich war die Margarita immer die Königin der mexikanischen Drinks und Tequila der König. Falsch gedacht. Im Prinzip gibt es nur einen Herrscher über die mexikanischen Spirituosen und der ist der Kaiser und heisst Mezcal.

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Den Fehler werd ich so schnell nicht mehr machen. Mezcal statt Tequila, ich habs’ geschnallt.

Doch gibt es zwischen Tequila und Mezcal wirklich einen so grossen Unterschied? frage ich am nächsten Tag Maria. Beides werde doch aus Agave hergestellt. Oh, da war ich nochmals ins Fettnäpfchen getreten. Das ist zusammengefasst, was Maria mir auf meine unschuldige Bemerkung in einer kleinen Schimpftirade an den Kopf warf: Tequila ist Industrieproduktion, während Mezcal meist nach alten Rezepten von kleinen Familienproduzenten hergestellt wird.

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Tequila darf nur aus Agave Tequilana Weber produziert werden, die aus Feldanbau stammt. Die intensive Kultivierung und Züchtung dieser Sorte hat die Biodiversität in den Anbauregionen nachhaltig verarmen lassen. Mezcal darf aus allen Sorten von Agaven hergestellt werden, insbesondere auch wild wachsenden. Der grösste Teil stammt jedoch aus Agave angustifolia (Espadín) , der Urform von A. Tequilana Weber, die noch richtig tiefen Geschmack hat.

Tequila wird unter hohem Druck in wenigen Stunden in Industriebottichen gedämpft. Mezcal wird tagelang langsam in Erd- und Steinöfen eingedämpft. Tequila wird bis zu 49% Zucker zugesetzt, Mezcal lediglich 20%. Zur Gärung von Mezcal kommen keine Beschleuniger zum Einsatz. Tequilla wird  bei hoher Hitze destilliert, Mezcal bei geringerer Hitze über längere Zeit.

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Mezcal schmeckt tatsächlich anders als Tequila – deutlich rauchiger. Ich stelle Ähnlichkeit mit einem Single Malt Whisky fest und das kommt wohl nicht von ungefähr. Einerseits benutzen viele Mezcal-Hersteller alte Whisky-Fässer zur Reifung. Anderseits ist der Herstellungsprozess durchaus vergleichbar.

Mezcalerias (Bars, die auf Mezcal spezialisiert sind), schiessen mittlerweile besonders in den USA wie Pilze aus dem Boden. Das  hat dazu geführt, dass die grossen Produzenten mittlerweile auch ihre Mezcal-Marken haben und die hohe Kunst des Mezcal-Destillierens damit in Gefahr bringen. Sie kaufen immer mehr kleine Agave-Plantagen zusammen. Immer mehr Familienbetriebe werden schwach und verkaufen. Pleas don’t…

Eine Mezcal-Marke, die auch in uneren Breitengraden erhältlich ist und die ihre Sache gut macht, ist Alipus. Probiert doch mal ein Glas…denn Mezcal ist zu Recht der Kaiser der mexikanischen Spirituosen.

Ach ja, und wer Euch erzählt, dass ein richtiger Mezcal einen Wurm drin hat, der ist ein Gringo…

12 in 12 – Bedient euch, ihr Designer

Es ist kein Geheimnis, dass die grossen Designer gerne Motive  abkupfern, die hunderte, ja manchmal gar tausende von Jahren alt sind. Wer hier in Mexico City die Relikte der Azteken anschaut, der kommt nicht mehr aus dem Staunen raus.

Hier einige wunderschöne  Muster, die doch gut als Stoffvorlage für die Herren Ford, Simmons oder Lagerfeld dienen könnten, oder nicht? Bedien dich Tom, wenn du willst. Trau dich.

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12 in 12 – Slim und Rodin mal 380

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Einige von Euch werden den Namen Carlos Slim kennen, andere nicht. Na dann will ich Euch kurz auf die Sprünge helfen. Herr Slim lebt in Mexico City und ist der reichste Mensch der Welt. Jahr für Jahr duelliert er sich mit Bill Gates um diesen Titel.  Sein Vermögen hat er dank der Privatisierung des mexikanischen Telekomgiganten Telmex gemacht. Zack – so einfach geht das.

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Wie Gates hat auch Slim eine Stiftung, die viel Gutes tut und die viel Geld in Kunst investiert. Als ich las, dass die Stiftung hier in Mexico City ein Museum gebaut hat, das eine der weltweit wichtigsten Kunstsammlungen beherbergt, dachte ich mir: Da muss ich hin. Das Museo Soumaya haut einen schon visuell um. Sechs Stockwerke voller Kunst. Insgesamt sollen es 66’000 Werke sein. Der Wert liegt bei weit über 1 Mrd. US-Dollar.  Alles gibt es hier: Van Gogh, Degas, Picasso, Miro, Dali und und und.

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Doch nichts, aber auch gar nichts kann einen auf den Besuch des obersten Stockwerks vorbereiten. Hier stehen in einem einzigen Raum fast wahllos zusammengewürfelt 380 Skulpturen des französischen Bildhauers Auguste Rodin. 380 SKULPTUREN VON AUGUSTE RODIN!!! Ich weiss nicht genau was das soll. Schön ist das irgendwie nicht mehr, sondern eher unheimlich. Man bewegt sich in einem Raum, aus dem jedes andere Museum schon stolz wäre, eine einzige der Skulpturen zu haben. Irgendwie Verschwendung. Man kann sich keinem einzelnen Werk widmen, sondern ist völlig verloren und überfordert. Tage später kann ich mich an keine einzige der Skulpturen mehr erinnern. Ob Carlos das gewollt hat?

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Na gut, es gibt zwei Sachen, die diesen Wahnsinn irgendwie rechtfertigen. Erstens hat Carlos Slim das Museum zu Ehren seiner Frau gebaut, die leider 1999 im Alter von nur 50 Jahren verstarb.  Das Museum trägt deshalb auch ihren Namen. Zweitens ist das Museum für alle umsonst, denn jeder soll sich ein Bild von den schönen Künsten machen können. Naja, ich sagte ja schon, irgendwie rechtfertigen. 380 Skulpturen von Rodin in einem Raum…

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12 in 12 – Pujol erfindet die mexikanische Küche neu

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Gutes Essen ist eine der magischsten, anregendsten und wichtigsten Sachen nicht nur auf dieser Reise, sondern im Leben überhaupt, finde ich zumindest. “There is no love sincerer than the love of food” hatte schliesslich schon George Bernard Shaw in seinem Roman Man and Superman gesagt. Doch über Essen schreiben und Bilder davon zu zeigen, bringt in der Regel nicht viel. Ohne das Essen zu spüren und die Geschmacksnerven zu aktivieren, ist die schönste Visualisierung nichts wert.

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Dennoch mach ich heute mal eine Ausnahme. Ferran Adria, der spanische Koch von El Bulli, der von vielen als der beste der Welt angesehen wird, hat mal gesagt: “Es gab mexikanische Küche vor und nach Enrique Olvera”, dem Koch des Restaurant Pujol, das er vor etwas mehr als 15 Jahren eröffnet hat. Mittlerweile ist Pujol das beste Restaurant Mexikos und wird auf der “San Pellegrino World’s Best Restaurant List” seit Jahren unter den Top 25 geführt. Die New York Times hat Mexico City zudem gerade als weltweit beste Food-Destination 2016 erkoren. “High Praise.”

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Das Restaurant ist klein, weisse Tischtücher Fehlanzeige, coole Musik im Background und makelloser Service. Eine Speisekarte gibt es keine. Wer ins Pujol kommt, der gibt sich in die Hände des Maestros und bestellt das Tasting Menu. Die Geschmacksknospen blühen in der Sekunde auf,  als der erste Gang auf dem Tisch landet. Olvera nimmt mexikanische Klassiker, häufig Street Food, und stellt sie auf den Kopf. Kleine Maiskolben beispielsweise, die normalerweise in einem Karren vor dem Supermarkt gekocht oder geröstet und mit Käse und (zu) viel Mayonnaise serviert werden, macht Olvera anders (erstes Bild). Die Mayonnaise wird mit gemahlenen Chicatana Ameisen gewürzt (kein Scherz) und der kleine Maiskolben (Baby Corn) in einem Shot Espresso gedünstet, Chili Flakes geben noch das gewisse Etwas dazu. Das Gedicht ist fertig.

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Unzählige Gänge landen auf unserem Tisch. Die für uns oft unbekannten Gewürze führen zu einer Geschmacksexplosion nach der anderen. Wie gesagt, über Essen schreiben ist müssig. Doch einen Gang will ich noch kurz erwähnen: Die 1115 Tage alte Mole Madre mit Mole Nuevo (Bild unten).

Mole ist das Nationalgericht und der Stolz Mexikos. Nicht nur jede Region oder jede Stadt, sondern jede Familie hat ein anderes Rezept dafür. Wer denkt,  Mole sei nur Schokolade mit Chili, der liegt falsch. Es ist viel komplizierter.

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Die Mole Madre von Pujol besteht aus Plantanen, Rosinen, Heirloom Tomaten, Knoblauch, Zimt, Nelken, Anis, Muskatnuss, Ingver, Pflaumen, Mandeln, Pekan-Nüssen, Erdnüssen, Thymian, Majoran, Oregano, roten chilhuacle Chilli, schwarzen und blauen Chilli, Flachsöl, Meeressalz, Zucker und dunkler Schokolade aus Oaxaca.  Je häufiger die Mole aufgewärmt wird, desto besser schmeckt sie. Die einzelnen Zutaten werden dadurch immer mehr zu einer Einheit. Die Mole, die wir serviert bekommen, wurde vor bald vier Jahren angesetzt und wärmt das Herz jedes auch noch so skeptischen Gastes. Versprochen.

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Ich weiss, ihr habt jetzt bestimmt Hunger und deshalb fang ich gar nicht erst an, vom Nachtisch zu schwärmen.

Wer noch immer denkt, Tacos seien alles, was die mexikanische Küche zu bieten hat, der liegt sowas von falsch. Pujol tritt stellvertretend für das ganze Land den Beweis an. Also, wenn ihr mal in Mexico City seit, dann tut alles dafür, eine Reservation bei Pujol zu kriegen (was kein einfaches Unterfangen ist). Schöner Nebeneffekt dieses Abenteuers: Während ein Menu dieser Klasse normalerweise 250 Euro pro Person kostet, sind es hier gerade mal 80 Euro.

P.S. Wenn ich schon George Bernard Shaw zitiert habe, hier noch mein Lieblingszitat von ihm mit auf den Weg für Euch:

“A life spent making mistakes is not only more honorable, but more useful than a life spent doing nothing.”

Denkt mal darüber nach…

12 in 12 – Das Paradies der Sinne

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Es riecht nach Geranien, Maiglöckchen, Lavendel und nach Rosen. Ich  stehe vor der Perfumeria Tacuba 13, der Königin unter den über 20 Parfümerien an der Calle de Tacuba.

Das ist hier nicht Sephora oder Douglas. Hier stehen keine durchgestylten Flacons von Tom Ford und Yves Saint Laurent in den Regalen, sondern hier wird gemischt und zwar von Hand und das seit 1932. Hier kann jeder sein eigenes Parfum zusammenstellen oder eines der grossen Designer nachmischen lassen. Hunderte, ja vielleicht gar tausende von Flaschen mit Essenzen stehen hier in den Regalen.

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Die Kopfnote, die man unmittelbar nach dem Auftragen riecht, die  Basisnote, die nach einigen Minuten in den Vordergrund tritt und die Herznote, die noch lange danach bleibt – alles kann individuell gewünscht werden und das für 3 Euro pro Flacon. Es macht Spass, den Frauen hinter der Theke zuzusehen, wie sie vorsichtig mischen und riechen. 1500 Kunden kommen hier jeden Tag rein und erfüllen sich einen grossen Traum für wenig Geld.

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Entstanden ist die Parfumerie in den 30er Jahren, als das alte Gesetz, Parfums ohne Luxussteuer zu importieren, aufgehoben wurde. Seither wurde die Fertigkeit der Parfümherstellung perfektioniert. Einige sagen, die Angestellten der Perfumeria Tacuba 13 könnten gar mit den berühmten Nasen aus Grasse an der Côte d’Azur mithalten. Das kann ich mir durchaus vorstellen.

Die Spezialität hier in der Perfumeria Tacuba ist übrigens ein Duft, der Glück in der Liebe bringen soll. Orangenblüten, Jasmin, Gardenien und Veilchen sind das Geheimnis. Soll ich Euch eine Flasche mitbringen?

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12 in 12 -Die schräge Welt des Lucha Libre

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Ja, ich gebe es zu. Als der legendäre Horst Brack alias Rochus Hahn Ende der achtziger Jahre bei Catch Up auf RTL2 den moderierenden Fiesling mimte, sass ich nach Mitternacht wie gebannt vor dem Fernseher und hab mir die Ringkämpfe von Ric Flair und Co. angeschaut. Das war Kult. Seither habe ich den Kontakt zum Wrestling verloren. Die Grossveranstaltungen der WWE interessieren mich genau so viel, wie wenn in Peking ein Fahrrad umfällt.

Doch sobald Mexico City als eine der Städte von 12 in 12 feststand war klar: Lucha Libre, die mexikanische Form des professionellen Wrestling, wo sich Männer in Masken gegenüberstehen und sich mit haarsträubenden Akrobatikeinlagen gegenseitig aufs Parkett legen, muss aufs Programm.

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Gesagt, getan. Das Mekka des Lucha Libre ist seit Mitte der fünfziger Jahre die berüchtigte Arena de Mexico. Jeden Freitag geht es hier wild zu und her, wenn die Profiliga Consejo Mundial de Lucha Libre (CMLL) ihre Kämpfe austrägt. Mein Reiseführer rät davon ab, hier allein ohne Touristengruppe hinzugehen. Es kursieren üble Räubergeschichten, was rund um das Stadion schon alles passiert sein soll.

Doch egal. Karten gekauft, rein in die U-Bahn und hin zur Arena. Wird schon gut gehen. Von weitem sieht man die Menschenmassen. Viele haben die Masken ihrer Lieblingskämpfer übergestülpt. Das flösst durchaus Respekt ein. Augen zu und durch. Der „Türsteher“ vor der Arena nimmt mir gleich mal die Kamera ab, gibt sie nach hinten, drückt mir einen orangen Zettel in die Hand und deutet auf ein dunkles Fenster am Ende des Gangs. OK, da muss ich sie wohl abholen, wenn die Kamera dann noch da ist.

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In der Halle ist es ohrenbetäubend laut. Die einzelnen Fangruppen liefern sich mit Sprechgesängen Duelle. „Mistico, Mistico”, schallt es aus der einen Ecke, während die andere Atlantis lautstark unterstützt. Mistico, ganz in Weiss mit goldenen Glitzeraufsätzen, ist der Liebling des Publikums.

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Irgendwie ist es lächerlich, wenn insgesamt gleich sechs Ringkämpfer mit ihren Masken den Ring betreten und jeder eine grössere Show abzieht, als der andere. Doch gleichzeitig strahlt das ganze auch Faszination aus. Mein Sitznachbar auf jeden Fall ist total aus dem Häuschen. Mistico und sein Tag-Team sind drauf und dran, Atlantis und seine Truppe zu vermöbeln. Die Akrobatik ist atemberaubend. Dass sich die Jungs dabei nicht alle Knochen brechen…

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Mistico hat, wie jeder Lucha-Libre-Charakter, eine Hintergrundsgeschichte.  Er wurde als Waisenkind vom Ringpriester Fray Tormensa aufgenommen und von ihm auch trainiert. Als Verteidiger der Armen und Waisen – wie könnte es auch anders sein – trägt er eine lange Fehde mit Mephisto aus.

Mistico ist auch ausserhalb des Rings ein grosser Star. Er ist der Held einer populären Comic-Serie, taucht in Musik-Videos und TV-Shows auf und ist der Liebling unzähliger Kinder in ganz Mexiko. Sie lieben ihren Mistico.

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Am Ende der dritten Runde ist es so weit. Mistico stellt sich auf die Seile in der Ringecke.  Er hat Atlantis, der fordernd mitten im Ring steht, vor sich. Das Publikum weiss, was jetzt bevorsteht.  Mistico hebt ab, wirbelt durch die Luft und streckt Atlantis nieder. Mistico hat gewonnen. Die Welt ist wieder in Ordnung und die Halle ausser Rand und Band.

Schon eine schräge Angelegenheit dieses Lucha Libre. Nach drei Stunden der Spuk vorbei. Ich suche das Fenster am Ende des Ganges. Ich reiche meinen orangen Zettel durchs Gitter.  Alles paletti. Die Kamera ist noch da. Später in der U-Bahn flimmern die Bilder der Kämpfe weiter vor meinen Augen. Hab ich das nur geträumt oder war ich gerade wirklich beim Lucha Libre?

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