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12 in 12 – 40 Stunden ohne Internet

Nervös starte ich den Browser zum x-ten Mal. Schon wieder nichts. Das Internet ist “down”.  Es ist 10 Uhr Abends und zu spät, um unseren AirBnB-Host über Whatsapp anzurufen. Ach, was rede ich da – Whatsapp geht ja gar nicht und so schlimm ist es ja nicht, mal ohne Internet zu sein.

Eine Stunde später: Ich bin ganz unruhig. Das Email geht weder raus noch rein, die Nachrichten sind immer noch auf dem Stand von vor einer Stunde und meinen Trendengel-Post, den ich gerade  geschrieben habe, kann ich nicht abspeichern. Ist ja schon krass, wie abhängig ich von dem doofen Web bin. Gerade mal eine Stunde Offline und schon bin ich aufgeschmissen. Doch was solls. Heute wird das nichts mehr. Morgen ist bestimmt alles wieder gut.

8:30 Morgens. Ein Sonnenstrahl streichelt mein Gesicht. Ich wache auf. Sofort der Griff zum Telefon. Ach nee. Keine Nachricht und gar nichts. Internet noch immer down. Noch vor dem ersten Kaffee laufe ich kurz zum Strand, um mich  dort ins öffentliche Netz einzuloggen. Mein Host sagt, das Internet sei im ganzen Quartier ausser Betrieb. Er habe beim Provider Telstra angerufen und die arbeiten dran.

Das kann ja heiter werden. Wo soll ich meinen Post schreiben, wie finde ich heraus, wie wir zum Australia-Day-Picknick nach Paramatta kommen, was ist mit den Zwischenresultaten des Australian Open und wo kann ich mir jetzt die Hottest-100 auf Triple-J anhören. Ein News Junkie auf Entzug. Ich sitze im Apartment und es ist still. Mein Telefon funktioniert nicht und meine Frau denkt gar darüber nach, spätestens Morgen das Apartment zu wechseln. Ohne Internet ist man ja nur ein halber Mensch.

Wie kann das denn nur sein? Vor ein paar Tagen beschwere ich mich noch über die Leute, die ständig an ihrem Phone hängen und jetzt bin ich auch schon ganz kribbelig, wenn ich das gute World Wide Web nicht bei mir habe. Wie habe ich das früher nur gemacht? Das ging doch auch. Ich erinnere mich noch – und es ist gar nicht so lange her – wie ich nur mit einem Lonely Planet bewaffnet und ganz ohne Mobile Phone herumgereist bin. Statt Google Maps fragte man sich einfach durch und statt die News zu studieren hatte man sie ganz einfach nicht oder wartete bis zum nächsten Tag und las sie in Zeitung.  War das wirklich so viel schlechter?

Ich erinnere mich insbesondere an eine Reise durch Amerika. Mit einem Freund  ging es im Auto quer durchs Land. Nach mehreren Monaten, es war in New Orleans, fanden wir auf der letzten Seite des Sportteils der Washington Post die Tabelle der Fussball-Bundesliga. Nach 14 Spieltagen führte Bayern München und mein Verein, der Hamburger Sportverein, lag auf Platz 7. 14 Spieltage ohne jegliche Information! Heute total undenkbar. Das war aber  damals aber total OK und ich empfand es als Geschenk vom Himmel, wenigstens nach 14 Spieltagen diese Tabelle in den Händen zu halten. Kommunikation mit der Heimat gab es damals auch keine. Kein Email und alle paar Wochen vielleicht mal ein Collect Call nach Hause. Das reichte auch. So fühlte man sich so richtig losgelöst und frei. Es zählte nur das hier und jetzt.

Den Weg zum Picknick haben wir dann auch ohne Google Maps gefunden. Ohne Wifi sassen wir im Park, während um uns herum getextet, gechattet und gesurft wurde. Wir haben uns trotzdem gut amüsiert. In der Zwischenzeit hatte uns unser Host eine Nachricht zukommen lassen: Alles sollte wieder gehen, hiess es da. Cool. Zu Hause gleich der Test: Nix. Noch immer kein Internet. Mittlerweile nahm ich es schon etwas cooler. Morgen wird bestimmt alles besser dachte ich mir nochmals. So war es denn auch. Gegen Mittag kam unser Host und startete das Modem, das nicht direkt bei uns in der Wohnung steht, neu. Voila – es geht wieder – juhui.

40 Stunden ohne Internet. Das sollte nicht einmal erwähnenswert sein – ist es aber. Ich kann zwar gut darauf verzichten, die ganze Zeit auf mein Telefon zu schauen – doch nur wenn ich weiss, dass es im Prinzip funktioniert und ich ganz wichtige Nachrichten sofort schreiben oder empfangen kann. Wenn ich jedoch von der Welt abgeschnitten bin, dann fühle ich mich  hilflos. Das ist zwar traurig, ist aber so. So langsam verstehe ich, dass es Entzugskliniken für Smart-Phone-Süchtige gibt. Ich hoffe schwer, ich lande nicht auch mal in so einer…

 

12 in 12 – Cinema Farnese – Kapitel 7

Hier ist es endlich. Das letzte Kapitel des Krimis Cinema Farnese:

Cinema Farnese

Ein Fall für Alfredo Conte

Kapitel 7

Inspektor Alfredo Conte hatte die Puzzleteile fein säuberlich zusammengesetzt. So sah es aus.

Stefano Totti hatte seit Jahren ein Auge auf das Cinema Farnese geworfen. Er hatte Novelli immer wieder bearbeitet, ihm das Kino doch für seine neue Trattoria „Stefano“ zu überlassen. Als er ihm dann vor wenigen Monaten anbot, gleichberechtigter Teilhaben zu werden, wurde Novelli schwach und sagte zunächst zu. Doch nach einigen Tagen hatte Novelli, für den das Kino sein ganzes Leben war, seine Meinung geändert. Er hatte im Vertrag, den Conte bei der Hausdurchsuchung von Novellis Büro gefunden hatte, die Klausel entdeckt, dass Totti nach einem Jahr die Option hatte, ihn für 250’000 Euro aus dem Vertrag zu kaufen. Wutentbrannt hatte Novelli beim Grundbuchamt seinen Antrag zurückgezogen. Totti hatte mehrere Male versucht, Novelli umzustimmen – ohne Erfolg.

Totti wusste, dass die Erben von Novelli kein Interesse am Kino hatten. Sie waren schon lange aus Rom nach Mailand gezogen und hatten keine Zeit, sich um das Cinema Farnese zu kümmern. Totti’s Plan war, das Kino nach dem Tod von Novelli kurzerhand zu kaufen. Conte hatte Novelli‘s Tochter Roberta angerufen und von ihr erfahren, dass sich vor einigen Tagen tatsächlich jemand erkundigt hatte, ob sie Pläne für das Kino habe. Das konnte nur Totti gewesen sein.

Auch wusste Totti, dass der Bäckermeister Roberto Ginelli unsterblich in Giulianos Ehefrau Mariella verliebt war. Als Giuliano am Abend vor der Tat in der Bar Peru in aller Öffentlichkeit die Drohung gegen den Kinobesitzer aussprach, kam Totti die glorreiche Idee. Er wusste von einigen feuchtfröhlichen Abenden mit Bruno und Piselli auf der Terrasse der kleinen Wohnung von Ginelli, dass dieser, versteckt in einer kleinen Box, eine Beretta besass. Während Ginelli am Abend vor dem Mord wie immer in der Backstube war, brach Totti in die Wohnung des Bäckers ein und packte sich die Waffe.

Totti hatte mit allen Mitteln versucht, Conte auf die falsche Fährte zu bringen und die Beretta immer wieder ins Spiel gebracht. Doch einmal zu viel. Mit seiner doch sehr bestimmten Vermutung, dass die Beretta von Ginelli verschwunden sei, hatte sich Totti nur noch verdächtiger gemacht.

Nachdem Totti bei Ginelli im Kino mit seinem Plan, eine Trattoria zu eröffnen, ein letztes Mal auf Granit gebissen hatte, erschoss er ihn kaltblütig. Danach ging er direkt zu seinem Freund Piselli. Totti wusste, dass ihm der Hotelbesitzer ein Alibi geben würde. Er nützte die verzweifelte Lage Pisellis mit dem kriselnden Hotel, das baufällig war und nur noch rote Zahlen schrieb, aus. Die Rechnung ging zunächst auf. Piselli gab zu Protokoll, dass die beiden zur Tatzeit den ganzen Abend mit einer Flasche Wein bei ihm auf der Terrasse gesessen seien. Im Gegenzug lieferte Totti Piselli eine halbe Million Euro ab, mit der er dann sein Hotel umbauen konnte.

Genau da lag der Schwachpunkt in Totti‘s Plan. In dem Moment, als er Piselli an Bord holte, gab er die Kontrolle aus der Hand. Piselli konnte Totti nicht ausstehen und das nicht erst, seit er seine finanzielle Notlage ausnutzen wollte, um sich da Hotel unter den Nagel zu reissen. Totti hatte Piselli immer wieder spüren lassen, dass er ein Versager war und ihm bei jeder Gelegenheit vorgehalten, welche Fehler er mit seinem Hotel gemacht hatte. Dazu kam, dass Piselli die Geduld fehlte, mit dem Umbau seines Hotels zu warten. Er gab Totti’s Geld gleich aus, statt still zu halten, bis Gras über die Sache gewachsen war.

Piselli war es denn auch, der Alfredo Conte die Nachricht mit dem Grundbuchamt zukommen liess und den Inspektor damit auf die richtige Fährte gebracht hatte. Dabei hatte der Hotelbesitzer wohl nicht damit gerechnet, dass Conte  im Grundbuchamt auch auf seine Pläne für den Umbau des Wintergartens stossen würde. Conte hatte Piselli durchschaut und ihm das bei seinem Besuch schonungslos offenbart. Womit Conte nicht gerechnet hatte war, dass Piselli  ihm bei dieser Gelegenheit gleich noch das letzte Puzzleteil zur Lösung des Falls präsentieren würde.

Totti hatte Piselli in der Nacht nach der Tat eine weitere Aufgabe übertragen: Er sollte die Beretta verschwinden lassen. Doch das hatte Piselli nie getan. Die Forensiker identifizierten die Beretta schnell als Tatwaffe und fanden, obschon Totti die Waffe gut abgewischt hatte, noch Fragmente seiner Fingerabdrücke. Das hatte auch die letzte Zweifel an der Schuld von Stefano Totti aus dem Weg geräumt.

Inspektor Conte hatte einen weiteren Fall gelöst. Ein Fall, der ihm sehr nahe ging. Als er am nächsten Mittag seine Pizza Rosso bei Roberto Ginelli holte, kam ihm Mariella Novelli entgegen. In einer Tasche trug sie eine frische Crostata. Seit 30 Jahren war sie nicht mehr im Forno bei Roberto gewesen.  Zu schmerzhaft wäre der Besuch für beide gewesen. Sie hatte ein Lächeln auf den Lippen, drehte sich um, und warf Roberto einen scheuen Blick zu, ehe sie erhobenen Hauptes über dden Campo de Fiori stolzierte.

12 in 12 – Cinema Farnese – Kapitel 6

Ihr hattet wohl gedacht, Inspektor Alfredo Conte sei nicht in der Lage, den verzwickten Fall des Mordes im Cinema Farnese zu lösen. Schliesslich habt ihr ja eine ganze Weile nichts mehr vom italienischen Colombo gehört. Doch weit gefehlt. Der Inspektor aus Rom hat in der Zwischenzeit Fortschritte gemacht. In den letzten zwei Kapiteln erfahrt ihr, wie und warum Giuliano Novelli in seinem Cinema Farnese erschossen wurde und wer der Mörder ist. War es Roberto Ginelli, der unsterblich n Mariella, die Frau des Kinobesitzers verliebt ist,  Mauro Piselli, der mit seinem Hotel in finanzielle Schwierigkeiten geraten ist, Stefano Totti, der im Cinema Farnese eine Trattoria eröffnen wollte oder etwa gar Mariella Ginelli, die mit dem Erlös der Lebensversicherung ein sorgloses Leben führen könnte?

Als kleine Erinnerung, was bisher geschah, hier die direkten Links zu den fünf Kapiteln, die bis jetzt erschienen sind:

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Cinema Farnese

Ein Fall für Alfredo Conte

Kapitel 6

Mauro Piselli steht höchstpersönlich an der Rezeption seines Hotels. Er ist gerade dabei, die welken Blumen von der Theke zu nehmen, als Conte von der Strasse her seinen Namen ruft. „Was kann ich für dich tun, Alfredo?“ entgegnet Piselli.  „Lass uns doch kurz nach hinten gehen, ich habe da noch eine Frage.“ Das kleine Büro hinter der Rezeption wurde gerade renoviert. Der Schreibtisch, ein schönes Art-Deco-Stück, war neu und der Raum roch nach frischer Farbe. Conte kommt gleich zur Sache. „Warum hat mir niemand erzählt, dass Totti geplant hatte, das Cinema Farnese in eine Trattoria umzuwandeln?“ Piselli antwortet gelassen: „Ich hatte nicht gedacht, dass das was zur Sache tut und wenn überhaupt hätte Totti ja wohl was sagen sollen und nicht ich“. „Natürlich tut das was zur Sache, vor allem weil Novelli vor wenigen Tagen beim Grundbuchamt sein Einverständnis zum Umbau des Kinos zurückgezogen hat“, schickt Conte hinterher. „Das ist ja interessant“ antwortet Piselli süffisant. Totti sei in den letzten Tagen in der Tat etwas von der Rolle gewesen. Doch dass das mit dem Cinema Farnese zu hatte, das habe er nicht gewusst.

Conte hatte genug gehört. Beim Rausgehen kommen ihm zwei Bauarbeiter entgegen. „Mensch, das Hotel Lunetti erstrahlt ja bald wieder im schönsten Glanz, mein lieber Piselli. Sehr schön.“ „Ja, das Hotel wird wieder auf Vordermann gebracht. Hinten werde ich noch eine kleine Bar kreieren und dann noch einen Wintergarten dazu bauen. Die Pläne hab ich schon beim Grundbuchamt deponiert. Das wird wunderschön“, ist Piselli ganz begeistert. „Na dann, viel Glück damit“, sagt Conte und zieht von dannen.

Conte wundert sich, woher Piselli plötzlich das Geld hatte, das Hotel Lunetti zu renovieren. Noch vor wenigen Wochen war er so gut wie am Ende und sah sich fast gezwungen, das Hotel an Totti zu verkaufen. Es war zudem offensichtlich, dass Piselli von Totti’s Plänen, das Cinema Farnese zu übernehmen und auch von der Kehrtwende Novellis, gewusst hatte. Kam die Nachricht, mal beim Grundbuchamt vorbeizuschauen, Piselli? Und wenn ja, was hatte er davon, Totti zu belasten? Immerhin ware es ja er, der Totti für den Abend der Tat ein Alibi gegeben. Die beiden sahen immer wie dicke Freunde aus.

Es war an der Zeit, bei Stefano Totti vorbeizuschauen, und ihn zur Rede zu stellen. Totti sitzt wie immer am Freitagabend im Hinterzimmer seiner Osteria Romana und zählt die Einnahmen. Sein Restaurant hatte einen weiteren erfolgreichen Abend hinter sich. Die Spaghetti Carbonara der Osteria waren über die Stadtgrenze hinaus bekannt. Der dick geschnittene, in viel Olivenöl knusprig angebratene Speck, war nirgends so gut wie in der Osteria. 17 Euro waren zwar ein stolzer Preis für das Gericht, doch die Spaghetti waren jeden Cent wert.

Conte klopft kurz und bestimmt an die angelehnte Tür und tritt umgehend ein. „Was willst Du denn?“ brummt Totti. Conte legt Totti das Schreiben aus dem Grundbuchamt vor die Nase. „Warum hast Du mir nicht erzählt, dass du deine neue Trattoria im Cinema Farnese eröffnen wolltest, und Novelli seine Einwilligung vor wenigen Tagen zurückgezogen hatte?“  Totti blickt von seinen Büchern auf und erwidert: „Hör zu, Alfredo. Ich muss dir gar nichts sagen. Das sind Geschäftsgeheimnisse und die gehen dich wirklich nichts an“ „Ach ja, wenn dir ein grosses Geschäft mit Novelli durch die Lappen geht und der dann einfach so mal umgebracht wird, das geht nicht gar nichts an?“ schnauzt Conte zurück.

Totti war mit seiner Geduld am Ende. „Hör zu, der Fall ist klar. Giuliano Ginelli hat Novelli umgebracht. Er war eifersüchtig wegen Mariella und hat ihn mit seiner Beretta erschossen. Oder hast Du die Beretta etwa bei Ginelli gefunden und festgestellt, dass daraus kein Schuss abgefeuert wurde? Nicht? Dachte ich es mir doch.“ Conte stand regungslos im Raum und liess sich nicht anmerken, dass er genau das gehört hatte, was er hören wollte. Er musste sofort zurück auf die Polizeiwache. Ein dringender Aufruf war fällig und dann musste er noch ein ernsthaftes Gespräch mit einem gewissen Herrn Piselli führen. Er hatte ihn zuvor unnötigerweise mit Samthandschuhen angefasst.

Drei Stunden später. Es ist nach Mitternacht. Inspektor Conte fährt mit Blaulicht vor der Wohnung von Totti vor. Er ist in Begleitung von drei bewaffneten Polizisten. Als Klopfen nichts nützt, tritt Conte die Tür ein. Von Totti keine Spur. Ein Klirren im Hinterhof. Aus dem Badezimmerfenster sieht der Inspektor noch einen Schatten entschwinden. Schnell hinterher. Mitten auf dem Campo de Fiori holt er Totti ein. Er wirft ihn auf das harte Kopfsteinpflaster, dreht ihn auf den Rücken und legt ihm Handschellen an. „Das Spiel ist aus, mein Lieber. Du stehst im Verdacht, Kinobesitzer Giuliano Novelli kaltblütig umgebracht zu haben. Du bist festgenommen.“

Das letzte Kapitel mit der Auflösung des Falls erscheint morgen.

 

12 in 12 – Städterating Buenos Aires

Das ist der letzte Eintrag aus Buenos Aires. Der Moment, die Stadt zu bewerten, ist gekommen.

Ein Monat ist nicht viel Zeit, doch genug, um einen Eindruck zu gewinnen, wie eine Stadt tickt. Deshalb haben wir ein Städterating erarbeitet, das sich von den gängigen Modellen der Mercers dieser Welt unterscheidet. Wir achten weniger auf das Bildungssystem, das politische Umfeld und das Gesundheitssystem, sondern mehr auf Faktoren, die eine Stadt einzigartig machen. Das Rating in neun Kategorien geht von 1 (schlecht) bis 10 (grandios) und spiegelt unser rein subjektives Empfinden:

Die Leute: 7

Die Portenos sind nicht ganz leicht zu knacken. Doch wenn man ihnen einmal gezeigt hat, dass man nicht nur ein “doofer Tourist” ist, dann werden sie charmant und redselig. Auf jeden Fall sind sie total “real”.

Kulturelles Angebot: 8

Das war die grösste Überraschung. In Buenos Aires gibt es immer was spannendes zu tun. Ob klassische Musik, Tangoveranstaltungen, Theater, Popkonzerte oder Kunst an sich. Buenos Aires hat die Nase im Wind. Dazu kommt, dass fast alles umsonst ist. Gratis und franko. Das Centro Cultural Kirchner ist die beste Kulturinstitution, die ich irgendwo auf dieser Welt kenne. Dazu das Centro Cultural Recoleta und das Glück ist perfekt.

Food: 7

Dass es hier das beste Fleisch der Welt gibt, ist nicht nur ein Klischee. Dazu kommen leckere Pizzas, Pasta, Salate und Empanadas.D ie Atmosphäre ist immer familiär. Toll!  Auch internationale Küche fehlt nicht. Doch da gibt es noch etwas Nachholbedarf.

Preisniveau: 7

Nach Mexico City hat es im Vergleich jede Stadt schwer. Doch wer etwas aufpasst, was er kauft, der kommt in Buenos Aires mit wenig Geld durch. Die Metro kostet weniger als 50 Cent und ein mega fettes Steak gibt es für 15 Euro.

Öffentlicher Verkehr: 5

Da gibt es Verbesserungsmöglichkeiten. Die U-Bahn fährt nur bis 23 Uhr und das Fahrradsystem ist ein Albtraum. Doch Uber und die Zuverlässigkeit des ÖV insgesamt machen das Ganze immerhin deutlich besser als in Rom.

Wetter/Klima: 8

Jetzt ist hier Sommer und das Klima ist perfekt. Doch in BA ist es das ganze Jahr über mild. Im Winter regnet es zwar recht oft, doch draussen Sitzen ist auch dann noch immer möglich.

Sicherheit: 7

Buenos Aires hat keinen sehr guten Ruf, wenn es um Sicherheit geht. Doch davon haben wir überhaupt nichts gespürt. Wir haben uns pudelwohl gefühlt.

Fun/ Feel-Good-Faktor: 8

Hier ist immer was los. Spass lauert sozusagen an jeder Ecke und zu Hause fühlt man sich auch. BA ist auch ein wenig The city that never sleeps…

Coolness/Kreativität: 7

Hier vibriert es. Die Leute sind cool drauf, ziehen sich auch gerne mal schön an und man merkt, dass hier viele Künstler und sonstige Kreative zu Hause sind. Kultur liegt den Leuten hier im Blut.

Gesamtergebnis: 64 Punkte

Hier der Vergleich zu den anderen Städten. Ganz knapp hat es nicht für den Spitzenplatz gereicht. Platz drei im Moment.

Next stop: Sydney

12 in 12 – Die heilige Gesichtscreme

Zu sagen, dass das eine heilige Gesichtscreme ist und dass sie vom Papst persönlich empfohlen wird, wäre zwar übertrieben, doch auch nicht total falsch. Ich traue meinen Augen nicht, als ich in der Eingangshalle der Basilica Menor de San Francisco Monserrat ein kleines Geschäft entdecke. In der Vitrine vor dem Laden steht neben kleinen religiösen Andenken auch ein Topf mit Gesichtscreme. Komisch, denke ich, die verkaufen Kosmetika in einer bedeutenden Kirche. Dem muss ich auf den Grund gehen.

Die Franziskanerkirche steht nur einen Steinwurf von der grossen Kathedrale, in der Papst Franziskus als Erzbischof von Buenos Aires amtete. Der Papst war den Franziskanern und der Kirche immer sehr verbunden. Schliesslich wählte er seinen Namen nach Franz von Assisi.

Aber zurück zu der Gesichtscreme. Im Laden ist gerade ein älterer Herr dabei, sechs Töpfe der Gesichtscreme zu kaufen. Er erklärt uns, dass die Creme der Grund sei, warum er noch immer so jung aussehe.  Schon beeindruckend. Das Wundermittel werde von Franziskanermönchen weit ausserhalb von Buenos Aires in einer kleinen Abtei hergestellt. Auch das Royal Jelly, das hier in Pillenform verkauft wird, habe eine grosse Wirkung – auch das stammt alles von den Franziskanermönchen.

Der Verkäufer im Laden pflichtet dem Herrn bei. Er ist zurückhaltend und unglaublich nett. Er erklärt uns, dass es die Creme nur hier gebe und dass die Leute von weit her kommen, um sie zu kaufen. “Das ist bestimmt teuer” denke ich. Doch weit gefehlt. Ein Topf des Wundermittels kostet umgerechnet gerade mal 4 Euro. Na dann, schaden kann es ja nicht. Meine Frau schlägt zu. Vier Töpfe gehen über den Ladentisch. Der ältere Herr freut sich und verspricht uns, dass wir den Entscheid nicht bereuen werden. Der Verkäufer packt alles schön säuberlich ein und schenkt uns noch ein Glas Honig. “Der schmeckt nur gut und kann sonst nichts” sagt er.

Ich bin gespannt, wie die Creme wirkt. Die Inhaltsstoffe jedenfalls sind alle natürlich und ohne Konservierungsstoffe. Wie gesagt, schaden kann es ja kaum was und wer weiss. Nicht dass ich besonders gläubig bin. Doch wenn so ein Laden in einer renommierten Kirche seinen Platz haben darf und die Preise so tief sind, dass das bestimmt kein grosses Geschäft ist, dann kann man schon mal schwach werden. Falls es wirklich was nützt, halte ich Euch natürlich auf dem Laufenden.

12 in 12 – Es wird Musik gemacht

Die Tür der U-Bahn, die in Buenos Aires Subte heisst,  geht auf. Ein junger Typ steigt ein, wohl Mitte 20 mit langem, etwas zotteligem Haar. Er hat eine Gitarre und einen kleinen Verstärker dabei und stellt sich im ohnehin schon vollen Wagen auf. Er legt gleich los und spielt eine jämmerliche Version von Hey Jude, die bei Paul, George, John und Ringo wohl Kopfschmerzen verursacht hätte.

Hoffentlich ist das bald vorbei, denke ich. “And anytime you feel the pain, hey Jude, refrain”. schallt es mir entgegen. Ja genau, ich spüre den Schmerz, doch ich halte mich zurück, den Blick gesenkt zum Boden. Es kann ja nicht mehr lange dauern. “Take a sad song and make it better”…leider nicht.

Und jetzt noch das “Nah nah nah nah nah nah, nah nah nah, hey Jude
Nah nah nah nah nah nah, nah nah nah, hey Jude”. Tribunales – die nächste Haltestelle kommt und Hey Jude nimmt ein abruptes Ende. Ich schaue in die Runde und fange die Blicke ein. Doch meine Mitfahrer scheinen im Gegensatz zu mir überhaupt nicht genervt zu sein. Im Gegenteil. Sie applaudieren anständig und kramen aus ihren Portemonnaies etwas Geld. Der Sänger sammelt seine Beute dankend ein, verlässt den Wagen und steigt einen weiter hinten wieder ein.

Komischerweise bin ich überhaupt nicht erleichtert, dass der Beatles-Impersonator nicht mehr da ist. Im Gegenteil. Ich fühle mich etwas schuldig. Die Toleranz und die freundliche, soziale Einstellung meiner Sitznachbarn hat mich beeindruckt. Das kennen wir gar nicht mehr so richtig. Wenn bei uns jemand Musik macht in der U-Bahn oder sonst wo, dann muss der so richtig gut sein, sonst wird er meistens mit verachtenden Blicken gestraft. Hier hingegen gibt es Anerkennung und Mitgefühl – egal wie gut einer ist.

Ich bleibe zwar dabei, dass die Version von Hey Jude, die der Crooner hier hingelegt hat, lausig war. Doch nach dem Motto “leben und leben lassen” ist es schön, dass man hier in die Schuhe des anderen schlüpft und Respekt zeigt. In einem U-Bahn-Wagen zu singen, ist ja schliesslich auch kein einfacher Job. Schon etwas fehl am Platz, so wie ich den Miesepeter zu spielen.

PS. In der Subte gibt es übrigens Musik an jeder Ecke. Meistens sind die Performer auch echt gut. Es gibt Leute, die sagen, nirgends seien die Strassenmusiker von so hoher Qualität wie hier. Und noch ein grosses Plus: Bisher habe ich in Buenos Aires noch keine Panflöte gehört!!!

12 in 12 – Hoch lebe die Hochkultur für alle

“Hola, was kosten zwei Karten für das Galakonzert zum Tag des Tangos mit den beiden Tangolegenden Raúl Lavié y María Graña?” frage ich am Schalter im Centro Cultural Kirchner. Die Dame schaut mich etwas verwirrt an und antwortet: “Die sind umsonst” und drückt mir die Karten in die Hand.

Umsonst? Das kann doch nicht sein. Ist ihr da ein Fehler unterlaufen? Und die Vorführung vom Orchester unter der Leitung von Nicolas Ledesma? Auch umsonst.

Pahh. In der Tat. Im Centro Cultural Kirchner ist immer alles umsonst. Ob die neue Ausstellung von Brian Eno, das Gastspiel von Ute Lemper oder der grosse Auftritt des argentinischen Nationalorchsters. Umsonst. Bis zu zehn Veranstaltungen, von Lesungen über Konzerte und Workshops, im Centro Cultural Kirchner, das letztes Jahr in der alten Post eröffnet wurde, zahlt man nie was.

Das ist kaum zu fassen. In einem Land, wo der Staatshaushalt so gut wie immer in Schieflage ist, kann man Kultur gratis und franko satt haben und zwar nicht nur im Centro Cultural Kirchner, sonder so gut wie überall. Die neue argentinische Superband Ovvol spielt im Centro Cultural Recoleta ohne Eintritt zu verlangen, das internationale Tanzfestival, das in der ganzen Stadt eine volle Woche lang stattfindet – all free. Filmvorführungen in alten Kinos, Theater, Tanzstunden, Jazz, moderne Kunst, Comedy…was immer das Herz begehrt. Wie gesagt, umsonst.

Allein ins atemberaubende Kirchner-Zentrum kommen jeden Tag rund 10’000 Zuschauer, was die Institution sozusagen über Nacht zur viertgrössten Kulturstätte der Welt gemacht hat. Kultur wird in Argentinien als Grundrecht angesehen und die Ausgaben für die Institutionen als Investition und nicht als Kosten. Das sehe ich auch so. Wer sieht, wie glücklich die Leute sind, die hier herkommen und wie sie es schätzen, wie sie gespannt zuhören und miteinander über das Gebotene diskutieren, der merkt, dass Kunst und Kultur nicht nur was für ein paar abgehobene Intellektuelle ist, sondern was fürs Volk – man muss ihnen nur den Zugang dazu geben.

Warum ich Euch das alles erzähle? Ich frage mich, warum sowas wie hier in Buenos Aires nicht auch in unseren Breitengraden möglich ist. Warum kann es nicht Räume geben, in denen sich die Masse ganz  ohne Zwang auf Kultur und Kunst einlassen kann? Ja klar gibt es Kunstförderung, Tage an denen Museen umsonst oder verbilligt sind, Jugendrabatt, Theaterclubs, mal eine Opernübertragung auf dem grossen Platz  und sonst auch alles Mögliche. Doch das ist nicht dasselbe.

Kultur als Grundrecht ohne tief in die Tasche greifen zu müssen. Das trägt dazu bei, in unseren manchmal doch allzu kühlen und unpersönlichen Gesellschaft etwas Zusammenhalt und Wärme zu schaffen. Ich ziehe den Hut vor Argentinien, Buenos Aires und ganz besonders vor dem Centro Cultural Kirchner My new favorite place und ein Vorbild für uns alle.

12 in 12 – Mafalda – Klein, frech und liebenswert

 

Sie ist gerade mal fünf Jahre alt, ist klein, frech und eigensinnig,  hat immer eine Schleife im Haar und sie ist wohl die beliebteste Argentinierin, noch viel beliebter als die stolze Evita. Sie heisst Mafalda und ist eine Comicfigur. Erfunden hat sie der argentinische Comiczeichner Quino, der von 1964 bis 1973 elf Bände zeichnete, die bis heute an jedem Kiosk und in jeder Buchhandlung zu haben sind. Meine Frau findet, sie hat Ähnlichkeit mit Mafalda – das lass ich jetzt einfach mal so im Raum stehen.

Mafalda tritt für den Weltfrieden, Gerechtigkeit, Demokratie und die Frauenbewegung ein und ist weltanschaulich immer ein Stück schlauer als ihre Eltern. Mafalda liebt die Beatles und hasst Suppe. Mafalda hat mit ihren Ansichten zum Vietnam-Krieg, Atomenergie, Menschenrechten und Gerechtigkeit eine ganze Generation beeinflusst und tut dies heute immer noch.

In Argentinien sind nach Mafalda Plätze und Strassen benannt und an Hauswänden ist sie über die ganze Stadt hinweg verstreut verewigt. Lang lebe Mafalda!!!!!

Schwalbe fliegt nach…12 in 12 in der NZZ

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Der nächste Beitrag aus der Serie: Schwalbe fliegt nach… in der NZZ ist erschienen. Klickt hier drauf, um den Artikel zu lesen. Für die NZZ bzw. NZZ Bellevue nehme ich Objekte und Zeichen unter die Lupe, die für die locals alltäglich erscheinen, dem Besucher aber ins Auge springen. Daraus soll eine Art Atlas des Corporate Designs von zwölf Weltstädten und Stadtkulturen entstehen. Diese Episode beschäftigt sich mit Mexico CIty. Wie immer auch hier auf Trendengel sind die Fotos von mir selber geschossen und exklusiv. Viel Spass.

Hier nochmals der ganze Link, falls ihr lieber so klickt:
Genau hier drauf klicken, um zur NZZ-Seite zu gelangen.

P.S. 12 in 12 ist jetzt übrigens auch auf “Neon”, ihr wisst schon, das intellektuelle Ding aus dem Hause “Stern”

12 in 12 – Wie es ist, ohne H&M und Gap zu leben

Schliesst die Augen und stellt Euch vor, mitten in einer Grossstadt reiht sich ein Laden an den anderen und keiner davon heisst H&M, Gap, Zara, Topshop, Primark, Foot Locker, Tiger, oder Uniqlo.

Schwer vorzustellen, hab ich Recht?  Doch genau so ist es hier in Buenos Aires. Wer hier als Europäer durch die Strassen schlendert, der sieht nur vereinzelt Geschäfte, die ihm bekannt vorkommen. Hier gibt es hunderte von super netten Boutiquen und anderen Geschäften, die ihren Ursprung alle in Argentinien haben.

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Das sollte doch eigentlich spannend sein, denn die Globalisierung hat viele der grossen Städte sowas von langweilig gemacht. Die Einkaufsstrasse in London sieht fast so aus, wie die in Paris und auch in New York, Hongkong und Schanghai sind die grossen Konsummeilen oft identisch und fast so wie zu Hause. Besonders krasse Ausmasse nimmt das jeweils in den grossen Shopping Centern an, die man kaum mehr auseinanderhalten kann.

Im Prinzip schön, dass es hier in Buenos Aires noch Individualität gibt, sei es auch nur, weil sich die grossen Ladenketten wegen der unsicheren Wirtschaftslage und der weiten Wege nicht nach Argentinien trauen.

Eigentlich sollte das schön und spannend sein, habe ich gesagt. Eigentlich – und jetzt kommt der Knaller: Ist es irgendwie aber nicht, zumindest nicht auf den ersten Blick und unmittelbar. Und da sind wir wieder beim Thema Heimat und Heimatgefühle. Ganz erschreckt musste ich feststellen, dass mir Läden, die mir bekannt vorkommen und die ich gerne mag, ein gutes Gefühl und auch eine gewisse Sicherheit geben, egal ob zu Hause oder in Buenos Aires . Ich weiss, was mich erwartet, was die Preise sind, was ich dort kaufen kann und wie ich mich dort bewege. Ich weiss nicht, ob ihr das nachvollziehen könnt, doch so ist das nunmal. Irgendwie traurig. Ich bin auf die Masche der Grosskonzerne voll reingefallen. Aber da kann man nichts dran ändern.

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Ich habe immer über die Leute gelacht, die in einer fremden Stadt gleich den nächsten McDonald’s ansteuern und auch die Japaner schräg angeschaut, die in Rom unbedingt jeden Abend Sushi essen wollten und werde dies auch weiterhin tun. Denn zum Reisen und zum Leben generell gehört Abenteuer und Offenheit, sonst entwickelt man sich keinen Schritt weiter. Doch ein kleinwenig nachvollziehen kann ich diese Einstellung mittlerweile schon.

Wie mit allem ist die Reaktion auf die unbekannten Läden und das Fehlen des Vertrauten nur der unmittelbare Eindruck. Was einem auf den ersten Blick fremd vorkommt, wird einem mit der Zeit vertrauter und man lernt es zu schätzen. Die Kreativität der Läden in Buenos Aires ist erfrischend. Doch gebt mir etwas Zeit. Ich muss mich erst noch aklimatisieren.