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12 in 12 – Cinema Farnese – Kapitel 5

Cinema Farnese
Ein Fall für Alfredo Conte

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Cinema Farnese Kapitel 1
Cinema Farnese Kapitel 2
Cinema Farnese Kapitel 3
Cinema Farnese Kapitel 4

Kapitel 5

Das Ufficio Catastale war an der Via Raffaele Costisti in einem Siebzigerjahrebau untergebracht. Im Prinzip brauchte der Inspektor eine Verfügung vom Polizeipräsidenten, um pendente Anträge im Grundbuchamt einzusehen. Doch die zu besorgen brauchte zu viel Zeit. Conte kannte die Archivarin aus seiner Zeit in der Polizeischule. Sie war ihm einen Gefallen schuldig und hatte die dicken Ordner mit den jüngsten Anträgen schon bereitgelegt. Der Inspektor wusste nicht genau, wonach er suchen sollte. Es musste irgendwas mit dem Cinema Farnese zu tun haben.

Baugesuche, Kaufverträge und Umbaupläne noch und noch. Der Zeitungsstand an der Piazza Benedetto Cairoli soll zu einer Espressobar, die Apotheke an der Via Arenula zu einem der überall wie Pilze aus dem Boden schiessenden dänischen Accessoirläden von Tiger werden. Eine Schande. Als Conte schon fast aufgeben will, stösst er auf ein Schreiben, das ihn erstarren lässt: „Rückzug des Antrags zur Umfunktionierung des Cinema Farnese in eine Hosteria“ steht dort als Überschrift. Eingereicht wurde der Rückzug von Kinobesitzer Giuliano Novelli. Gemäss italienischem Recht konnte ein solcher Antrag innerhalb von 14 Tagen widerrufen werden. Das hatte Novelli, nur 24 Stunden bevor er erschossen wurde, getan.

Auf dem ursprünglichen Formular zur Umnutzung war nur Novellis Unterschrift zu finden. Kein offizieller Geschäftspartner. Doch da war es. Die Hosteria hätte den Namen „ Stefano“ tragen sollen. Hosteria Stefano, benannt nach dem Gastrozar Stefano Totti, dem die Osteria Romana und andere Restaurants gehörten und mit dem Novelli seit Jahren am gleichen Stammtisch sass? Und wenn ja, hiesse das auch, dass Totti der Mörder war? Und das nur, weil Novelli sich die Sache mit der Osteria anders überlegt hatte? Ging es also einmal mehr nur ums Geld?

Das schien zu einfach. Totti hatte ein gutes Alibi. Er war mit Hotelbesitzer Mauro Piselli den ganzen Abend auf dessen Terrasse gesessen. Das hatte Piselli bezeugt. Dazu kam, dass Roberto Ginelli, der Novelli am Abend vor dem Mord in der Öffentlichkeit bedroht hatte, ebenfalls ein Motiv hatte und durch die verschwundene Beretta zusätzlich belastet war. Das konnte der Inspektor nicht einfach so stehen lassen.

Conte musste nochmals mit Piselli sprechen. Der hatte ihm noch nicht alles erzählt. Als der Inspektor in eine kleine Seitengasse des Campo de’ Fiori einbog, um Piselli im Hotel Lunetti abzupassen, sah er an der Ecke Roberto Ginelli mit Mariella Novelli stehen. Die beiden tuschelten geheimnisvoll. Das durfte doch nicht war sein. Die Witwe von Novelli mit Ginelli? Die grosse Jugendliebe  vereint und das nur einen Tag nach dem Tod von Giuliano Novelli?

Die beiden hatten ihn nicht gesehen, und das war auch gut so. Sie sollten sich in Sicherheit wiegen. Ob sie die Tat zusammen geplant hatten, um an das Erbe von Novelli zu kommen und dann „happily ever after“ zusammen zu leben? Hatte Ginelli auf eigene Faust gehandelt und Mariella jetzt alles gebeichtet oder war Mariella die eiskalte Mörderin – die Tat als einziger Ausweg aus einer schon seit Jahren nicht mehr glücklichen Ehe?

Conte wollte nicht zu viel in dieses pikante Aufeinandertreffen hineininterpretieren. Beweise hatte er keine. Vielmehr fragte er sich, wer ihm den Tipp mit dem Grundbuchamt gegeben hatte. Wollte ihn da jemand auf die falsche Fährte führen oder war es ein stiller Helfer, der unerkannt bleiben wollte? Eins nach dem anderen. Erstmal wollte er sich Piselli vorknöpfen.

12 in 12 – Auf der Reise mit John Keats

‘I am certain of nothing but the holiness of the heart’s affections, and the truth of imagination.”                 John Keats

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John Keats ist zusammen mit Byron und Shelley nicht nur der bedeutendste Dichter der englischen Romantik, sondern auch mein Vorbild, wenn es um Poesie, Ehrlichkeit und  Selbstzweifel geht. Ein Vorbild im Sinne der Bewunderung und leider nicht des Talents… Es ist wohl purer Zufall. Doch unsere Wege haben sich immer wieder gekreuzt. Als ich in London lebte, lag Keats Wohnhaus nur wenige Schritte von unserer Türschwelle entfernt, direkt am Hampstead Heath. Einige schöne Nachmittage hatte ich im Garten vor seinem Haus verbracht.

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Jetzt in Rom ist Keats wieder allgegenwärtig. Gewohnt hat er 1820/21 in seinem letzten, durch eine schwere Krankheit geprägten Jahr, an der spanischen Treppe, begraben wurde er auf einem Friedhof im Stadtteil Testaccio, dem “Cimitero Accatolica

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Nur 25 Jahre alt ist Keats geworden. Auf Einladung von Percy Bysshe Shelley war er mit seinem Freund Joseph Severn nach Rom gereist, um dort die Tuberkulose los zu werden. Doch es war zu spät.

Keats hat Autoren wie Oscar Wilde stark geprägt. Wilde nannte das Grab Keats “den heiligsten Ort in Rom”. Irgendwie versteht man das auch, wenn man vor der Ruhestätte steht und einfach nur tief durchatmet.

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Der Friedhof liegt etwas ausserhalb des Stadtzentrums. Es ist still hier. Jedes Grab hat eine Geschichte zu erzählen. Das spürt man. Neben Keats liegen hier auch Shelley und Severn, Goethes Sohn August, der Architekt Gottfried Semper, der Maler Jacob Asmus Carstens und der deutsche Poet Wilhelm Friedrich Waiblinger.

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Keats Name steht nicht auf seinem Grab, sonder der Satz: “Here Lies One Whose Name was writ in Water”. So wollte er es.  Bis heute streiten sich die Gelehrten, was er damit genau meinte. Doch für mich ist es klar. Keats war es wichtig,  etwas zu hinterlassen und die Zuneigung der Öffentlichkeit zu spüren. Gerade in seinen letzten Jahren wurde er immer schärfer kritisiert. Seine Beliebtheit nahm ab. Keats muss es vorgekommen sein, als sei alles, was er hinterlassen werde, sein ins Wasser geschriebener Name, der verschwindet, ehe er überhaupt fertiggeschrieben wurde. Ein trauriges Bild. Doch so geht es uns ja allen – und das ist auch OK so.

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Nicht ganz so poetisch wie Keats Worte sind jene, die ich auf einem Grabstein fernab von Keats Ruhestätte entdecke. Gaby Andre Smith fordert ihre Nachkommen auf: “If you think of me, smile to the next person you see”.  So einfach, aber so schön.

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12 in 12 – Der Priester und das Bier

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Kurz nach 10. Wie fast jeden Morgen bin ich auf dem Weg zur Bar Peru, um dort meinen zweiten Caffè zu trinken. Als ich reinkomme, fällt mir ein Priester in seiner traditionellen schwarzen, bis obenhin zugeknöpften Soutane auf. Nur der Ansatz des weissen Kollars schaut etwas hervor. Er sitzt allein an einem Tisch neben dem Eingang. Vor ihm steht ein Bier, genauer gesagt ein Peroni.  Genussvoll nippt der Priester am Glas mit dem kühlen Gerstensaft.  Er sieht zufrieden aus.

Ich weiss ncht warum. Doch im ersten Moment erschrecke ich leicht. Ein Priester trinkt ein Bier um 10 Uhr morgens? Das kann doch nicht… Doch dann fasse ich mich wieder. Warum denn nicht. Erstens wird er bestimmt schon seit 4 oder 5 Uhr morgens auf den Beinen sein und im Gegensatz zu mir sein Tageswerk schon mehr oder weniger hinter sich haben. Zweitens ist er keineswegs angeheitert, geschweige denn besoffen und drittens, was geht mich das überhaupt an. Jeder so, wie er es mag.

In Rom ist die katholische Kirche allgegenwärtig. Insgesamt gibt es hier 1600 Kirchen und Kapellen und über 5000 Priester. An jeder Ecke trifft man eine Wallfahrtsgruppe, angereiste oder einheimische Geistliche und immer wieder Nonnen und Mönche. An den Espressotheken stehen Priester Schulter an Schulter mit dem Banker und Schreiner, auf der Piazza diskutieren sie genau so heftig miteinander wie alle anderen und ja, in der Bar trinken auch sie gerne ein Bier . Sie gehören ganz einfach ins Strassenbild. Das hat was Beruhigendes und Harmonisches an sich. Berührungsängste zwischen Glauben und Plebs scheint es hier kaum zu geben. Das ist sicher nur eine oberflächliche Betrachtungsweise – doch zumindest die Oberfläche ist schön anzusehen.

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12 in 12 – Das ist Yanira

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„Wann heiratest Du mich nun endlich“, fragt der Gemüsehändler auf dem Campo de’ Fiori. „Ciao bella“ hört man von links und von rechts, „Wo warst Du denn so lange, hast du mich schon vergessen“, einen Stand weiter. Wer mit Yanira unterwegs ist, der kann sich im Hintergrund halten und in Ruhe durch die Strassen schlendern. Die 29-jährige zieht mit ihrer offenen Art und ihrer Ausstrahlung die ungeteilte Aufmerksamkeit auf sich.

Yanira ist aus Buenos Aires und lebt erst seit einem Jahr in Rom. Das römische Lebensgefühl hat sie schon voll und ganz aufgesaugt. “Ja klar, die Männer machen auch hier mal die eine oder andere Bemerkung”, sagt sie. “Doch im Vergleich zu Argentinien, wo Männer einfach keinen Respekt haben und du eine Bulldogge sein musst, damit du sie abwehren und aushalten kannst, ist es hier sehr angenehm.”

In Argentinien fühlte sich Yanira nie sicher, wenn sie die Strasse entlang ging. Unzählige Male wurde sie ausgeraubt. “Egal, wie vorsichtig ich war, jedes Smartphone wurde mir abgenommen.” In Rom hingegen fühlt sich Yanira frei – in jeder Hinsicht. Sie wohnt mit ihrem Freund in einem Studio etwas ausserhalb des Zentrums. “Die meisten anderen mieten sich nur ein Zimmer in einer Wohnung. Doch das wollten wir nicht”, sagt sie.

Yanira hat zwei Universitätsabschlüsse. Sie arbeitet als Übersetzerin für die renommierte Sapienza Universität und als Reiseführerin für Withlocals. Ihr Englisch ist fehler- und akzentfrei. Italienisch spricht sie wie eine Einheimische. Ihre Passion gehört aber dem Tanz. Vor kurzem hat sie ein Stipendium für die Tanzschule La Pirouette ergattert. Jetzt will sie es nochmals wissen. “Jeder denkt, nur weil du aus Argentinien bist, könntest du tanzen, vor allem den Tango . Doch das wird dir nicht einfach in die Wiege gelegt”, sagt sie bestimmt.  Yanira ist sehr glücklich in Rom, hat einen Freund aus Sizilien, will hier eine Familie gründen und ihre Kinder aufziehen. Doch zuvor will sie noch reisen, viel reisen.

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Dass sich Yanira in Italien so wohl fühlt, hat einen guten Grund. Ihre Familie kommt ursprünglich aus Italien, genauer gesagt aus Udine. Ihr Grossvater war, wie so viele andere Italiener, nach Argentinien ausgewandert. Deshalb hat Yanira auch einen italienischen Pass. Vor einem Jahr hatte sie ihre Familie in Udine und danach auch Rom besucht. Sie wusste sofort: das ist mein zu Hause.

Zwei Drittel der Argentinier und damit über 25 Millionen, haben italienische Wurzeln. Nirgends anders gibt es so viele Italienstämmige. Seit dem 19.Jahrhundert wandern Italiener immer dann aus, wenn es dem Land schlecht geht – am liebsten nach Argentinien.

Heute geht der Strom auch in die andere Richtung. Wer italienische Vorfahren hat, kann die Staatsbürgerschaft beantragen. Das machen immer mehr. Zwar geht es Italien nicht unbedingt rosig und wer sich hier umhört, weiss, dass es für die Jugend kaum keine Jobs gibt. Doch besser als in Argentinien, wo die Wirtschaft seit bald 20 Jahren darbt, ist es wohl schon, auch wenn die Löhne in Italien unter Druck sind. Yanira erzählt von einer Freundin aus Argentinien, die drei Universitätsabschlüsse hat und auch nach Italien wollte. Sie hatte ein Jobangebot von einer Sprachschule – für 1300 Euro im Monat. Das war einfach zu wenig. Jetzt lebt sie in Amsterdam.

Was sie nicht mag an Rom? Die Busse. Das sei eine Zumutung mit dem öffentlichen Transport hier und in die hoffnungslos überfüllte U-Bahn musste man sie am Anfang reinschieben. Ach ja und die Bürokratie sei ein Albtraum. “Sie wurde hier erfunden glaube ich”, scherzt sie. Doch nach einer Weile merkt man wie der Hase läuft und dass es nur drauf ankommt, die richtigen Leute zu kennen. Plötzlich gehe alles wie von alleine. Eine richtige Römerin.

 

 

12 in 12 – So trinkt man einen Caffè

caffe-2Wie trinkt man einen Caffè? Eine dumme Frage? Vielleicht. Ich will hier auch niemanden belehren. Richtig oder falsch gibt es nicht. Doch hier meine Methode, die ich mir in Rom angeeignet habe:

Zuallererst die Basics. Ein Caffè ist in Italien immer ein Espresso – in meinen Augen die einzig akzeptable Art, Kaffee zu trinken. Wer also in Italien in eine Bar geht und einen Caffè bestellt, kriegt einen Caffè, nicht einen Latte, nicht einen Americano, nicht eine Schale oder einen was auch immer: einen Caffè.

Die wichtigste Regel gleich vorweg: Von dem Moment an, wo man den Caffè kriegt, hat man 10 bis maximal 20 Sekunden Zeit, bevor der Caffè stirbt.

Stirbt? Ja, genau. Stirbt, tot, aus und vorbei. Danach kann man ihn gleich weggiessen.
Und ja, genau deshalb trinken die Italiener ihren Caffè immer an der Bar. Sie wollen ihn nicht sterben sehen.

Warum die 20- (oder für manche auch  10) Sekundenregel? Also: Der Espresso und damit die schwarze Flüssigkeit, ist das Herz des Caffè, die Crema (nennen wir sie mal salopp Schaum) die Seele. Die Crema ist der bittere Teil des Caffè. Sie “schwimmt” obenauf  und an ihr beissen sich Barristas (und Jura-Kaffeemaschinen) oft die Zähne aus. Nach spätestens 20 Sekunden löst sich die Crema mehr oder weniger auf und verschwindet aus dem Caffè. Die Seele steigt in den Himmel, der Geschmack auch und der Kaffee ist tot.

Also, wenn man die Tasse kriegt, dann mit dem Löffel kurz umrühren, um Luft in die Flüssigkeit zu rühren, Herz und Seele etwas zu vermischen, wodurch sich das Aroma erst so richtig entfaltet. Dann mit zwei oder maximal drei kleinen Schlucken den Caffè trinken.

Der Caffè wird mit ca. 80 Grad oder etwas drüber gebrüht. Die Tasse ist vorgewärmt. Dennoch kühlt sich der Caffè gleich etwas ab. Der Metalllöffel hilft da auch nicht.  Die Temperatur bleibt für 20 Sekunden auf rund 65 Grad. Das ist perfekt.

Ein Glas Wasser zum Caffè ist nicht Pflicht, aber ratsam. So neutralisiert man die Geschmacksnerven, um den Kaffee richtig geniessen zu können.
So einfach ist das.

Bester Caffè in Rom? Roscioli. Der Kaffee dort ist von Gianni Frasi di Giamaica Caffè aus Venedig. Kostenpunkt: 1 Euro. Der Italiener sagt übrigens: Sobald Du mehr als einen Euro für einen Caffê bezahlst, wurdest Du über den Tisch gezogen.

12 in 12 – Einbahnstrasse – Clet Abraham

Hier im Centro Storico von Rom gibt es einen witzigen Graffitikünstler, der sein Unwesen treibt. Ist Banksy in Rom oder hat Invader, der Franzose mit den witzigen Space Invader Mosaiken, eine neue Passion?

Nein, die veränderten Verkehrsschilder sollen von Clet Abraham gesprayt werden, heisst es. Er ist ursprünglich Franzose und damit seit einigen Jahren auch in anderen Städten in Italien, sowie international in New York und London unterwegs. Auf Instagram seht ihr, was er alles so cooles macht.

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12 in 12 – Was zu Hause ist

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„Nicht da ist man daheim, wo man seinen Wohnsitz hat, sondern wo man verstanden wird“, hatte schon der deutsche Dichter Christian Morgenstern vor über 100 Jahren festgestellt.

Ich weiss nicht wie es Euch geht. Doch für mich hat der alte Herr Morgenstern damit den Nagel auf den Kopf getroffen. Zu Hause zu sein, sich zu Hause zu fühlen, ist die Grundvoraussetzung fürs Glücklich sein. Das Gefühl, mit einer Landschaft, mit Menschen, mit Gewohnheiten, Sitten und Gebräuchen verbunden zu sein, gehört zu unseren wichtigsten Grundemotionen.

Zu Hause ist für mich nicht dort, wo ich geboren oder zur Schule gegangen bin und auch nicht dort, wo ich meine erste eigene Wohnung oder ersten Job hatte, sondern dort, wo ich mich wohl fühle oder wie es Morgenstern besser sagte: verstanden werde.

Doch was trägt dazu bei, dass man sich wohl fühlt bzw. verstanden wird? Ist es der Ort, die Bleibe oder die Leute, mit denen man sich umgibt? Wie schnell entsteht ein zu Hause und wie lange ist es das? Eine Bauernregel dazu gibt es keine und eine Antwort darauf kann ich auch nicht geben – doch subjektive Empfindungen habe ich schon.

Moskau schenkte mir die wunderschöne Erfahrung, mich schon nach nur einer Woche zu Hause zu fühlen. Das war ein Glücksfall – ein unerwarteter. Unsere Wohnung war dabei der zentrale Faktor. Hier war ein Künstler zu Hause. Hier hatte jeder einzelne Gegenstand seine Bedeutung. Hier lagen positive Gedanken in der Luft. Auf wundersame Weise führte das zu einer Vertrautheit und einem Wohlfühlen, das mir Sicherheit, Ruhe und Geborgenheit gegeben hat. Wie ist das bei Euch zu Hause?

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In Rom erlebe ich Ähnliches. Zwar lässt mich die modern und unpersönlich eingerichtete Wohnung, ganz nahe des so charmanten Campo de’ Fiori, kalt. Doch schon das Schweifen lassen des Blickes von der Terrasse über die Dächer Roms, die Geräusche, die von der Strasse nach oben dringen und die Spaziergänge durch verwinkelte Gassen, machen mich zufrieden und lassen mich ein ganz klein wenig zu Hause fühlen.

Es wird oft unterschätzt, dass auch eine Stadt ein Freund sein kann. Ein guter, richtiger Freund. Ein Freund, der zu einem steht und der einen nie enttäuscht. New York beispielsweise ist mein Freund. Mein Freund New York, mit dem ich sechs Jahre zusammenlebte, aber den ich vor über zehn Jahren verlasen habe, wartet auf mich und ist immer für mich da, wenn ich ihn brauche. Ich verstehe ihn und er mich, auch wenn ich ihn eine Weile nicht gesehen habe. Er gibt mir Geborgenheit, in der Sekunde, in der ich wieder die Luft um ihn einatme. Dieser Freund hört mich, unterstützt mich, lacht mich nicht aus, lässt mich in Ruhe, tritt mir in den Arsch, stärkt mir den Rücken, bewahrt mich vor Fehlern und lässt mich gleichzeitig Fehler machen. Er kämpft für mich.

Ich bin gespannt, welche der 12 Städte, die wir in den nächsten Monaten besuchen, auch zu meinem Freund und Partner in Crime werden. Ich will da noch gar kein Urteil fällen – auch nicht für Moskau und Rom. Denn Freundschaften bzw. Freunde werden erst so richtig getestet, wenn man sich länger nicht mehr sieht.

Ich bin davon überzeugt, dass das Heimatgefühl auch davon geprägt wird, wie lange man irgendwo verweilt. Wiederholte Abläufe, die sich emotional positiv auswirken, tragen dazu bei. Der allmorgendliche Gang zum Forno Campo de Fiori und die flotte Begrüssung dort, das Erwachen der Stadt beim Joggen entlang des Tibers, das Lächeln des Barristas bei Roscioli, wenn er mich fragt, ob ich noch ein Glas Wasser will, das „Salve“ beim Tabacchiere wenn ich die Buskarte kaufe – das alles kann, je öfter sich die Abläufe wiederholen, Heimatgefühle auslösen und zwar starke und bleibende.

Die Wohnung, die Stadt und die Leute. Ja, die Leute. Ich könnte mir kaum vorstellen, dass sich ein zu Hause entwickeln kann, ohne die Vertrautheit und Liebe einer oder mehrerer Personen. Das zu entwicklen an einem neuen Ort ist schwierig – sehr schwierig.  Einen guten Freund oder einen Partner zu finden, der einem Vertrautheit, Geborgenheit und…ja genau, Heimatgefühle gibt, ist die Grundvoraussetzung für Zufriedenheit. Da habe ich grosses Glück, dass diese Person bei mir in jeder Stadt ganz einfach immer mit dabei ist.

Heimat ist ein innerer Zustand.

12 in 12 – Cinema Farnese – Kapitel 3

Cinema Farnese
Ein Fall für Alfredo Conte

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Kapitel 3

Als Inspektor Conte von der Piazza Santa Caterina della Rota auf das Caffe Peru zusteuert, sieht er sie schon dort sitzen. Theatermaestro Emanuele Bruno, Hotelbesitzer Mauro Piselli und Gastrokönig Stefano Totti. Der vierte Platz ist leer. Conte kannte Piselli und Totti gut. Er war mit ihnen zur Schule gegangen. Die Beiden waren in der Klasse über ihm und fanden schon deshalb, sie seien ihm weit überlegen. Das hatte sich in den letzten 30 Jahren nicht geändert.

„Ist der Stuhl noch frei?“ fragt Conte und setzt sich ohne auf einen Antwort zu warten hin. „Schlimme Sache“ bricht Emanuele Bruno das etwas zu lange andauernde Schweigen. Die beiden anderen nicken. „Was erzählt man sich denn so im Quartier?“, versucht Conte das Gespräch anzukurbeln. Wieder ist es Bruno, der zuerst antwortet. „ Dies und das. Nichts Konkretes.“

Conte merkt, dass er heute ausnahmsweise nicht auf die Redseligkeit der Gruppe zählen kann. Er ändert die Strategie. „Wir wissen, dass Novelli von jemandem erschossen wurde, der ihn gut kannte. Der Mörder sass direkt neben Novelli, wohl in ein Gespräch verwickelt, zog seine Pistole und schoss ihn eiskalt in die Schläfe“. Das sitzt. Die drei gut betuchten älteren Herren rutschen unruhig auf ihrem Stuhl hin- und her und schauen sich gegenseitig an. „Na gut, sie werden es ja ohnehin von jemandem erfahren. Da kann es ja auch von mir sein“ ergreift Mauro Piselli das Wort. „Roberto Ginelli kam vorgestern Abend so um 6 Uhr hier im Caffe vorbei. Wir sassen zu viert am Tisch und spielten Karten. Roberto nahm sich einen Stuhl, setzte sich zu uns, schaute eine Weile stumm zu und dann schrie er Giuliano an – aus heiterem Himmel. Er habe sein Leben zerstört, ihn verraten und getäuscht und dafür werde er büssen, schwer büssen. Dann stand er auf und machte sich aus dem Staub.“

Na, das war doch schon mal was, denkt sich Conte. Doch irgendwie war das alles viel zu einfach. „Da fällt mir ein, dass Ginelli immer schon eine Beretta hatte“ doppelt Totti nach. „Vielleicht kann man da mal nachhaken.“ „Vielen Dank, das werde ich tun“ entgegnet Conte.

Ein Alibi hatten die drei. Piselli sei mit Totti und einer Flasche Wein bis spät in die Nacht auf dessen Terrasse gewesen, Emanuele Bruno mit seiner Frau in der Pizzeria Montecarlo. Da gäbe es genügend Tischnachbarn, die dies bezeugen können.

Bevor sich der Inspektor verabschiedet, fragt er Totti noch, wie es den Plänen für seine neue Osteria gehe. Die Vierte im Quartier,  die ihm gehören würde. Warum er dies wissen wolle, fragt Totti forsch. Ach, nur so, sei nicht weiter wichtig . „Ich habe einen Standort im Auge, doch im Moment liegt die Sache auf Eis“ erklärt Totti in wieder etwas freundlicherem Ton.

Conte ordnet seine Gedanken. Das Alibi von Bruno schien wasserdicht. Totti und Piselli hingegen deckten sich gegenseitig. Piselli hatte Geldsorgen. Das wusste Conte. Das Hotel Lunetti war langsam baufällig, eine Renovation unausweichlich. Doch die Banken bockten. Totti hatte Piselli deshalb angeboten, das Hotel zu kaufen und ihn dann als Geschäftsführer einzusetzen. Doch das liess sein Stolz nicht zu.

Wenn es um Novelli ging, war Totti immer etwas distanziert. Bei den grossen Premieren im Cinema Farnese  blieb er selten bis zum Schluss und auch im Caffe Peru war er nur dabei, wenn Pieselli und Bruno auch mit am Tisch sassen. Doch das musste nichts bedeuten. Erstmal war es die Plicht des Inspektors, sich nochmals Bäckermeister Ginelli vorzuknöpfen. Warum hatte der ihm nichts vom Vorfall im Caffe Peru erzählt und wo war seine Beretta?

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12 in 12 – Der allererste San Lorenzo Carnival

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Die Musik dröhnt durch die Strassen. Südamerikanische Klänge und Rhythmen, die auch noch so zurückhaltende Passanten dazu animieren, das Tanzbein zu schwingen oder mindestens leicht mit dem Fuss zu wippen.  Das ist der allererste San Lorenzo Carnival, der in direkter Zusammenarbeit mit seinem Pendant im Londoner Stadtteil Notting Hill ins Leben gerufen wurde. Eine wunderbar farbige Angelegenheit. Frohe, glückliche Gesichter überall, eine begeisternde Atmosphäre, pure Lebensfreude  und eine ganz grosse Prise Spontanität. So wie es in Notting Hill wohl vor 30 Jahren mal war, bevor dort der Kommerz einzog.

Dass die Veranstaltung in San Lorenzo,  Roms vielfältigstem und spannendsten Quartier, weitab vom Luxus der Via Condotti, stattfindet, ist kein Zufall. Künstler, Arbeiter und Studenten leben hier Schulter an Schulter. Das ist noch das richtige Rom.  Die grösste Universität Europas, die Sapienza mit seinen 200 000 Studenten, ein wunderschönes ethnisches Wirrwarr, Graffitis an den Wänden, unzählige Bars und Clubs. Das macht San Lorenzo zu einem Mikrokosmos unseres Planeten – so wie wir (oder zumindest ich) ihn gerne überall hätten.

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Schwalbe fliegt nach… – 12 in 12 in der NZZ

c7115924-66cd-4d01-bf61-52a67e07ee48Heute ist der erste Beitrag aus der Serie: Schwalbe fliegt nach… in der NZZ erschienen. Klickt hier drauf, um den Artikel zu lesen. Für die NZZ bzw. NZZ Bellevue nehme ich Objekte und Zeichen unter die Lupe, die für die locals alltäglich erscheinen, dem Besucher aber ins Auge springen. Daraus soll eine Art Atlas des Corporate Designs von zwölf Weltstädten und Stadtkulturen entstehen. Den Anfang macht Moskau. Wie immer auch hier auf Trendengel sind die Fotos von mir selber geschossen und exklusiv. Viel Spass.

Hier nochmals der ganze  Link, falls ihr lieber so klickt:
Genau hier drauf klicken, um zur NZZ-Seite zu gelangen