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12 in 12 – Wieviel Gentrifizierung ist zu viel?

Ich kann mich noch gut daran erinnern, als ich vor über 15 Jahren an den Washington Square Park in Manhattan zog. Damals kam mir das Village noch wild und ungeordnet vor. Doch für die Alteingesessenen war da schon eines klar: Die Gentrifizierung macht unser Quartier kaputt.

Kein Künstler könne sich mehr leisten, hier zu wohnen, nur noch die finanzkräftige Wirtschaftselite habe das Geld, hier ein Apartment zu mieten oder zu kaufen. Die ersten Starbucks-Filialen setzten sich fest, das Multiplex-Kino, ein H&M und schicke Restaurants waren die Vorboten von dem, was noch kommen sollte.

Ich fand diese Klagerei immer etwas bemühend. Jaja, früher war alles besser. Früher, als Du aufpassen musstest, dass Du unten auf der Strasse nicht überfallen wurdest, früher, als Du noch jung warst und keine Verantwortung hattest, früher als der Kaffee noch einen Dollar kostete…

Ich fand das Village inspirierend. Ich konnte es kaum abwarten, die Cupcakes der Magnolia Bakery zu probieren, den Käse von Murray’s  zu kaufen, bei Babbo das Tasting-Menu für 35 Dollar zu kosten und mir bei Joe’s einen Kaffee zu holen. All das hatte für mich immer noch viel Authentizität und Dynamik, strotzte vor Kreativität und Energie und war Spannung pur. Es gab keinen Ort, an dem ich zu dieser Zeit lieber gewesen wäre, als im Village oder auch  in Soho.

15 Jahre später bin ich wieder in New York. Klar, ich war in der Zwischenzeit einige Male zu Besuch hier. Doch meist eher kurz, Freunde besuchen und gut essen. Da hatte ich jeweils nicht so richtig gemerkt, dass sich die Stadt verändert hatte.

Sie hat sich verändert und zwar wie. Genrifizierung in Vollendung würde ich mal sagen, was immer das heissen mag. Die Häuser sind noch immer traumhaft schön, das Kopfsteinpflaster hat noch immer Löcher und die Fassaden sehen auf den ersten Blick noch total nach Vintage aus. Doch wenn ich genauer hinsehe, dann steckt hinter dieser “unperfekten” Oberfläche viel Perfektion – zu viel. Alles ist so aufbereitet, wie man sich New York aus dem Bilderbuch vorstellt.

Jeder Laden ist ein Millionengeschäft. Wer nicht eine “Big Brand” vertritt, der hat hier keinen Platz mehr. Besonders Soho fühlt sich mittlerweile an wie Disney World. Eine grosse Open Air Mall fast ausschliesslich mit Touristen gefüllt, ohne Herz und ohne Seele.

Gentrifizierung. Jaja, früher war alles besser. Ich hasse es, wenn das jemand sagt. Ehrlich gesagt habe ich nichts gegen einen gewissen Grad an Gentrifizierung. Für mich bedeutet das auch Sicherheit und Qualität. Doch was zu weit geht, das geht zu weit. Ich habe keine Lust, dass die viellecht “greatest city on earth” bald so aussieht, wie irgend eine x-beliebige moderne Stadt in China. New York soll New York bleiben.

Zurück zur Frage: Wieviel Gentrifizierung ist zuviel… soviel wie in Soho und leider auch im Village ist die Antwort.

Zum Glück gibt es sie noch, die Ecken der Stadt, die ihre eigene Identität haben. Das East Village, die Lower East Side, Teile der Upper West Side und Brooklyn.

Deshalb sind wir dieses Mal auch nicht nach Manhattan gezogen, sondern nach Prospect Heights in Brooklyn. Doch dazu später mehr.

 

12 in 12 – Arbeitsklima oder Arbeitsqualität?

Was ist wichtiger für Euch? Dass das Arbeitsklima oder die Qualität Eures Jobs? Ist es egal, wenn ihr Euch nicht mit Euren Mitarbeitern versteht und jeder gegen jeden kämpft statt alle miteinander, solange ihr einen fetten Pay Check mit nach Hause nehmt und die Arbeit an sich herausfordernd und interessant ist oder ist das Gift?

Für mich ist die Antwort klar: Ohne gutes Arbeitsklima macht kein Job der Welt Spass. Ein gutes Klima und Zusammenhalt ist für mich das A und O, damit ich am Morgen gerne aufstehe und mit Freude zur Arbeit gehe. Im Englischen gibt es den schönen Ausdruck: “You might be flipping burgers”. Dieses Idiom wird eingesetzt, wenn sich jemand über seinen Job beschwert nach dem Motto: Weisst Du eigentlich, wie gut Du es hast – Du könntest ja auch in einem Burgerladen arbeiten und den ganzen Tag Burger wenden.

OK, den ganzen Tag Burger wenden ist nicht mein Traumjob. Doch wer diesen Ausspruch erfunden hat, war bestimmt nie in der Burgerkette In-N-Out. Das 1946 gegründete kalifornische Fast-Food-Restaurant, das in seinen über 300 Filialen die besten Burger der Welt zu wahnwitzig tiefen Preisen produziert, ist das Paradebeispiel, dass Arbeit, die auf den ersten Blick langweilig aussieht, dennoch erfüllend sein kann.

Hinter der Kasse und in der Burgerküche bei In-N-Out stehen unzählige Helfer, die dafür sorgen, dass die Burger frisch und lecker an die Schlange stehenden Gäste geliefert werden. Die Angestellten tragen eine Retro-Uniform und sind immer guter Laune, wirklich immer.

Schon in dem Moment, wo man In-N-Out Burger betritt, fange auch ich an zu lächeln. Die glücklichen Gesichter der Angestellten sind ansteckend. Hier kann ich nicht anders, als alle Sorgen vor der Tür zu lassen und einen Burger geniessen. Bein In-N-Out möchte ich auch gerne mal  “Burger flippen”.  Hier herrscht Teamgeist, jeder Einzelne ist stolz, für In-N-Out arbeiten zu dürfen und fühlt sich pudelwohl. Auf Indeed.com belegt In-N-Out jeweils einen der aller vordersten Plätze, wenn es um den besten Arbeitgeber geht. Dafür gibt einige Gründe. In-N-Out zahlt 17% mehr als andere Fast-Food-Ketten, die Angestellten kriegen einen Retirement Plan und weitere Benefits, es gibt einen klaren Karriereplan und wer es zum Manager schafft, kann ein sechsstelliges Jahresgehalt verdienen, der Arbeitsplan wird auf die persönlichen Bedürfnisse ausgerichtet, Teilzeit ist möglich. 80% der Store Manager der über 300 In-N-Out-Burger haben ganz unten im Unternehmen angefangen.

Warum erzähle ich Euch das? Nur wer ein gutes Arbeitsklima hat, wer Lob und Anerkennung für seinen Einsatz erhält und wer stolz ist, für seinen Arbeitgeber zu arbeiten, ist wirklich glücklich. Die angenehme Nebenwirkung: Die Produktivität eines Unternehmens steigt, wenn die Angestellten gerne zur Arbeit kommen. Druck und Drohungen wirken allerhöchstens kurzfristig, denn Loyalität und Engagement leiden, wenn man sich nicht wohl fühlt.

Ich habe zwar nicht vor, bald Burger zu flippen – doch ich weiss, dass ich in einem Job – ob als Manager oder als Arbeiter – vor allem ein Ziel habe – zum guten Arbeitsklima beizutragen.

12 in 12 – Genau das braucht die Welt

Japan ist Weltmeister der Effizienz und Funktionalität. Hier läuft alles am Schnürchen, alles ist kompakt und durchdacht. Schliesslich sind die meisten Apartments hier in Tokio nur knapp 10 Quadratmeter gross und da muss alles reinpassen, was ein Leben lebenswert macht.  Doch gleichzeitig lieben Japaner auch alle Produkte, die die Welt nicht braucht…äh ich meine natürlich, die die Welt braucht und ohne die ich nicht mehr leben möchte bzw. kann. Hier ein paar dieser Produkte, die ich natürlich alle gekauft habe.

Ein Bär, der mir den Vorhang zurück hält. Genau das habe ich gesucht und dann noch in meiner Farbe…

…dazu passend noch gleich die Socken für meinen Stuhl. Euer Stuhl hat keine Socken? Was seit ihr nur für Menschen?

Ein beleuchtetes Ohrenstäbchen. Juhui…halt, eigentlich gar nicht so dumm. Ich kauf mir gleich noch eins.

Wie langweilig waren Würstchen bis gestern. Doch damit ist Schluss. Meine Servelat sieht ab jetzt aus wie ein kleines Schweinchen. Wie süss…

…und passend dazu. Das gekochte ein in Herzform. Wenn das nicht Euer Geschenk für den  nächsten Valentinstag ist, dann weiss ich auch nicht.

Einen hab ich noch…

In den japanischen Game Halls ist im Moment ein Spiel angesagt und das heisst Panzer Kraftwagen IV und wird mit der Tagline “Girls und Panzer” angepriesen. Kein Scherz. Das hab nicht ich frei übersetzt, sondern das wird genau so beworben. Panzer Kraftwagen IV: “Girls und Panzer. Nicht auf Japanisch, sondern…jaja, schon gut, ich weiss, ihr habt den Witz verstanden. Krass drauf,  diese Japaner.

Girls und Panzer ist übrigens auch eine super erfolgreiche Anime-TV-Serie, die seit 2012 läuft und  zu der drei MangaHefte und ein Roman erschienen ist. Letztes Jahr kam dann der erste Girls und Panzer Film in die Kinos.

Bevor ihr denkt, dass ich jetzt total durchgeknallt bin, die Handlung von Girls und Panzer in Kurzform. Gar nicht so dumm, wie es sich zunächst anhört (t:

Die Handlung spielt in einer fiktiven Welt, in der die militärische Schwerindustrie aus wirtschaftlichen Gründen mit in den allgemeinen Zivilalltag eingeblendet wurde. So ist es in Japan seit Jahrzehnten schon Sitte, dass – in einer extremen Anwendung des Begriffs “Schulschiff” – heranwachsende Mädchen und Jungen ihre Schulzeit auf umfunktionierten Flugzeugträgern verbringen, die in eigenständige schwimmende Gemeinden verwandelt wurden, die sämtliche Komforts einer Kleinstadt an Land bieten.

In dieser Welt ist es ein traditioneller Kampfsport für Mädchen, mit Panzern aus dem Zweiten Weltkrieg Wettkämpfe auszufechten, wobei der Sport Senshadō genannt wird. Die Hauptfigur der Serie ist Miho Nishizumi, die aus einer Familie mit langer Senshadō-Tradition stammt. Nachdem sie an ihrer alten Schule für deren Niederlage im Endausscheid, nach einer neunjährigen Siegessträhne, verantwortlich war, schwor sie dem Senshadō ab und wechselte an eine Mädchenschule. Doch es dauert nicht Lange, bis sie zum Senshadō zurückfindet…

Na, seit ihr jetzt angebaggert? Gebt’s schon zu.

12 in 12: Mutig oder dumm wie Brot? Der Fugu-Test

Menschen tun immer wieder Sachen, die sie eigentlich nicht tun sollten. Mit Haien schwimmen gehen, Free Climbing, Base Jumping, Fallschirmspringen, Drogen nehmen und und und… Die Suche nach dem nächsten Nervenkitzel ist für viele ein Lebenselixier.  Gehört ihr auch dazu?

Ich würde mich nicht unbedingt als Draufgänger bezeichnen. Doch hin und wieder packt mich auch der Wahnsinn. Schon als Teenager hatte ich von dem sagenumwobenen Fisch namens Fugu gehört, den die Japaner essen, obwohl er das Gift Tetrodotoxin in  sich trägt, das bis zu 1000 Mal stärker ist Zyanid und unweigerlich zum Tod führt. In Japan gibt es nur wenige Spezialisten, die den Fisch sezieren können, ohne dass sich Gift und Fleisch vermischen. Zwei Jahre Training und dann eine enorm schwierige Prüfung sind die Voraussetzung für den Job. In Europa ist der Verkauf des Fisches denn auch in den meisten Ländern verboten.

Fugu essen gilt als Mutprobe aber auch als Delikatesse. Er soll zudem eine aphrodisierende und  berauschende Wirkung haben. Doch schon nur das Gift in der Menge eines Stecknadelkopfes führt in kürzester Zeit zum Tod, einem unangenehmen Tod, in dem man gelähmt wird und dann sozusagen im Wachschlaf leidet, bis man nicht mehr kann. Toll, warum will das jemand freiwillig ausprobieren, ja warum?

In Tokyo gibt es eine ganze Reihe von Fugu-Restaurants und auch auf dem Fischmarkt gibt es einige Spezialisten, die Fugu-Sashimi zubereiten. Mit einem speziellen Messer sezieren sie den Fisch und schneiden hauchdünne Scheiben ab. Sie wissen, was sie machen und haben einen guten “Track Record”. Die meisten Unfälle mit Fugu passieren denn auch nicht, wenn ein Spezialist am Werk ist, sondern wenn ein Angler sich den Fugu selbst zubereiten will.

Im Prinzip wollte ich keinen Fugu essen. Doch als mich ein Freund darauf ansprach, ob ich denn schon Fugu gegessen hätte, packte mich doch die Neugierde. Für weniger als 20 Franken ist eine kleine Portion superfrisches Fugu-Sashimi zu haben. Wie schlimm kann den das schon sein? Da will ich mich mal nicht lumpen lassen und kaufe gleich mal eine Portion. In gebrochenem Englisch erklärt mir der Verkäufer, Fugu sei auf dem Teller nicht gefährlich, sondern nur lebend im Aquarium. Ich solle Tiger-Fugu kaufen, denn der sei der Beste. Jaja, der sei auch giftig, schmeckt dafür aber besonders gut.

Dem Rat folge ich denn auch. Tiger-Fugu soll es sein. Mit der Beute im Rucksack mache ich mich auf den Weg nach Hause. Im japanischen Zimmer wird die Köstlichkeit ausgepackt. Etwas Bedenken habe ich schon. Jahr für Jahr beissen einige Japaner ins Gras, die vom Fugu Wunderdinge erwarten. Erst soll es auf der Zunge etwas kribbeln, dann wird sie betäubt und nach und nach setzen die Funktionen im ganzen Körper aus.

Mhhh….jetzt könnte ich noch zurück. Niemand treibt mich, Fugu zu essen. Es steht keine Wette aus und der Stolz würde nicht verletzt, wenn ich es nicht tue. Doch neugierig bin ich schon, wie so ein Fugu schmeckt. OK, ich tue es. Es ist so weit. Damit ihr ganz nahe dabei sein könnt, habe ich den Moment auf Video aufgenommen. Will he eat it or not, will he die or will he survive? Schaut Euch das Video an, dann wisst ihr mehr:

12 in 12 – Jeden Tag ein König

Von mir gibt es eine Fotoserie, wie ich als Baby auf dem “Töpfchen” sitze und so tue, als ob ich eine grosse Rede schwinge. Damals muss ich mich in dem Moment wie ein kleiner König gefühlt haben.

In Japan bin ich  jeden Tag ein König, wenn ich aufs “Töpfchen” gehe. Wie so vieles im Land der aufgehenden Sonne ist auch die Toilette perfektioniert. Das fängt damit an, dass der Klodeckel automatisch nach oben klappt, sobald man sich der Toilette nähert. Der Sitz ist bereits vorgeheizt. Besonders an kalten Wintertagen ist das willkommen. Alles ist supersauber. Meist spielt beruhigende Musik, die einen so richtig entspannen lässt.

Wer zum ersten Mal eine japanische Toilette besucht, ist total überfordert. Schwer zu verstehende Zeichen und dutzende von Knöpfen weisen darauf hin, was das Klo alles kann. Man hat Angst überhaupt einen Knopf zu drücken. Doch wenn man sich etwas Zeit nimmt, dann wird schnell klar, wie es funktioniert.

Wer das Geschäft verrichtet hat, der greift nicht zum WC-Papier, sondern  drückt auf den Knopf, der einen sanften Wasserstrahl auslöst, der alles fein säuberlich und automatisch putzt. Die Stärke wird individuell angepasst und die Temperatur ist genau die Richtige. Japanische Forscher haben herausgefunden, dass die bevorzugte Strahltemperatur knapp über der Körpertemperatur liegt – etwa bei 38 °C. Die Düsenposition lässt sich ebenfalls manuell ändern. Spitzenmodelle bieten sogar vibrierende und pulsierende Wasserstrahlen, die nach Angaben der Hersteller gegen Verstopfung und Hämorrhoiden wirksam sein sollen. Die neuesten Typen können sogar Seife in den Wasserstrahl mischen, um bessere Reinigungsergebnisse zu erreichen. Eine andere weitverbreitete Funktion ist das Warmluftgebläse, meist zwischen 40 und 60 °C variierbar, um die mit dem Wasserstrahl gereinigten Körperregionen zu trocknen.

Zum Schluss wird das ganze WC automatisch geputzt und desinfiziert. Auch der Geruch verschwindet einfach so und völlig magisch. Topmodelle sind gar in der Lage, den Stuhl und Urin zu analysieren und vor sich anbahnenden Krankheiten zu warnen.

Ich hatte solche Toiletten zwar auch schon mal gesehen, doch ich dachte immer, das wäre nur ein Gimmick, den kaum ein Japaner wirklich benutzt. Doch eine Statistik zeigt, dass 78% der Japaner so ein Ding zu Hause haben. In Restaurants und öffentlichen Toiletten sind die Alleskönner sogar die absolute Regel.

Mit den Toiletten ist es mit so vielem im Leben. So lange man es nicht kennt, vermisst man es auch nicht. Doch wenn man es einmal erlebt hat, dann kann man nur schwer zurück – oder könnt ihr Euch vorstellen ohne Internet, Geschirrspüler oder, um eine extremes Beispiel zu wählen, Strom zu leben?

Und noch was. In Japan begann das Zeitalter der High-Tech-Klos im  1980 mit der Einführung der Washlet G-Serie durch Toto. Das Washlet basierte ursprünglich auf einer Erfindung des Schweizers Hans Maurer, der 1957 das Dusch-WC unter dem Namen Closomat erfand und im europäischen Markt ohne grossen Erfolg einführte.

Ach ja und einen Vorteil hab ich fast vergessen. Einen Vorteil, der viele Beziehungskrisen verhindert und für Harmonie sorgt. Der WC-Deckel schliess am Ende des Besuchs automatisch!

12 in 12 – Perfekt, perfekter, Japan

Es ist bereits dunkel in Tokio. Wir biegen im Stadtteil Shibuya in eine schummrige Gasse ein und laufen den Bahngleisen entlang.  Ein leerer Zug rattert vorbei. Kaum ein Licht brennt in den Fenstern der kleinen, dicht aneinandergereihten, Häuser. Weit und breit keine Menschenseele.  Die Athmosphäre ist gespenstig. Endlich. Da ist sie, die kleine Tür mit dem Graffiti, genau so wie sie mir Tomoko beschrieben hatte. Hinter dieser Tür soll sich der legendäre Underground-Rock-Club Circus befinden und hier soll gleich die japanische Band Cinnamons auftreten.Die Tür ist zu. Keine Klingel. Ich klopfe. Die Tür geht auf. Eine junge Frau steht dahinter und begrüsst uns. Sie ist munter und fidel. 4000 Yen Eintritt und wir sind drin. Sie gibt uns noch einen Getränkegutschein, den wir an der Bar einlösen können.

Was von aussen dunkel und ich gebe es zu, durchaus etwas gefährlich aussah, entpuppt sich von innen als ultracooler Rockclub, in dem alles äusserst gesittet zu und her geht. Wir sind hier ja schliesslich in Japan. Das Konzert hat schon angefangen. Trotzdem halte ich noch kurz an der Bar und bestelle wie meist einen Gin und Tonic. Spätestens seit Oasis die legendären Songzeilen:

I need to be myself
I can’t be no one else
I’m feeling supersonic
Give me gin and tonic

1994 mit ihrem allerersten Song Supersonic unsterblich gemacht haben, ist G&T mein Getränk.

Keine Plastikbecher, keine Sodapistole mit Chlorgeschmack, kein billiger Gin und kein Cocktail, der nur aus Eis besteht. Nachdem ich dem Barkeeper klar gemacht habe, dass ich kein Ginger Ale, sondern einen Gin and Tonic will, ist er in seinem Element.  Er nimmt ein gut gekühltes, wohl geformtes Glas aus dem Kühlschrank. Es könnte durchaus handgeblasen sein. Die Eiswürfel sind gross, denn sie sollen kühlen und das Getränk nicht verwässern.  Der Gin ist von Sipsmith und kommt, wie es sich bei einem G&T gehört, aus dem Tiefkühler. Das Tonic schüttet er aus der kleinen, traditionellen 19cl-Flasche dazu. Das Verältnis stimmt. Drei Teile Tonic, ein Teil Gin. Dann natürlich noch ein Schnitz frisch geschnittene Limette; ja, unbedingt Limette und keine Zitrone, denn die ist etwas zu süss. Mit einem weiteren Limettenschnitz reibt der Barkeeper, der übrigens blond gefärbte Haare hat, ein schwarzes Metallica-T-Shirt trägt und wohl knapp über 20 ist, den Glasrand ein. So verspürt man beim Trinken zu allererst einen leicht limettigen Geschmack.  Dann noch kurz umgerührt und fertig ist der Gin and Tonic.

Ich habe mittlerweile zwar einen Song der Cinnamons verpasst. Doch das war es wert. Der perfekte Gin and Tonic in einem Rockklub an den Bahngleisen von  Shibuya. Wer hätte das gedacht

Unten im Konzertsaal spielen die  Cinnamons. Ich stehe da und höre zu. Ich weiss gar nicht, woran ich mich mehr efreuen soll, an der japanischen Indie-Musik, die so was von gute Laune macht oder an meinem perfekten Gin and Tonic. Perfekt, perfekter Japan.

12 in 12 – Glück ist nur eine Frage der Zeit

Überall in Bangkok gibt es sie. Die Verkäufer mit ihrem kleinen Klapptisch, die Lose der staatlichen Lotterie verkaufen. 80 Bath oder umgerechnet  2 Euro kostet ein Los, was für einen Thailänder eine Menge Geld ist. Jeder dritte Thailänder kauft sich  so ein Los. Zweimal im Monat werden die Zahlen ausgelost; jeweils ein grosses Ereignis.

Die knapp 20-jährige Araya hat dieses Mal gleich drei Lose gekauft. Die Nummern habe sie von ihrem Goldfisch zugeflüstert bekommen, der sein Futter aus verschiedenen mit Zahlen gekennzeichneten Töpfen herausholt. Das ergibt die jeweilige Glücksnummer, erzählt sie stolz. Sie wolle reich werden, sagt sie und ist davon überzeugt, dass dieses Mal ihr grosser Tag ist. Doch die Chancen dafür stehen schlecht. Die Auszahlquote der Thai-Lotterie beträgt gerade mal 60%, weltweit die tiefste für ein Glücksspiel. Zum Vergleich: beim Pferderennen werden in der Regel 81% ausbezahlt, beim Spiel mit den einarmigen Banditen 89% und beim Blackjack gar 98%.

Das hält Araya nicht davon ab, ihr Glück zu versuchen, immer und immer wieder. Schliesslich ist die Thai Lotterie die einzige legale Form des Glücksspiels in Thailand. Gewinner ist, wer eine der ausgelosten Dreierkombinationen hat. Dieses Mal sind das 066, 807, 426 und628.

Araya hat keine dieser Kombinationen und geht auch dieses Mal leer aus.” Na, macht nichts, vielleicht kann ich in der Untergrundlotterie noch was für meine Tickets kriegen” meint sie.

Neben der offiziellen Lotterie gibt es noch die Untergrundlotterie, eine halbwegs illegale Institution (was auch immer das heisst). Die Thailändische Regierung versucht seit Jahren, gegen die Untergrundlotterie vorzugehen. Die gegenwärtige Militärregierung hat das gar zu einer ihrer Top-Prioritäten gemacht. Bisher ohne Erfolg. In den verschiedenen Untergrundlotterien wird mehr Geld umgesetzt, als mit der staatlichen Version.

Wie Araya genau im Untergrund noch was für ihre Lose kriegen will, weiss ich nicht. Araya zieht von dannen. Traurig ist sie jedoch nicht. Sie weiss, dass es schon in zwei Wochen wieder die grosse Chance geben wird, reich zu werden. Dann will sie vier Lose kaufen. Ihr Goldfisch wird sie dieses Mal bestimmt nicht im Stich lassen.

 

12 in 12 – Es gibt nicht nur eine Religion

Es ist faszinierend, den Thailändern zuzuschauen, wie sie dem Gott Brahma am Erewan-Schrein in Mitten der chaotischen Stadt ihre Ehre erweisen. Hier bittet man um Geld, Liebe, beruflichen Erfolg aber auch Gesundheit und Erleuchtung. Blumenkränze, Weihrauch und kleine Elefantenfiguren überall. Hier war es auch, wo vor anderthalb Jahren bei einem Bombenanschlag 20 Menschen ums Leben kamen. Davon ist mittlerweile nur noch wenig zu spüren.

94% der Thailänder glauben an Buddah, genauer gesagt praktizieren sie den Theravada-Buddhismus,  die älteste noch existierende Schultradition des Buddhismus. Zwar wird der Buddhismus durchaus noch sichtbar gelebt,  gibt es überall Tempel von gross und prunkvoll bis hin zum kleinen Schrein vor der Haustür. Es gehört für viele auch zum Tagesritual, Blumen oder andere Gaben niederzulegen.

Doch in Bangkok gibt es noch eine andere mächtige Religion, die dem  Buddhismus kräftig Konkurrenz macht und die heisst Shopping. Der meist fotografierte Ort in ganz Thailand ist denn auch nicht etwa der Grand Palace Tempel, sondern die Shopping Mall Paragon.

In Bangkok gibt es so viele Shopping Malls wie nirgends anders auf diesem Planeten. Nicht mal Dubai, Hongkong und Singapur können da mithalten. Alllein an der Meile zwischen MBK und Central Embassy warten über 5000 Läden auf ihre Anbeter. Alles ist hochmodern und versucht so viel Spass auszustrahlen, wie nur möglich. Am Wochenende gibt es für die Bewohner von Bangkok, die etwas auf sich halten, denn auch nur ein Ziel: Ab in die Mall. Hier fühlt man sich wohl unter Gleichgesinnten. Das Gemeinschaftsgefühl dank Konsum wird in Bangkok gross geschrieben.

Dass Konsum für so viele Thailänder noch vor dem Buddhismus kommt, müssen auch die Buddhistischen Mönche neidlos anerkennen. Phra Paisan Visalo, einer der einflussreichsten Mönche des Landes, sorgte mit dem Zitat: “Konsum ist die neue Religion Thailands. Früher ging man am freien Tag in den Tempel, heute geht man in die Mall” vor einiger Zeit für Schlagzeilen. In den letzten 30 Jahren hat sich die Zahl der Mönche in Thailand halbiert. Die Generation iPhone hat andere Interessen.

12 in 12 – Weiss, weisser am weissesten

Schon bei der Fahrt vom Flughafen von Bangkok in die Wohnung erschlagen mich die Plakate für Hautcreme, Spritzen und Pillen, die nur ein Ziel haben: die Haut so weiss wie möglich zu machen. Wir in Europa geben alles dafür, endlich mal braungebrannt zu sein und hier in Thailand ist das grosse Ziel jeder Frau, so weiss wie möglich auszusehen? Schon schräg.

Wer glaubt, das sei der Versuch der Thailänderin, so weiss wie eine Europäerin auszusehen, der täuscht sich gewaltig. Die Obsession hat einen ganz anderen Hintergrund. Wer dunkle Haut hat, der gilt als arm. Das gilt nicht nur in Thailand, sondern überall in Asien. Dunkle Haut ist ein Zeichen für viel Arbeit an der Sonne, gebückt auf dem Feld. Dunkle Haut gilt als schmutzig und ist – ja Gott bewahre uns – ein Zeichen des Alterns. “Tua Dam” heisst auf Thai “schwarzer Körper” und ist hier ein schlimmes Schimpfwort.

Das hat zur Folge, dass viele Thais nie ans Meer gehen, und das im Land mit den schönsten Sandstränden der Welt. In  Bangkok sieht man immer wieder Frauen mit einem Sonnenschirm herumstolzieren oder gar mit einem Tuch bedeckt. Ja keinen Sonnenstrahl abkriegen, ist die Devise. Das ist vielleicht auch einer der Gründe, warum Shopping Malls hier so beliebt sind.

Je heller die Haut, desto schneller gehts mit der Karriere. Traurig, aber wahr. Helle Haut gilt nicht nur als schön, sondern ist auch ein Zeichen von hoher Intelligenz. Die Kosmetikindustrie haut selbstverständlich kräftig in diese Kerbe. “Zu helle Haut gehabt und den Job nicht bekommen? Wir helfen!” heisst ein Slogan. Thais sind Besessen mit der hellen Haut der Koreaner und Japaner. So wollen sie auch aussehen. Sie probieren deshalb alles, um ihre Pigmente weisser zu machen.

Wissenschaftlich ist die Wirkung der Behandlungen äusserst umstritten. Während die Mittel, die in den Kosmetikabteilungen verkauft werden, in der Regel recht harmlos sind, werden unter dem Tisch Sachen verkauft, und im Hinterzimmer Sachen gespritzt, die extrem gefährlich sind. Vitamin-C-Cocktails und Glutathion sind noch die harmloseren Seren. Zudem leiden die Abwehrkräfte der Haut, durch die Weissheitstherapie.

Der grosse Trend im Moment sind übrigens Hautcremen mit Schneckenextrakt (Snail Whitening). Die soll besonders weiss machen und die Haut zudem straffen. Die Bloggerwelt spielt verrückt und in jedem Kosmetikgeschäft sind die Tuben der Creme en masse aufgestapelt. Die armen Schnecken…

Hier noch ein Youtube Video für eine der harmloseren Cremen:

12 in 12 – Tod der Plastiktüte!!!

Harris Farm ist ein wunderschöner Bio-Supermarkt in Sydney, der herrlich reife Calypso Mangos, kremige Joghurt mit Passionsfrucht, perfekte T-Bone-Steaks aus Gippsland und himmlisch duftende Pains au Chocolat verkauft. Ich liebe es, bei Harris Farm einzukaufen. Doch als ich das erste Mal an die Kasse komme, bin ich schockiert; nicht etwa weil mich die Kassiererin freundlich fragt, wie es mir geht, sondern weil sie meine Sachen einfach so in drei riesige Plastiktüten einpackt, als wenn das die normalste Sache der Welt wäre. Als ich ihr sage, dass ich meine eigene Tüte dabei habe, weiss sie erst gar nicht recht, wovon ich spreche. Sie gibt mir die Sachen fast wiederwillig ohne Plastiktüte und ich packe sie in meinen Rucksack.

Australien war für mich immer ein Vorbild, wenn es um Natur und Umweltschutz geht. Das grosse Ozonloch hatte hier doch bestimmt alle auf den Plan gerufen. Doch während Länder wie Somalia, Kenia, Tansania, Uganda und China die Plastiktüten längst ganz verboten haben, wird in Sydney und auch in Melbourne weiter kräftig Plastik verschwendet.

Freunde, die ich hier frage, warum die Tüten noch immer nicht verboten sind, zucken ratlos mit der Schulter. Ja, stimmt eigentlich. Doch die Tüten seien bestimmt biologisch abbaubar meinen sie. Ein wenig Nachforschung ergibt, dass einerseits längst nicht alle Plastiktüten, die in Australien umsonst abgegeben werden, biologisch abbaubar sind und anderseits auch biologisch abbaubare Tüten aus Plastik sind und der abbaubare Plastik als einziger Vorteil in kleinere Teile zerfällt, aber weiterhin Plastik bleibt.

Seit 2003 arbeitet Australien an einem Verbot von Plastiktüten. Jedes Jahr heisst es, man sei jetzt bald so weit. 14 Jahre später gibt es noch immer keinen Erlass und aus der Bevölkerung kommt viel zu wenig Druck. Australien, Du solltest dich schämen. Nur zur Erinnerung: Es dauert 1000 Jahre, bis eine Plastiktüte vollständig abgebaut ist. 500 bis 1000 Milliarden Plastiktüten sind bereits im Umlauf. 300 Millionen davon sind irgendwo im Atlantik verteilt. Allein in Australien werden jährlich 4 Milliarden Plastiktüten produziert. 1 Million Vögel und über 100’000 Delphine, Schildkröten und andere Meerestiere sterben jedes Jahr, weil sie sich in Plastiktüten verstricken oder ihren Magen mit Plastiktüten verstopfen. Um Plastiktüten herzustellen braucht man Öl. In den USA allein sind es 12 Millionen Fass Öl pro Jahr, die dafür eingesetzt werden. Die könnte man alle locker sparen.

Immerhin, einige Regionen, darunter Tasmanien und das Northern Territory, haben die Tüten bereits verboten. Wenn alles gut läuft, sollten die anderen Regionen in den nächsten zwei Jahren folgen. In Queensland soll da Verbot 2018 in Kraft treten. “Don’t Trash our Oceans” steht in Bondi Beach auf einem grossen Graffiti. Ja, bitte auch nicht mit Plastiktüten.