Category Archives: Kunst

12 in 12 – Nicolas und seine Schätze – Trésors Publics

„Die Sachen müssen in Frankreich hergestellt und die Firma in der Regel über 75 Jahre alt sein“ sagt Nicolas Barbero stolz, als ich ihn in seinem Laden Trésors Publics besuche.

Vor zwei Monaten hat er zusammen mit seinem Ehemann Antoine Bourassin den Shop in der Altstadt von Nice an der Rue du Pont-Vieux Nr. 11 eröffnet. Ohne Zweifel der schönste und coolste Shop der Stadt.

Ich habe auf dieser Reise so viele Concept und Lifestyle Shops gesehen, dass ich sie schon nicht mehr sehen kann. Überall die gleichen Bücher, die gleichen Bilder und die gleichen Marken. Langweilig. Doch Trésor Publics ist anders. An jedem Produkt hängt eine kleine Landkarte von Frankreich mit einem roten Punkt für die geographische Lage und dem Namen der Stadt, wo das Ding produziert wurde. Was man hier Kaufgen kann sieht man in keinem anderen Concept Store.

Der klassische Mouli-Grater von Moulinex, die Pfeffermühle von Peugeot, die blaue Arbeiterjacke von Vétra, wunderschöne Krüge für Pastis und Pernod, original in Frankreich hergestellte Baskenmützen, „La Caraffe“ aus den 70er Jahren, die Bürsten aus La Chavelle und dazu auch Klassiker der Gastronomie wie die Karamell-Stangen von Carambar und das Ratatouille direkt aus Nizza.

Hier kann man stundenlang verweilen und den Duft von besseren Zeiten einatmen. 300 Produkte gibt es im Laden – die Hälfte davon kostet zwischen 1 und 15 Euro.

Ein Jahr wollen sie den Laden führen, bevor sie entscheiden, was der nächste Schritt ist, sagt Nicolas. Er ist sich bewusst, dass das Konzept gut genug ist, um im ganzen Land Fuss zu fassen. Investoren dafür dürften Schlange stehen. Sie haben hier was ganz Besonderes geschaffen. Das spürt man. Die Altstadt von Nizza ist kein leichtes Pflaster für trendige Shops. Das Epizentrum der Cooles liegt an der Rue Bonaparte, etwas ausserhalb der Altstadt Richtung Hafen. Doch dem ist sich Nicolas bewusst. Der Shop richtet sich jan nicht nur an Hipster, sondern an Jedermann.

Sie wollen nichts überstürzen. Einen Schritt nach dem Anderen. Nicolas strahlt, wenn er vom Umbau des Geschäfts erzählt: „Hier war gar nichts drin und wir hatten auch keinen Interieur Designer. Das haben wir alles selber entwickelt.”

Alles ist mit viel Leibe gemacht und jedes Produkt passt genau. Es ist erstaunlich, was man hier für sein Geld bekommt. Nicht Profit, sondern Nachhaltigkeit und Qualität steht hier im Mittelpunkt. Chapeau!

Angesichts der Konkurrenz aus China ist es erstaunlich und beruhigend, dass auch Frankreich noch produziert und zwar gar nicht so teuer. Nicolas und Antoine sind beide keine Experten, wenn es iim Einzelhandel geht. Während der eine in Cannes eine Bar hatte, war der andere beim Chambre de Commerce angestellt.

Ihre Jobs  haben sie mit Mitte Dreissig für Tréor Publics aufgegeben ohne gross mit der Wimper zu zucken. Sie werden es nicht bereuen, da bin ich mir ganz sicher. Spätestens in drei Jahren werden sie ihr erstes Geschäft im Marais in Paris eröffnen. Believe me….

12 in 12 – Spassfabrik “Ecole de Nice”

Die Cote d’Azur und insbesondere Nizza ist seit jeher ein Anziehungspunkt für Künstler. Marc Chagall, Henri Matisse und Nikki de Saint Phalle sind nur einige der grossen Namen, die in Nizza zu Hause waren.

Doch für mich gibt es nichts aufregenderes als die Ecole de Nice, jene Ende der 40er Jahre entstandene Vereinigung junger Wilder um Yves Klein und den Dichter Claude Pascal, die mit ihrer Aktionskunst und revolutionären Gedanken eine ganze Generation von Künstlern beeinflusst hat.

Angefangen hatte alles 1947. Yves Klein sass mit Claude Pascal und Arman Fernandez nach einer Trainingssession im Judoclub der Polizei am Strand in Nizza und starrte den Himmel an. Die drei begannen, die Welt unter sich aufzuteilen. Klein nahm für sich den Himmel, Pascal die Luft und Arman das Ufer. Klein machte sich sogleich auf in sein Atelier und versuchte, den Himmel auf die Leinwand zu bringen. Dabei entstand das für ihn so unverwechselbare „Infinite Blue“, das sich von da an wie ein blauer Faden durch die Werke des Künstlers zog.

Von Nouveau Réalisme, zu Fluxus und Supports/Surfaces prägte die Gruppe um Klein und Pascal  eine ganze Ära bis Mitte der siebziger Jahre, was 1977 in einer umjubelten Ausstellung im Centre Pompidou in Paris kulminierte. Klein war 1962 verstorben, doch die Bewegung lebte stärker als je zuvor.

A Propos Nice hiess die Ausstellung in Paris. Sie gilt bis heute als eines der grössten Ereignisse der modernen Kunst.

Yves Klein war schon immer jemand, der mich sehr beeindruckt hat. Als ich damals in New York lebte, versuchte ich, seine Körperabdrücke auf Leinwand nachzuahmen und fand dabei heraus, dass das gar nicht so einfach ist. Doch die Ecole de Nice war eine jener Gruppen, der es weniger um Technik, als um die Idee ging. Das war zu jener Zeit revolutionär.

Ein wichtiger Faktor unterscheidet die Ecole de Nice von anderen Bewegungen wie den Blauen Reitern. Sie hatten Spass, wenn sie sich an einem gedeckten Picknicktisch mitten auf die Strasse setzen und den Verkehr auf sich zuraten liessen, sie hatten Spass wenn sie diskutierten über Gott und die Welt und dabei eine immer verschworenere Gemeinschaft wurden, sie hatten Spass wenn sie miteinander die Welt eroberten und Paris Paris sein liessen.

IKB Blue Monochrome – die von Yves Klein patentierte Farbe.

In den 50er Jahren widmete sich Klein  übrigens den monochromen Bilder, in denen er zunehmend ein monochromes Ultramarinblau einsetzte, das er sich schliesslich 1960 unter der Bezeichnung International Klein Blue (I.K.B.)patentieren liess. Das Blau hat die unheimliche Wirkung den Betrachter tief und mitten in das Gemälde zu ziehen. Klein ist einer der wenigen Maler, der nicht nur ein grandioses Werk, sondern einen eigene Farbe kreiert hat.

Nochmals zurück zum Spass. Spass geht der modernen Kunst oft ab. Doch die Ecole de Nice hat in Perfektion gezeigt, dass sich Intellekt und Spass nicht zwangsläufig ausschliessen – im Gegenteil.

Spass und Intellekt sind wie Butter und Brot. Das eine ohne das andere ist oft nur schwer geniessbar – das Brot zu trocken und die Butter zu fett.  Doch zusammen ist es pure Magie.

Bis Ende Oktober findet übrigens im wiedererblühten Musée d’Art Moderne et d’Art Contemporain in Nizza (MAMAC) die Ausstellung L’Ecole de Nice statt, die äusserst sehenswert ist.

Noch der Vollständigkeit halber. All diese Künstler waren Mitglied der Ecole de Nice:

Marcel Alocco, Arman, Albert Chubac, Noël Dolla, Jean-Claude Farhi, Claude Gilli, Yves Klein, Robert Malaval, Jean Mas, Serge Oldenbourg, Bernard Pagès, Pierre Pinoncelli, Martial Raysse, Patrick Saytour, Ben, Bernar Venet, Sacha Sosno, Martin Miguel, Max Charvolen, Vivien Isnard, Serge Maccaferri, Louis Chacalllis.

12 in 12 – Der Mann am Haupthebel – Joseph Beuys

Ich war wohl etwa 11 Jahre alt, als ich zum ersten Mal mit dem deutschen Künstlers Joseph Beuys in Kontakt kam. Ich glaube, es war eine Ausstellung in Düsseldorf und die Geschichte, die am Familientisch erzählt wurde, war die einer mit Fett und Dreck gefüllten Badewanne, die Beuys im Museum aufgestellt hatte und die dann über Nacht vorn einer übereifrigen Putzfrau blitzblank geputzt wurde. Was für ein Scharlatan, dachte ich damals. Kunst ist das sicherlich nicht. Ich habe keine Ahnung, ob die Geschichte mit der Badewanne stimmt, doch so ist sie mir in Erinnerung und so passt sie auch hervorragend zu Joseph Beuys.

Meine frühe Meinung zu Beuys deckt sich mit seiner Eigenen. Der Mann mit dem Hut hatte sich nie als Künstler verstanden. “Erst wenn wir uns alle Künstler nennen, dann bin ich auch ein Künstler” hatte er immer gesagt. Auch mir ging es immer so, dass ich nicht recht wusste, was ich von den grossen Filz- und Fettskulpturen halten sollte, die ich schon so oft im Museum gesehen hatte. War Beuys ein Scharlatan, der seine Person und seine Visionen geschickt verkaufen konnte oder war er ein Genie?

Hier in Berlin im Hamburger Bahnhof gibt es eine der grössten Beuys-Sammlungen zu sehen. Dazu läuft derzeit gerade der Dokumentarfilm Beuys in den Kinos, der einem den Meister näher bringt. Unsere Museumsführerin im Hamburger Bahnhof brachte ein wenig Licht ins Dunkel der Kunst von Joseph Beuys. Die “Richtkräfte einer neuen Gesellschaft” genannten Wandtafeln, die scheinbar wahllos in einem Raum verstreut waren, finde ich seither umwerfend gelungen.

1974 beschriftete Joseph Beuys 100 britische Schultafeln aus den 60er-Jahren mit seinen gesellschaftlichen Theorien für die Ausstellung „Art into Society – Society into Art“ in der Kunsthalle ICA in London. Über die Galerie René Block in New York zog das Kunst-Objekt zur Biennale in Venedig, anschließend nach Berlin in die Neue Nationalgalerie, dann in den Hamburger Bahnhof.

100 Tafeln, bei denen auf einer an den Enden einer Linie die Worte „east“ und „west“ geschrieben waren und in der Mitte über einer Trennlinie die Worte „Eurasia“ und „Berlin wall“ – die Mauer als Linie der Trennung zweier unterschiedlicher Denksphären, die Beuys als „westlichen Privatkapitalismus“ und „östlichen Staatskapitalismus“ bezeichnete. “Show you wound” steht immer wieder auf den Tafeln. Zeige Deine Schwächen”, getrau dich, denn die Schwäche kann deine Stärke sein.  Beuys kann man durchaus als Erfinder der Aktionskunst und der multimedialen Kunst sehen.

Beuys war seiner Zeit sowas von voraus. Er hat schon vor 30 Jahren die richtigen Fragen gestellt, weil er in den politischen Raum hineingedacht hat und den Fragen nicht nachgelaufen war. Beuys war “Der Mann am Haupthebel”, der immer Ideen hatte und diese dann auch Konsequent umsetzte und dabei stand er immer auch selbst am Hebel.

“Das erste Produkt menschlicher Kreativität ist der Gedanke” sagt Beuys im Dokumentarfilm  “Beuys”. Gedanken = Plastik = Freiheit. Gedanken können die Welt verändern. Das hört sich idealistisch an; stimmt aber.

Beuys stand auch politisch oft direkt am Hebel. Er war Mitgründer der Grünen Partei, warnte vor der eigenständigen Vermehrung des Geldes die Finanzkrise lässt grüssen), sorgte sich um die Umwelt und das Wohl der Allgemeinheit und durchbrach immer wieder Grenzen. Ein kleines Beispiel seiner Sturheit:

Nachdem Kunstprofessor Beuys im Juli 1971 insgesamt 142 von der Akademie abgelehnte Studenten in seine Klasse aufgenommen und das Sekretariat der Kunstakademie besetzt hatte, entließ ihn der damalige Wissenschaftsminister Johannes Rau (SPD). Studenten reagierten mit Hungerstreik und Vorlesungsboykott, Künstler und Schriftsteller wie Heinrich Böll, Martin Walser, David Hockney, Gerhard Richter und Günther Uecker machten sich für seine Wiedereinsetzung stark.

Also, ich habe mich entschieden.  Der Mann mit dem Hut ist sicher kein Scharlatan, sondern einer der wichtigsten Deutschen seiner Generation. Jeder, der über Beuys lacht oder verständnislos vor seinen skulpturartigen Werken steht, sollte ihm noch eine Chance geben. Deutschland ist ärmer ohne Beuys. Verstorben ist er 1986 – drei Jahre vor dem Mauerfall. Doch in seiner Kunst (auch wenn er sie selber nicht so nennt) lebt er weiter.

Der Trailer zum Film Beuys:

12 in 12 – Impressionen aus Potsdam

Nur eine halbe Stunde von Berlin entfernt liegt Potsdam, die Hauptstadt des Bundeslandes Brandenburg. Die Stadt als ehemalige preussische Residenzstadt mit ihren vielen Schloss- und Parkanlagen  ist sicher ein Kandidat für den Titel der schönsten Stadt Deutschlands.

Kein Wunder, dass Potsdam von der UNESCO in die Liste des Weltkultur- bzw. Naturerbes der Menschheit aufgenommen wurde.

Hier fühlt man sich, wie in eine andere Zeit versetzt. Ob das Schloss Sanssouci, der Marmorpalais, das Orangerieschloss, das Schloss Babelsberg, das neue Palais und das Schloss Glienicke, die Sehenswürdigkeiten finden kein Ende.

Hier lebt ein Deutschland, das man sich nur schwer vorstellen kann. Romantisch, poetisch und erhaben.

Ich lasse da einfach mal die Bilder sprechen:

12 in 12 – Es muss Sennelier sein

Wir schreiben die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts. Paris  befindet sich im Umbruch. Schnell und rasant geht es voran. Auf Anordnung des Präfekten George-Eugène Haussmann werden ganze Häuserreihen abgerissen, unzählige Parks angepflanzt und der Eiffelturm errichtet. Paris ist der Nabel der Welt. Mit der Industrialisierung kommt auch die Moderne. Die Attitüde der Bürger verändert sich. In dieser Zeit entsteht in Paris etwas, das die Kunstwelt für immer verändern wird: Der Impressionismus.

Die Darstellung des Lichts und der atmosphärischen Bedingungen in leicht abstrakter aber noch immer leicht erkennbarer Weise, begleiten die Zeit. Neue Techniken werden getestet und verfeinert. Ein weiteres Merkmal: Der teilweise Verzicht auf Schwarz und erdige Farbtöne lässt die gesamte Farbpalette aufhellen.

Während die Impressionisten auch heute noch jedes Kind kennt, hat ein Mann nur geringe Berühmtheit erlangt, ohne den die Karriere von Monet, Cézanne, Turner Gauguin und auch Picasso nicht denkbar gewesen wäre: Gustave Sennelier. Der Chemiker kreierte in seinem Geschäft  am 3, Quai Voltaire  im 7 ème Arrondissement, auf der gegenüberliegenden Seite des Louvre, Farben und vor allem Pigmente. Die Maler der Zeit trafen sich bei ihm und warteten ungeduldig darauf, dass Sennellier neue Pigmente auf den Ladentisch zauberte. Bei Senellier  unterhielten sie sich, prahlten mit neuen Techniken und versuchten gleichzeitig, ihre Konkurrenten auszuspionieren und Aufträge an Land zu ziehen.

Senneliers Farben waren das stille Geheimnis des Impressionismus . Das Grün, mit dem Monet für seine Wasserlinien gemalt und das Blau, mit dem Gauguin seine blauen Bäume auf die Leinwand gezaubert hat, wäre ohne den Chemiker nie und nimmer so unvergesslich geworden.

Der Laden ist bis heute unverändert. Ein Urenkel von Gustave führt den Shop. Bei Senellier gibt es alles, was sich ein Künstler wünscht. Wasserfarben mit hoher Pigmentdichte, Ölfarben in allen Variationen, Aquarellfarben und und und…. Noch heute malen Künstler, die etwas auf sich halten, mit Sennelier.  Da können auch Graham, Winsor und  Gamblin nicht mithalten.

Aber eines dürfen ich und andere Hobbymaler trotz der richtigen Farbenmarke in ihrem Überschwang nicht vergessen: Farbe ist das Eine, Talent das Andere…

12 in 12 – Der ungewöhnliche Aufstieg der Misty Copeland

The YouTube ID of Insert video URL or ID here is invalid.

Mit 13  wohnte Misty Copeland mit ihrer Mutter und fünf Geschwistern  in einem schäbigen Motelzimmer auf engstem Raum. Sie hatte noch nie Ballett getanzt, geschweige denn Unterricht genommen.  Das war 1995.

Fast Foward…12 Jahre später.  Misty Copeland steht in der New Yorker Oper im Lincoln Center in Don Quixote auf der Bühne, ist die allererste schwarze Prima Ballerina des American Ballet Theater und schwebt mit ihrer fragilen und dennoch selbstbewussten Grazie wie auf einer Wolke über die Bühne. Damit zieht sich mich und das gesamte Publikum von der ersten Sekunden an in ihren Bann. Als der Vorhang fällt, springe ich begeistert auf und huldige das Genie Namens Misty Copeland mit einer minutenlangen Standing Ovation. Als ich ich umsehe, bemerke ich , dass sie alle stehen. Misty Copeland ist angekommen und zwar ganz oben.

Wie kam es, dass ein Mädchen, das bis sie 13 Jahre alt war, noch nie Ballett getanzt hatte, so eine Karriere hinlegte? In einem Beruf, wo es als zu spät gilt, wenn man mit 6 Jahren in die Ballettstunde kommt, weil Andere schon mit zwei oder drei Jahren angefangen haben.

Misty wollte Kunstturnerin werden. Seit sie klein war, trainierte sie dafür wie eine Wahnsinnige. Schon damals merkte sie, dass sie den Rhythmus im Blut hatte. Schliesslich war ihre Mutter schon eine Tänzerin. Doch in San Pedro, Kalifornien, mit allen Geschwistern in einem Motelzimmer war an Kunstturnen auf hohem Niveau, geschweige denn and  Ballett im Lincoln Center in New York, nicht  zu denken.

In der Schule besuchte Misty das sogenannte Drill Team, in dem eine Art künstlerisches Exerzieren gibt wurde. Ihre Lehrerin Elisabeth Cantine fiel sofort auf, das Misty anders war, als die anderen und  schlug ihr vor, die Ballettschule ihrer Kollegin Elisabeth Kantine zu besuchen. Misty sah Ballett als Ausweg aus der hoffnungslosen Situation zu Hause und begann zu tanzen. Sie war kräftiger als alle andern Schülerinnen, ihr Füsse grösser, ihre Figur weiblicher und ihre Haut dunkler. Dennoch war sie nach kurzer Zeit Klassenbeste und stellte alle in den Schatten.

Doch dann entschied sich Misty”s Mutter in eine andere Stadt zu ziehen und die Ballettschule war zu weit weg. Sie hatte keine Zeit mehr, Misty dort hinzufahren und verbot ihr, Ballett zu tanzen. Der Traum schien ausgeträumt. Doch ihre Ballettlehrerin liess nicht locker. Misty zog bei ihr und ihrem neuen Ehemann kurzerhand ein und verklagte ihre Mutter, die verlangte, dass Misty sofort nach Hause kommen sollte. Nach jahrelangem hin- und her setzte sich Misty durch, sprach daraufhin 15 Jahre nicht mehr mit ihrer Mutter. Ihre Entschlossenheit zahlte sich aus. Im Jahr 2000 schaffte sie das Undenkbare und wurde ins  American Ballett Theater aufgenommen. 2007 avancierte sie zur Solistin und wurde 2015 als erste schwarze Tänzerin zur Prima Ballerina des American Ballett Theater ernannt.

Der Weg dahin war mehr als nur steinig.  Mittlerweile ist Misty Copeland ein Superstar, der nicht nur auf der klassischen Ballettbühne, sondern auch im der Popkultur und dem modernen Tanz eine der ganz Grossen ist. Den Erfolg hat sie verdient. Was ich an diesem Abend im Lincoln Center gespürt habe, als ich Misty Copeland in Don Quixote auf der Bühne sah, werde ich nie mehr vergessen.

Schaut euch an, was Misty kann. Erst traditionell. dann modern:

https://www.youtube.com/watch?v=PTdeXwZY_sI

P.S. Diese Mal sind die Fotos leider nicht von mir.

12 in 12 – Das vergessene Stadion ist auferstanden

Nothing ever happens in Queens. Der New Yorker Stadtteil, der gleich viele Einwohner wie Manhattan und Brooklyn hat, ist langweilig. Der Ruf eilt Queens oft zu Recht voraus. Zwar gibt es schöne “Pockets” wie Jackson Heights, Astoria oder Flushing, Doch insgesamt kann man Queens durchaus links liegen lassen….bis vor Kurzem.

Der Grund, warum Queens wieder von sich Reden macht, ist das Forrest Hills Stadium, dieses Amphitheater des West Side Tennis Clubs im Stadtteil Forrest Hills vor den Toren der Stadt. 68 Mal wurde hier das US Open ausgetragen (Flushing Meadows eat your heart out), 10 Mal der Davis Cup Final und in den 60er und 70er Jahren traten hier die Beatles, die Stones, Frank Sinatra, Barbara Streisand, Jimmy Hendrix und Bob Dylan in legendären auf.

Doch seit 2011 stand das Amphitheater, das für 14000 Zuschauern Platz bietet, leer und drohte zu verfallen. Bis sich eine Gruppe findiger Unternehmer zusammensetzte, ignorierte, dass das Stadium in langweiligen Queens steht und kurzerhand die Renovation beschloss.

Jetzt tritt hier wieder auf, was Rang und Namen hat – im schönsten Stadion New Yorks, ja vielleicht sogar Amerikas. Jeder Platz bietet erstklassige Sicht, der Sound ist grandios und die Infrastruktur hält die Balance zwischen Modern und Vintage wie nirgends anders.

Als The XX auf die Bühne treten und ihr Song Crystalized aus den Lautsprechern schallt, weiss ich, dass das heute ein besonderer Abend wird. Forrest Hills Stadium und The XX. Ein weiterer historischer Abend im Forrest Hills Stadium

12 in 12 – Feministin ohne Hidden Agenda

Es gibt kaum etwas faszinierenderes und Schöneres als eine starke Frau. Frida Kahlo ist so ein Beispiel aus der Kunstwelt. Doch die Königin aller starken Frauen ist für mich Georgia O’Keeffe. Sie schaffte es, ohne wirklich darauf aus zu sein, der Welt in einer Zeit, als Feminismus noch in ihren Kinderschuhen steckte, zu zeigen, dass jeder, egal ob Mann oder Frau, ein unabhängiges und bedeutungsvolles Leben führen kann.

Georgia O’Keeffe (1887-1986)ist die bekannteste und erfolgreichste US-amerikanische Malerin. Besonders ihre stark vergrösserten, fast abstrakten Blumenbilder sind weltberühmt. Aber nicht nur als Künstlerin fand sie grosse Beachtung.

Sie faszinierte durch die Kraft ihrer persönlichen Ausstrahlung, denn sie war “von ungewöhnlicher Schönheit, Spontaneität, Klarheit des Geistes und Gefühls und von wunderbarer Intensität, mit der sie jeden Augenblick ihres Lebens auskostete.” (Stieglitz) Sie war schlagfertig und konnte umwerfend direkt sein. Für die Jüngeren verkörperte sie die unabhängige, kreative Frau, die unbeirrt ihren Weg ging, nie bereit zu Kompromissen, die sie am Malen hinderten.

Ihre Ausstellung im Brooklyn Museum mit ihren Blumenbildern, die für viele Betrachter ein Abbild des weiblichen Fortpflanzungsorgans darstellen, ihren Landschaftsmalereien aus New Mexico und vor allem den Fotographien ihrer Person, haben mich schwer beeindruckt. O’Keeffe hatte ohne das wirklich zu wollen, eine Persona kreiert, die Stolz, Unnahbarkeit, Intellekt und Freiheit verkörperte. Ihr Mentor und Ehemann Alfred Stieglitz, seinerseits ein begnadeter Fotograf, verblasste im Endeffekt in ihrem Glanz.

Wenn ich Kunst sehe, dann geht es für mich nicht nur um das Ergebnis, sondern um das Konzept und auch die Person, die hinter diesen Bildern steht. Georgia O’Keeffe ist ein Vorbild für alle, nicht nur für Frauen, aber doch besonders für das weibliche Geschlecht. Gleichberechtigung als Grundvoraussetzung ohne daran je zu Zweifeln. So sollte es sein.

12 in 12 – An Hamilton kommt keiner vorbei

Ich hatte meine Chance. Als ich vor zwei Jahren auf einen Zwischenstop nach New York kam, gab es in der Stadt nur einThema: Das Hip-Hop-Musical Hamilton, das alle Regeln der modernen Kunst bricht, sie wider zusammensetzt und niemanden aber auch gar niemanden kalt lässt. Eine Freundin, die fürs Public Theater arbeitet, hatte mir ein Ticket organisiert. Dummerweise hatte ich für den gleichen Abend schon Theaterkarten und zwar für Fish in a Bowl mit Seinfeld-Creator Larry David.  Larry konnte ich einfach nicht im Stich lassen und verzichtete auf Hamilton. Ja, ein Fehler, ich weiss…ziemlich ähnlich wie damals 1991, als ich mich für The Wonder Stuff und gegen Nirvana entschieden hatte, als die beide zeitgleich in Boston auftraten (doch das ist eine andere Geschichte).

Zwei Jahre sind vergangen. Seither ist Hamilton die erfolgreichste Broadway-Aufführung aller Zeiten geworden. Karten sind unmöglich zu kriegen und wenn man sie dennoch unbedingt will, dann kosten auf dem Schwarzmarkt noch immer rund 2000 Dollar.

11 Tony-Awards und einen Pulizer-Preis später weiss in Amerika auch das kleinste Kind, wer Alexander Hamilton war.  Er war einer der Gründerväter der Vereinigten Staaten, massgeblich an der Verfassung des Landes beteiligt und der grosse Denker hinter dem modernen amerikanischen Finanzsystem – genau der Stoff aus dem erfolgreiche Musicals geschneidert werden.

Diese Mal hatte ich es schon aufgegeben. Weder die Lotterie, irgendeine Ticket-Website noch andere Quellenhatten zum Erfolg geführt. Kein Ticket für Hamilton. Die allerletzte Chance war das gute alte Anstehen. Ich hatte gehört, dass die Leute jeweils um 7 Uhr Morgens schon vor der Tür stehen, um dann um acht Uhr Abends endlich drin zu sein. Fast zufällig liefen wir um kurz vor fünf Uhr Nachmittags am Theater vorbei. Da gab es in der Tat eine Schlange. Doch mehr als 15 Leutestanden zu diesem Zeitpunkt noch nicht an.

Ich stell mich mal dazu. Der Polizist, der aufpasst, dass niemand einen Schwarzmarkt eröffnet, sagt: “Zwischen sieben und 20 Leute kriegen jeweils ein Ticket. Ihr habt eine Chance.” Neben mir tritt die Kulturkritikerin des Guardian nervös von einem Bein aufs andere. Sie steht auch an. “Ich kenne alle Publizisten und für Shows wie Groundhog Day habe ich beste Karten umsonst bekommen. Doch als ich nach Hamilton-Karten fragte, haben sie mich ausgelacht,” sagt sie.

Ich mache es kurz. Bis kurz vor acht lief gar nichts. Dann etwas Bewegung. Die Studenten, die ganz vorne in der Schlange stehen, verzichten auf die ersten Karten, da sie auf die günstigen Stehplätze warten. Nur noch 4 Wartende vor mir. Es schlägt acht Uhr. “Bitte an die Kasse”, sagt der Aufpasser. Ich gehe nach vorne, halte meine Kreditkarte hin und will gar nicht wissen, wie teuer der Platz ist. “Das ist die letzte Karte” sagt die Kassiererin. Wow. Ich habe das zweifelhafte Vergnügen, kurz vor die Tür zu gehen und die Bad News zu verbreiten. Dann ab in den Saal. Fünfte Reihe mittendrin bei Hamilton.

Vorhang auf:

How does a bastard, orphan, son of a whore and a
Scotsman,
dropped in the middle of a forgotten
Spot in the Caribbean
by providence, impoverished, in squalor
Grow up to be a hero and a scholar?

Lin-Manuel Miranda heisst das Genie, das die Idee hatte, ein Musical aus der Geschichte dieses Immigranten zu machen, die Rollen mit einem bunten ethnischen Mischmasch zu besetzten, einen Ohrwurm nach dem anderen mit reinzuschmeissen und alles im Hip-Hop-Style zu schreiben. In punkto Musical wohl das Beste, was ich je gesehen habe.

Damit ihr einen kleinen Eindruck erhaltet, worum es geht und warum der Hype so unendlich gross ist, hier ein Video aus dem Jahre 2009, Jahre bevor das Musical fertig war im White House in Washington. Bitte, schaut Euch das an – ich flehe euch an. Da werden die Tränen kullern. Niemand wusste damals, wer Lin-Manuel Miranda war, geschweige denn Alexander Hamilton. Jeder, der sagt, Musicals seinen nichts für ihn und er sei viel zu männlich für sowas – wait and see: