12 in 12 – In Japan ohne ein zu Hause

Ich weiss nicht genau warum. Doch ich hätte mein ganzes Vermögen darauf gewettet, dass es in Japan keine Obdachlosen gibt. In einer Gesellschaft, die so gut durchorganisiert ist und in der viel getan wird, um den Schein zu wahren, hatte ich irgendwie vermutet, dass man das Problem der Obdachlosen unter den Teppich kehrt bzw. kurzer Hand beseitigt, was das auch immer heissen mag.

Umso überraschter war ich, als ich einen Steinwurf vom Imperial Palace einige Obdachlose im Park übernachten sah. In Plastikplanen eingewickelt mit Wucherbart und wirrem Haar, froren die sich bei rund 6 Grad einen ab. Das ist kein Einzelfall. Als ich gestern auf der Suche nach den Kirschblüten durch den Yoyogi-Park schlenderte, fielen mir unzählige Zelte auf, die im Bambuswald verstreut waren. Manche hatten ein Fahrrad vor der Tür und andere waren grösser, als die kleinen Zehn-Quadratmeter-Wohnungen, in denen die meisten Japaner leben.

Obdachlosigkeit gilt in Tokio als Schande. Die meisten, die hier ihr Zelt aufgeschlagen haben, verheimlichen ihren Status vor Freunden und Familie so gut das geht. Die meisten Obdachlosen sind über 70. Sie sind zu alt, um einen Job zu finden und zu arm, um sich eine Wohnung zu  leisten. Gemäss inoffiziellen Statistiken gibt es in Tokio rund 6000 Obdachlose – offiziell sind es weit weniger als 1000. In den japanischen Zeitungen werden sie “die Unsichtbaren” genannt, da sie sich hüten, auf den Strassen zu betteln und sich zurückziehen soweit das nur geht.

Die Regierung unternimmt mittlerweile einiges, um das Problem in den Griff zu bekommen. Auch immer mehr Non Profit Organisationen nehmen sich dem Schicksal der Homeless an. Den Japanern graust es davor, 2020, wenn die Olympischen Sommerspiele in Tokio stattfinden, Bilder mit Obdachlosen in den schönen Parks um die Welt zu schicken. Auch wenn das eine scheinheilige Motivation ist, im Endeffekt wird es helfen. Wenn sich die Japaner was vornehmen, dann schaffen sie es auch.

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