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12 in 12 – Ich bin mehr Melbourne als Sydney

Köln oder Düsseldorf, New York oder Los Angeles, Moskau oder Sankt Petersburg, Rom oder Mailand. Diese Städte stehen zu einander in einem gesunden Wettbewerb (naja OK, manchmal hassen sie sich auch ein wenig).  Ähnlich verhält es sich mit Sydney und Melbourne. Wer aus Melbourne kommt, hat wenig für seine Nachbarn aus Sydney übrig und umgekehrt. Weil die Rivalität unter den beiden Städten schon immer so gross war, entschloss man sich 1908 Canberra als Hauptstadt Australiens aufzubauen. Ad Interim fungierte bis 1927 Melbourne als Hauptstadt. Daran werden die  “Sydneysider” bis heute nicht gerne erinnert.

Doch welche Stadt ist besser – zumindest aus meiner persönlichen Optik?

Auf den ersten Blick ist das Resultat klar. Sydney hat das bessere Wetter, die perfekten Strände, ist viel spektakulärer gelegen und  unter dem Strich ohne Frage die schönere Stadt als Melbourne.

Dennoch, so gerne ich Sidney mag – ich passe mehr zu Melbourne. Melbourne ist viel europäischer, kreativer, eleganter aber gleichzeitig auch alternativer. In Melbourne werden Akzente gesetzt, ist die Musikszene, die Kunst und Kultur an sich zu Hause, wird kulinarisch auf allerhöchstem Niveau mitgespielt, ist der Vibe relaxter und inspirierender. Melbourne ist eckig und kantig und Sydney mehr rund und wohl bekömmlich. Ich mag Ecken und Kanten.

Damit will ich auf keinen Fall Sydney schlecht machen, sondern viel mehr eine Lanze für Melbourne brechen, die Stadt, die von den meisten Touristen zu Unrecht links liegen gelassen wird.

Ach ja, ich stehe mit dieser Meinung übrigens nicht ganz alleine da. The Economist kürt jedes Jahr die  lebenswerteste  Stadt. Zum wiederholten Mal ist Melbourne 2016  dort weltweit auf dem allerersten Platz gelandet und zwar vor Wien und Vancouver. Sydney hingegen ist dieses Jahr zum ersten Mal aus den Top Ten gefallen – und der Economist hat ja bekanntlich immer Recht.

 

 

12 in 12 – In Beef We Trust – Wagyu oder Angus?

Wer gerade aus Buenos Aires kommt, der ist verwöhnt, wenn es um ein gutes Steak geht. Doch als ich auf dem Flug nach Sydney im Onboard Magazine von Air New Zealand einen Artikel über das Wagyu Beef von Blackmore in Südaustralien las, wurde ich hellhörig.  Wegen Blackmore musste die Australian Wagyu Association die gesamte Bewertungsskala für Qualität erweitern. Statt von 1 bis 9 geht die Skala nun bis 9+ und das Blackmore Wagyu hat als einziges Fleisch auf der Welt die 9+. Das kommt mir fast so absurd vor, wie bei Spinal Tap, als der Gitarrist  auf seinem Verstärker eine 11 statt eine 10 hat. “Turn it up to 11!”

Wagyu ist übrigens eine japanische Rinderart. Kommt das Rind aus der Region Kobe, dann ist es Kobe-Beef, sonst heisst es Wagyu. Das Fleisch ist besonders marmoriert und ist so zart wie kaum ein anderes Stück.

Eine 9+. Das musste ich probieren. In Sydney ist die Delikatesse beim Metzgermeister Victor Churchill zu haben, der wohl schönste Schlachterladen, den ich je gesehen habe. Im noblen Stadtteil Woollahra bietet Churchill seit 1876 das beste vom Rind an. 2009 wurde der Shop umgebaut und sahnt seither einen Design-Preis nach dem anderen ab.

Da ist es, das Blackmore Wagyu. Es thront im Kühlschrank mit seiner Glasvitrine ganz oben und wartet darauf, gegessen zu werden. Eine breite Fettschicht und dann diese Marmorierung. Ein Gedicht. Das Kilo kostet umgerechnet rund 200 Euro. Ein stolzer Preis.

Ich frage die Metzgerin, ob das Blackmore das Geld denn auch wert sei. “Das ist Ansichtssache”, meint sie. Sie erklärt mir, dass das Blackmore-Wagyu so zart sei, wie kein anderes Fleisch auf diesem Erdball. Was die Intensität des Geschmacks angehe, da habe sie aber noch was Anderes. Wagyu-Kühe werden mit Getreide gefüttert und sie bevorzuge mit Gras gefütterte Kühe. Sie zeigt mi das Black-Angus-Beef von O’Connor in Gippsland – ein paar Stunden von Melbourne entfernt. Das Sirloin für rund 50 Euro pro Kilo. Die Marmorierung ist auch sehr schön und das Stück lacht mich an. Die Luft in Gippsland sei ein Traum, das Futter bestehe aus Klee für die Mineralien und Weidelgrass für Vitamine und Proteine. Keine Hormone, keine Antibiotica, keine Chemikalien in irgendeiner Form garantieren. die Qualität.

Ich kaufe von beiden ein Stück, mache mich ganz aufgeregt auf den Weg nach Hause und schmeisse beide Prachtstücke auf den Grill. Nur ganz wenig Salz dazu und sobald der Saft austritt, ist das Fleisch so weit. Jetzt kommt der Geschmackstest. Mann ist das Wagyu-Beef zart. Sowas hab ich noch nie erlebt. Das Fleisch schmilzt fast auf der Zunge. Und das O’Connor-Beef?  Das haut mich vom Hocker. Es ist bissfester aber dennoch unglaublich “soft”. Der Eigengeschmack ist unbeschreiblich. Das Fett vereint sich mit dem Fleisch, als ob das alles genau so geplant war, damit ich es hier und jetzt und heute Abend esse. Ich glaube “we have a winner” Das Black Angus von O’Connor schlägt alles, was ich bisher gegessen habe. Danke Victor Churchill. I’ll be back!

12 in 12 – “Australian Humor”

Wer “Australian Humor” googelt, der findet als allererstes Ergebnis einen Eintrag auf der Website der australischen Regierung, die einem ganz offiziell erklärt, was australischer Humor genau ist.  Humor erklären ist zwar immer so eine Sache – doch das steht da drauf:

“Australian humor has a long history that can be traced back to our origins as convict colonies. It is therefore no surprise that a national sense of humour quickly developed that responded to those conditions. This unique sense of humour is recognised (although maybe not always understood) the world over as being distinctly Australian. Our humor is dry, full of extremes, anti-authoritarian, self-mocking and ironic.”

Ich kann mich an australische Filme wie Muriel’s Wedding, Strictly Ballroom und natürlich Crocodile Dundee mit dem legendären Paul Hogan erinnern, die mein Bild von Australien geprägt haben. In der Tat ist es kein Klischee, dass die Australier immer alles etwas lockerer nehmen.  Schon allein das kollegiale “mate”, wenn man jemanden trifft, lockert ein Gespräch auf und das altbekannte “no worries” entschärft jede unangenehmen Situation.

Mein  neuer australischer Lieblings-Comedian ist übrigens Sam Simmons, der damit Jim Jeffries abgelöst hat. Der ist mit seinem preisgekrönten Programm “Not a People Person” neulich im Sydney Opera House aufgetreten und ist sowas von schräg. Er hat Känguruhände…Das müsst ihr Euch anschauen:

Und noch ein Schmankerl von früher:

https://www.youtube.com/watch?v=POJtaO2xB_o

12 in 12 – To be or not to be

Das Tie-Break geht an Cagla Buyukakcay. Mit 7:1 hat die 28-jährige Türkin das Entscheidungsspiel im zweiten Satz gegen die 20-jährige Französin Oceane Dodin, die Nummer 72 der Welt, souverän gewonnen. Das Momentum ist klar auf der Seite  von Buyukakcay, der Nummer 86 der Welt. Der dritte Satz sollte für die Türkin nur noch Formsache sein. Die zweite Runde des Australian Open ist greifbar nahe.

Die Französin ist enorm verunsichert. Nach jedem Ballwechsel sucht sie den Blickkontakt zu ihrem Coach, der direkt neben mir sitzt. Immer wieder zupft sie ihr blauweisses Tenniskleid zurecht. Sie ist nervös. Oceane Dodin hat kaum Erfahrung in grossen Turnieren, geschweige denn in einem Grand Slam. Soll sie auf Angriff spielen oder lieber abwarten, bis die Gegnerin den Fehler macht? Nach dem enttäuschenden Tie-Break hat sie den Faden völlig verloren.

Buyukakcay merkt das und versucht, die Sache so schnell wie möglich klar zu machen. Sie schlägt auf und rennt sofort ans Netz. Doch Dodin parriert. Der Return knallt unerreichbar genau auf die Linie. Sie führt unverhofft 0:15. Ihr Trainer murmelt neben mir unaufhörlich und ruft immer wieder auf den Platz. Ist das nicht verboten, geht mir durch den Kopf. Doch auf den Aussenplätzen gibt es kaum jemanden, der das unterbinden würde. Wir sind schliesslich nicht auf dem Center Court.

Dodin wartet geschickt ab. Sie spielt nur mit und lässt die Türkin die Fehler machen. Die Strategie geht auf.  Sie schafft das Break zur 1:0 Führung. „Weiter so“, ruft ihr Coach. Schnell steht es im entscheidenden Satz 4:0. Buyukakcay ist stinkesauer und haut ihren Schläger mit voller Wucht auf den Boden. Das Racket bricht und sie schreit etwas Unverständliches Richtung Schiedsrichterin. Keine Verwarnung? McEnroe wäre für sowas damals wohl direkt vom Platz geflogen.

Plötzlich kommt die Türkin wieder in Fahrt. Ein Ass, ein Passierball, ein Aufschlagswinner und ein präziser Lob. 4:1. Jetzt den Aufschlag der Französin durchbrechen. Doppelfehler, Long Line Winner, Stoppball und Netzroller. Plötzlich steht es nur noch 4:2. Der Trainer neben mir rutscht unruhig auf seinem Stuhl hin und her. Wieder der hilflose Blick seines 20-jährigen Schützlings. „Was soll ich jetzt machen“, steht in ihren Augen geschrieben.

Buyukakcay schlägt auf. Sie hat das Momentum auf ihrer Seite. Noch ein Aufschlagspiel durchbringen und dann das Break und schon ist sie wieder gut dabei. Der erste Aufschlag sitzt. Dodin bringt ihn nicht über das Netz zurück. Der zweite Return der Französin ist auch zu lang. 30:0. Jetzt platzt dem Trainer neben mir der Kragen. Sein Schützling ist drauf und dran, den sicher geglaubten Sieg noch aus der Hand zu geben. „Du musst die Punkte suchen”, schreit er. „Nicht abwarten. Du schaffst das“, doppelt er nach.

Die Punkte suchen. Das sass. Dodin geht offensiver ans Werk. Der erste Return geht wie an der Schnur gezogen der Outlinie entlang genau auf die Grundlinie. 30:15. Dann ein Volley ins Halbfeld, der für die Türkin unerreichbar ist – 30:30. Ein Doppelfehler führt zum Breakball. Auf dem Court wird es unruhig. Allen ist bewusst, dass das die Entscheidung sein würde. Fingernägel beissen, vereinzelte Zurufe und dann das Psssssst vom Schiedsrichter. Der Aufschlag kommt, der Return sitzt. Die Türkin erwischt ihn zwar noch, kann den Ball aber nur hoch und viel zu kurz zurückspielen. Dodin nimmt Mass und haut den Smash mit einer enormen Wucht genau auf die Linie. Das Game gehört ihr.

Der nächste Aufschlag ist nur noch Formsache. Sie gewinnt das Spiel und zieht mit 7:5, 6:7, 6:2 nach 2 Stunden 22 Minuten in die zweite Runde ein. Den Tränen nahe bedankt sie sich bei ihrer Gegnerin und schaut vollends glücklich zu ihrem Coach. „Gut gemacht!“ Auch er strahlt über beide Backen. „Das war nicht grosses Tennis, aber Hauptsache gewonnen“, murmelt er vor sich hin.

Die kleinen Schicksale sind oft viel interessanter als die Grossen. Wenn Stanislav Wawrinka am Australian Open eine Runde weiter kommt, dann verändert sich das Leben von Stan The Man kaum. Wenn aber auf Platz 15, ganz weit weg vom Glamour des Center Courts, Oceane Dodin mit ihren 20 Jahren ein Spiel am Australian Open gewinnt, dann verändert sich von einer Sekunde auf die andere ihr ganzes Leben. Statt beim nächsten Turnier wieder durch die Qualifikation zu müssen und dann bei weiteren Niederlagen zu riskieren, überhaupt nicht mehr eingeladen zu werden, ist Dodin jetzt wohl auch bei Roland Garros und Wimbledon im Hauptfeld dabei. Ein Spiel weitab des Glamours mit grosser Wirkung. “Sein oder nicht sein” in einem auf den ersten Blick hundsgewöhnlichen Erstrundenspiel in Melbourne.

12 in 12 – Ich habe ein Smartphone, also bin ich

Ich habe ja auch ein Smartphone und kann mir kaum vorstellen, ohne das Gadget zu leben. Ich fühle mich fast hilflos, wenn der Akku meines geliebten iPhones auf Null ist. Das gebe ich gerne zu.  Doch es muss Grenzen geben. Ich habe das Gefühl, dass dieses kleine Ding Schuld daran ist, dass wir nicht mehr miteinander sprechen, und was fast noch schlimmer ist, dass wir nicht mehr in der wunderschönen Welt leben, die direkt vor uns liegt, sondern in der Welt des kleinen Screens.

Das ist nicht nur in unseren Breitengraden so, sondern ich sehe das überall, wo ich hinschaue und hinkomme. Als ich gestern auf der Tribüne des Australian Open sass und vom fünften Satz des packenden Spiels zwischen dem Amerikaner John Isner und dem Deutschen Mischa Zverev in den Bann gezogen wurde, war mein Sitznachbar seit einer halben Stunde in irgend einen Chat auf seinem iPhone vertieft. Das durfte doch wohl nicht sein. Da gibt es Hochspannung pur direkt und live vor ihm und er spielt ununterbrochen mit seinem Telefon..

Noch krasser verhielten sich unsere Tischnachbarn aus Japan in einem Restaurant in Buenos Aires. Während ihm seine Partnerin ihr Herz ausschüttete, spielte der Typ munter auf seinem Galaxy irgend ein Mortal Combat Spiel. Er schaute nicht mal vom Bildschirm auf, geschweige denn gab er eine Antwort zurück und das während des gesamten Mittagessens. Sowas hatte ich noch nie gesehen. Die beiden waren dabei nicht etwa mitten in einem Streit, sondern es schien sich um ein ganz einfaches “Gespräch ” zu handeln. Am schockierendsten daran war, dass ihr das wenig auszumachen schien. So läuft die Konversation bei denen wohl immer ab.

Gespräche ohne Augenkontakt, den Daumen immer auf dem Bildschirm des Smartphones, jederzeit bereit, alles stehen und liegen zu lassen für die Anweisungen, die einem das Telefon gibt. Das geht zu weit. Diese Angewohnheit, eine Whasapp-Nachricht immer sofort beantworten zu müssen, auch wenn man gerade in ein Gespräch vertieft ist, ist schon eine Unart. Ja, ich hasse es auch, wenn ich ein wichtiges Email schreibe, und die Antwort auf eine einfache Frage erst zwei Tage später kommt, wenn ich sie nicht mehr brauche. Doch als Grundregel sollte gelten, dass das richtige Leben vor dem Leben auf dem Bildschirm kommt. Dein Gegenüber fühlt sich nämlich wie ein Stück Dreck, wenn Du eine willkürliche Nachricht beantwortest, dazu vielleicht noch entspannst lachst, weil das so lustig war, was dir geschickt wurde, während sich dein Gesprächspartner Däumchen drehend überflüssig vorkommt.

Untersuchungen zeigen, dass je mehr der Partner in einer Beziehung das Smartphone benutzt, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit eines Breakups ist. Auch interessant: Viele Partner sind eifersüchtiger auf das Smartphone als auf einen Konkurrenten aus Fleisch und Blut. Das Smartphone ist nicht nur ein Relationship Killer, sondern schadet der Interaktion unter uns allen. Eine Studie hat ergeben, dass die Empathie der Jugendlichen in den letzten zehn Jahren drastisch nachgelassen hat. Ein Zeichen unserer Zeit, das mir gar nicht gefällt. Mehr Gefühl und weniger Technologie. Irgendwie wärs schön. “Smartphone ergo sum” sollte nicht unser Mantra sein.

12 in 12 – Mind the Gap

Die Wellen schlagen gegen die Klippen, das Wasser ist kristallklar, der Wind weht kräftig und die Luft riecht gut, irgendwie nach Freiheit. The Gap ist ohne Frage einer der schönsten Plätze in Sydney. Gleich hinter der Watson Bay, nur einen kurzen Trip mit der Fähre vom Sydney Harbor, liegt der Teil eines Nationalparks, der zu einem romantischen Spaziergang einlädt.

Ich geniesse die Aussicht und denke, hier kann man so richtig in sich gehen und das Leben geniessen. Da stosse ich auf ein eigenartiges Schild. “Hold onto HOPE. There is always HELP.” steht da drauf. Was ist das denn. Das hört sich irgendwie nach Religion oder Sekte an. Was hat so ein Schild denn hier auf dem schönen Wanderweg zu suchen?

Bei genauerer Betrachtung wird schnell klar, dass es sich hier nicht um die Botschaft einer Sekte handelt, sondern um ein von der Stadt aufgestelltes Schild, das die Leute davon abhalten über die Klippen in den Tod zu springen. Oops…

Ein paar Meter vom Schild entfernt steht eine Notrufzelle. “This phone offers a Lifeline” steht da. “Are you thinking of suicide? You are not alone. Talk to someone you trust or call Lifeline” geht es weiter.  Soviel zur guten Stimmung und zur lebensbejahenden Wirkung der Klippen von The Gap. Ich befinde mich tatsächlich genau an dem Ort, an dem sich in Australien die meisten Leute das Leben nehmen. The Gap ist weltweit einer der zehn Orte mit den meisten Selbstmorden. Nur die Golden Gate Bridge in San Francisco und der Aokigahara Forest in Japan liegen in dieser Statistik  vor The Gap. Jährlich sollen sich hier mindestens 50 Menschen das Leben nehmen. Mir läuft ein kalter Schauer den Rücken hinunter und mir wird weich in den Knien. Tatsächlich merke ich erst jetzt, dass die Klippen überall mit Zäunen abgesperrt sind und dass es überall Überwachungskameras gibt.

Um weiteres Unheil am The Gap zu verhindern, hat die Regierung gerade eine hohe Summe gesprochen, um Bewegungsmelder und andere Sicherheitsvorkehrungen zu installieren. Doch ich befürchte, dass sich jemand, der den Entschluss gefasst hat, seinem Leben ein Ende zu setzen, davon nicht abhalten lassen wird.

12 in 12 – Ich nehme mir ein Buch

Ein Büchergestell an einer Hauswand in Bondi Beach. Lord of the Rings, „The Long Goodbye“ von Raymond Chandler, “Tropic of Cancer” von Henry Miller, ein Buch über die Geschichte des Surfens und sogar „Sofia, der Tod und ich“ von Thees Ulmann auf Deutsch. Nicht schlecht, die Auswahl. Ich schaue mich um, wo der Eingang für den Buchlanden ist, denn den Ulmann würde ich mir gerne kaufen. Ich suche vergebens.

Abgesehen vom Eingang eines Fischrestaurants finde ich nichts, das nach einem Laden aussieht. Ich frage einen Passanten, ob er weiss, wo diese Bücher hingehören. „Ach, das ist die Street Library. Die Bücher kannst Du einfach nehmen, Mate und im Gegenzug wieder eins hinstellen. Wenn Du gerade keins dabei hast, kannst Du das auch später machen“ sagt er. Ganz umsonst nach dem Honour System. Nein, echt? Das ist ja der Hammer.

Ins Leben gerufen wurde das Projekt in Sydney im November 2015. Mittlerweile gibt es über hundert dieser Street Libaries. Manchmal sind es kleine, vogelhausähnliche Gestelle, mit nur zehn Büchern, dann wieder mehrere Regale aneinandergereiht mit hunderten von Romanen und Sachbüchern. So eine schöne Sache. Ein Fenster in die Seele der Nachbarschaft sozusagen. Du siehst, was Dein Quartier liest und denkt, wofür man sich interessiert und kannst daran teilnehmen.

Sowas sollte man echt überall machen. Warum eigentlich nicht? Nichts spricht dagegen, finde ich aber wirklich gar nichts.

12 in 12 – Pfui Spinne?

Australien hat sie alle. So gut wie jedes gefährliche Tier kriecht oder läuft hier irgendwo rum, Toll. Das gilt ganz besonders für die lieben Spinnen. Ob Redback, Funnel Web oder Huntsman – Australien ist mit ihnen gesegnet – im Überfluss.

Spinnen waren noch nie meine Lieblingstiere. Ich kann mich gut daran erinnern, wie ich als Kind fast durchgedreht bin, wenn sich eine der riesigen schwarzen Hausspinnen bei mir im Zimmer verkrochen hatte und ich nicht genau wusste, wo sie war. Über die Jahre habe ich meine Abneigung allerdings etwas abgelegt. Spinnen sind ja auch nur Tiere.

Als ich in Syndey das Plakat für die Ausstellung: “Spiders, Alive and Deadly” im Australia Museum sah, wusste ich, dass ich da hin musste. 400 gefährliche Spinnen auf einem Haufen und zwar lebendig. Da kann einem schon mal etwas mulmig zu Mute werden.

Tatsächlich läuft einem ein kalter Schauer den Rücken herunter, wenn einem die Huntsman-Spinne, die einer Vogelspinne ähnlich sieht und bis zu 30 Zentimeter Spannweite haben kann, sozusagen auf der Nase herumtanzt, einen ansieht und sagt: Du bis machtlos gegen mich… Die Funnel Web hingegen, die wohl die gefährlichste aller Spinne, sieht gar nicht so übel aus. Doch mit ihr ist nicht zu Spassen.

Ich bin beeindruckt, wie spielerisch die australischen Kinder in der Ausstellung mit den “Creepy Crawlies” umgehen. Kein Wunder, sie sind ja mit den Tieren aufgewachsen. “Look daddy, a Huntsman…just like at home”.  Die gefährlichsten Spinnen gibt es nämlich nicht etwa irgendwo im Outback, wo es niemanden schert, sondern in Sydney und Melbourne. Mitten in der Stadt.  Spinnen mögen die Nähe der Menschen und halten sich, warum auch immer gerne in Schuppen und Lagerhallen auf. Sie springen, hüpfen, rennen und beissen.

Der Höhepunkte der Ausstellung ist neben dem Giftmelken durch einen Wissenschafltler der Spinnentunnel, in dem man von hunderten von Spinnen umzingelt ist. Hoffentlich fällt mir da keine auf den Kopf.  Nichts für schwache Nerven.

Auf dem Weg zum Bus nach der Ausstellung quer durch den botanischen Garten bin ich besonders aufmerksam, wenn ich zwischen den Sträuchern hindurch husche. Mein Gott, da gibt es ja Spinnen und Spinnennetze en masse. Hunderte…Krasse Sache.

Keine Ahnung, ob die Dinger giftig sind, doch eine Mischung aus Faszination, Bewunderung, Respekt und etwas Angst mischt sich im Blut, als ich mit meiner Kamera so nahe wie möglich an die Spinnen rangehe.

Redback, Funnel Web, Wolf Spider, Huntsman, sie alle sind durchaus  gefährlich – auch für den Menschen. Doch wie so oft zeigt die Statistik, dass all die Angst und Räubergeschichten extrem übertrieben sind.

Im April ist an der Ostküste Australiens tatsächlich jemand wegen dem Biss einer Red Back Spider gestorben. Es war der erste tödliche Spinnenbiss seit 37 Jahren.

12 in 12 – Der grosse Honigkrieg

Bei der Zwischenlandung in Auckland auf dem Weg nach Sydney hätte ich fast den Anschlussflug verpasst, weil mich der Shop mit den neuseeländischen Spezialitäten in den Bann gezogen hatte. Gefrorene Abalone-Muscheln, Wundercreme aus Schafsmilch und  ein Serum, das aus dem Gift der Bienen gewonnen wird.  Doch am meisten fasziniert hatte mich eine kleine Dose Honig. Manuka-Honig stand da drauf. Kostenpunkt umgerechnet rund 350 Euro. Was steckte dahinter? So eine Art Royal Jelly?

Der Verkäufer hatte schon das Glänzen in den Augen, als ich das Glas genau studierte. “Das ist was ganz besonderes. Der  Manuka-Honig wird aus dem Blütennektar der Südseemyrte (Manuka) erzeugt  und ist ein Naturheilmittel” erklärt er mir. “Heilmittel gegen was?” will ich wissen. “Der hilft gegen Allergien, schliesst Wunden, fördert die Verdauung, zerstört Bakterien, stärkt das Immunsystem und lindert Atembeschwerden aller Art. ” Aha, ein Wundermittel also.

Er gibt mir einen klitzekleinen Löffel zum probieren und ich muss sagen: Er schmeckt. Der Verkäufer macht mich darauf aufmerksam, dass es den Honig nur in Neuseeland gibt und dass der Tennisspieler Novak Djokovic seine Turniere nur gewinnt, weil er ein grosser Fan des Honigs sei. Dennoch bin ich nicht restlos überzeugt und verzichte ich auf einen Kauf.

In Sydney angekommen, sehe ich im Organic Food Store in Bondi Beach wieder diesen Manuka Honig. Dieses Mal kommt er aus Australien. “Ich dachte, Manuka kommt nur aus Neuseeland” frage ich die Verkäuferin unschuldig. “Ja, das hätten die Kiwis wohl gerne”, sagt sie. “Die Südseemyrte mit ihren einmaligen Wirkstoffen wächst auch in Südaustralien. Doch im Moment bekriegen sich unsere beiden Länder, wer im Endeffekt den Namen benutzen darf.”

Der König unter den Manuka-Produkten ist jener Honig, der einen Unique Manuka Factor (UMF) von 25+ hat. Damit wird die antibakterielle Wirkung des Honigs gemessen. Das Kilo kostet weit über 1000 Euro.

Die Neuseeländer berufen sich darauf, dass Manuka ein Wort der Ureinwohner Neuseelands, der Maori sei und dass der Name deshalb zu Neuseeland gehöre. Als Präzedenzfall führen sie Champagner und Scotch Whiskey an.  Australien vertritt den Standpunkt, dass die gleiche Pflanze auch den gleichen Namen tragen darf. Noch gibt es keinen endgültigen Entscheid. Doch es geht um Geld – viel viel Geld.

In einer Woche werde ich in Melbourne am Australian Open sein. Da werde ich ganz besonders darauf achten, ob Novak Djokovic ein Glas Manuka-Honig auf dem Court verschlingt. Wenn das wirklich so sein sollte, dann verspreche ich Euch eins: Ich werde so viel Manuka-Honig verschlingen, bis ich der Nachfolger von Roger Federer bin.

 

 

12 in 12 – Cinema Farnese – Kapitel 7

Hier ist es endlich. Das letzte Kapitel des Krimis Cinema Farnese:

Cinema Farnese

Ein Fall für Alfredo Conte

Kapitel 7

Inspektor Alfredo Conte hatte die Puzzleteile fein säuberlich zusammengesetzt. So sah es aus.

Stefano Totti hatte seit Jahren ein Auge auf das Cinema Farnese geworfen. Er hatte Novelli immer wieder bearbeitet, ihm das Kino doch für seine neue Trattoria „Stefano“ zu überlassen. Als er ihm dann vor wenigen Monaten anbot, gleichberechtigter Teilhaben zu werden, wurde Novelli schwach und sagte zunächst zu. Doch nach einigen Tagen hatte Novelli, für den das Kino sein ganzes Leben war, seine Meinung geändert. Er hatte im Vertrag, den Conte bei der Hausdurchsuchung von Novellis Büro gefunden hatte, die Klausel entdeckt, dass Totti nach einem Jahr die Option hatte, ihn für 250’000 Euro aus dem Vertrag zu kaufen. Wutentbrannt hatte Novelli beim Grundbuchamt seinen Antrag zurückgezogen. Totti hatte mehrere Male versucht, Novelli umzustimmen – ohne Erfolg.

Totti wusste, dass die Erben von Novelli kein Interesse am Kino hatten. Sie waren schon lange aus Rom nach Mailand gezogen und hatten keine Zeit, sich um das Cinema Farnese zu kümmern. Totti’s Plan war, das Kino nach dem Tod von Novelli kurzerhand zu kaufen. Conte hatte Novelli‘s Tochter Roberta angerufen und von ihr erfahren, dass sich vor einigen Tagen tatsächlich jemand erkundigt hatte, ob sie Pläne für das Kino habe. Das konnte nur Totti gewesen sein.

Auch wusste Totti, dass der Bäckermeister Roberto Ginelli unsterblich in Giulianos Ehefrau Mariella verliebt war. Als Giuliano am Abend vor der Tat in der Bar Peru in aller Öffentlichkeit die Drohung gegen den Kinobesitzer aussprach, kam Totti die glorreiche Idee. Er wusste von einigen feuchtfröhlichen Abenden mit Bruno und Piselli auf der Terrasse der kleinen Wohnung von Ginelli, dass dieser, versteckt in einer kleinen Box, eine Beretta besass. Während Ginelli am Abend vor dem Mord wie immer in der Backstube war, brach Totti in die Wohnung des Bäckers ein und packte sich die Waffe.

Totti hatte mit allen Mitteln versucht, Conte auf die falsche Fährte zu bringen und die Beretta immer wieder ins Spiel gebracht. Doch einmal zu viel. Mit seiner doch sehr bestimmten Vermutung, dass die Beretta von Ginelli verschwunden sei, hatte sich Totti nur noch verdächtiger gemacht.

Nachdem Totti bei Ginelli im Kino mit seinem Plan, eine Trattoria zu eröffnen, ein letztes Mal auf Granit gebissen hatte, erschoss er ihn kaltblütig. Danach ging er direkt zu seinem Freund Piselli. Totti wusste, dass ihm der Hotelbesitzer ein Alibi geben würde. Er nützte die verzweifelte Lage Pisellis mit dem kriselnden Hotel, das baufällig war und nur noch rote Zahlen schrieb, aus. Die Rechnung ging zunächst auf. Piselli gab zu Protokoll, dass die beiden zur Tatzeit den ganzen Abend mit einer Flasche Wein bei ihm auf der Terrasse gesessen seien. Im Gegenzug lieferte Totti Piselli eine halbe Million Euro ab, mit der er dann sein Hotel umbauen konnte.

Genau da lag der Schwachpunkt in Totti‘s Plan. In dem Moment, als er Piselli an Bord holte, gab er die Kontrolle aus der Hand. Piselli konnte Totti nicht ausstehen und das nicht erst, seit er seine finanzielle Notlage ausnutzen wollte, um sich da Hotel unter den Nagel zu reissen. Totti hatte Piselli immer wieder spüren lassen, dass er ein Versager war und ihm bei jeder Gelegenheit vorgehalten, welche Fehler er mit seinem Hotel gemacht hatte. Dazu kam, dass Piselli die Geduld fehlte, mit dem Umbau seines Hotels zu warten. Er gab Totti’s Geld gleich aus, statt still zu halten, bis Gras über die Sache gewachsen war.

Piselli war es denn auch, der Alfredo Conte die Nachricht mit dem Grundbuchamt zukommen liess und den Inspektor damit auf die richtige Fährte gebracht hatte. Dabei hatte der Hotelbesitzer wohl nicht damit gerechnet, dass Conte  im Grundbuchamt auch auf seine Pläne für den Umbau des Wintergartens stossen würde. Conte hatte Piselli durchschaut und ihm das bei seinem Besuch schonungslos offenbart. Womit Conte nicht gerechnet hatte war, dass Piselli  ihm bei dieser Gelegenheit gleich noch das letzte Puzzleteil zur Lösung des Falls präsentieren würde.

Totti hatte Piselli in der Nacht nach der Tat eine weitere Aufgabe übertragen: Er sollte die Beretta verschwinden lassen. Doch das hatte Piselli nie getan. Die Forensiker identifizierten die Beretta schnell als Tatwaffe und fanden, obschon Totti die Waffe gut abgewischt hatte, noch Fragmente seiner Fingerabdrücke. Das hatte auch die letzte Zweifel an der Schuld von Stefano Totti aus dem Weg geräumt.

Inspektor Conte hatte einen weiteren Fall gelöst. Ein Fall, der ihm sehr nahe ging. Als er am nächsten Mittag seine Pizza Rosso bei Roberto Ginelli holte, kam ihm Mariella Novelli entgegen. In einer Tasche trug sie eine frische Crostata. Seit 30 Jahren war sie nicht mehr im Forno bei Roberto gewesen.  Zu schmerzhaft wäre der Besuch für beide gewesen. Sie hatte ein Lächeln auf den Lippen, drehte sich um, und warf Roberto einen scheuen Blick zu, ehe sie erhobenen Hauptes über dden Campo de Fiori stolzierte.