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12 in 12 – “Australian Humor”

Wer “Australian Humor” googelt, der findet als allererstes Ergebnis einen Eintrag auf der Website der australischen Regierung, die einem ganz offiziell erklärt, was australischer Humor genau ist.  Humor erklären ist zwar immer so eine Sache – doch das steht da drauf:

“Australian humor has a long history that can be traced back to our origins as convict colonies. It is therefore no surprise that a national sense of humour quickly developed that responded to those conditions. This unique sense of humour is recognised (although maybe not always understood) the world over as being distinctly Australian. Our humor is dry, full of extremes, anti-authoritarian, self-mocking and ironic.”

Ich kann mich an australische Filme wie Muriel’s Wedding, Strictly Ballroom und natürlich Crocodile Dundee mit dem legendären Paul Hogan erinnern, die mein Bild von Australien geprägt haben. In der Tat ist es kein Klischee, dass die Australier immer alles etwas lockerer nehmen.  Schon allein das kollegiale “mate”, wenn man jemanden trifft, lockert ein Gespräch auf und das altbekannte “no worries” entschärft jede unangenehmen Situation.

Mein  neuer australischer Lieblings-Comedian ist übrigens Sam Simmons, der damit Jim Jeffries abgelöst hat. Der ist mit seinem preisgekrönten Programm “Not a People Person” neulich im Sydney Opera House aufgetreten und ist sowas von schräg. Er hat Känguruhände…Das müsst ihr Euch anschauen:

Und noch ein Schmankerl von früher:

https://www.youtube.com/watch?v=POJtaO2xB_o

12 in 12 – To be or not to be

Das Tie-Break geht an Cagla Buyukakcay. Mit 7:1 hat die 28-jährige Türkin das Entscheidungsspiel im zweiten Satz gegen die 20-jährige Französin Oceane Dodin, die Nummer 72 der Welt, souverän gewonnen. Das Momentum ist klar auf der Seite  von Buyukakcay, der Nummer 86 der Welt. Der dritte Satz sollte für die Türkin nur noch Formsache sein. Die zweite Runde des Australian Open ist greifbar nahe.

Die Französin ist enorm verunsichert. Nach jedem Ballwechsel sucht sie den Blickkontakt zu ihrem Coach, der direkt neben mir sitzt. Immer wieder zupft sie ihr blauweisses Tenniskleid zurecht. Sie ist nervös. Oceane Dodin hat kaum Erfahrung in grossen Turnieren, geschweige denn in einem Grand Slam. Soll sie auf Angriff spielen oder lieber abwarten, bis die Gegnerin den Fehler macht? Nach dem enttäuschenden Tie-Break hat sie den Faden völlig verloren.

Buyukakcay merkt das und versucht, die Sache so schnell wie möglich klar zu machen. Sie schlägt auf und rennt sofort ans Netz. Doch Dodin parriert. Der Return knallt unerreichbar genau auf die Linie. Sie führt unverhofft 0:15. Ihr Trainer murmelt neben mir unaufhörlich und ruft immer wieder auf den Platz. Ist das nicht verboten, geht mir durch den Kopf. Doch auf den Aussenplätzen gibt es kaum jemanden, der das unterbinden würde. Wir sind schliesslich nicht auf dem Center Court.

Dodin wartet geschickt ab. Sie spielt nur mit und lässt die Türkin die Fehler machen. Die Strategie geht auf.  Sie schafft das Break zur 1:0 Führung. „Weiter so“, ruft ihr Coach. Schnell steht es im entscheidenden Satz 4:0. Buyukakcay ist stinkesauer und haut ihren Schläger mit voller Wucht auf den Boden. Das Racket bricht und sie schreit etwas Unverständliches Richtung Schiedsrichterin. Keine Verwarnung? McEnroe wäre für sowas damals wohl direkt vom Platz geflogen.

Plötzlich kommt die Türkin wieder in Fahrt. Ein Ass, ein Passierball, ein Aufschlagswinner und ein präziser Lob. 4:1. Jetzt den Aufschlag der Französin durchbrechen. Doppelfehler, Long Line Winner, Stoppball und Netzroller. Plötzlich steht es nur noch 4:2. Der Trainer neben mir rutscht unruhig auf seinem Stuhl hin und her. Wieder der hilflose Blick seines 20-jährigen Schützlings. „Was soll ich jetzt machen“, steht in ihren Augen geschrieben.

Buyukakcay schlägt auf. Sie hat das Momentum auf ihrer Seite. Noch ein Aufschlagspiel durchbringen und dann das Break und schon ist sie wieder gut dabei. Der erste Aufschlag sitzt. Dodin bringt ihn nicht über das Netz zurück. Der zweite Return der Französin ist auch zu lang. 30:0. Jetzt platzt dem Trainer neben mir der Kragen. Sein Schützling ist drauf und dran, den sicher geglaubten Sieg noch aus der Hand zu geben. „Du musst die Punkte suchen”, schreit er. „Nicht abwarten. Du schaffst das“, doppelt er nach.

Die Punkte suchen. Das sass. Dodin geht offensiver ans Werk. Der erste Return geht wie an der Schnur gezogen der Outlinie entlang genau auf die Grundlinie. 30:15. Dann ein Volley ins Halbfeld, der für die Türkin unerreichbar ist – 30:30. Ein Doppelfehler führt zum Breakball. Auf dem Court wird es unruhig. Allen ist bewusst, dass das die Entscheidung sein würde. Fingernägel beissen, vereinzelte Zurufe und dann das Psssssst vom Schiedsrichter. Der Aufschlag kommt, der Return sitzt. Die Türkin erwischt ihn zwar noch, kann den Ball aber nur hoch und viel zu kurz zurückspielen. Dodin nimmt Mass und haut den Smash mit einer enormen Wucht genau auf die Linie. Das Game gehört ihr.

Der nächste Aufschlag ist nur noch Formsache. Sie gewinnt das Spiel und zieht mit 7:5, 6:7, 6:2 nach 2 Stunden 22 Minuten in die zweite Runde ein. Den Tränen nahe bedankt sie sich bei ihrer Gegnerin und schaut vollends glücklich zu ihrem Coach. „Gut gemacht!“ Auch er strahlt über beide Backen. „Das war nicht grosses Tennis, aber Hauptsache gewonnen“, murmelt er vor sich hin.

Die kleinen Schicksale sind oft viel interessanter als die Grossen. Wenn Stanislav Wawrinka am Australian Open eine Runde weiter kommt, dann verändert sich das Leben von Stan The Man kaum. Wenn aber auf Platz 15, ganz weit weg vom Glamour des Center Courts, Oceane Dodin mit ihren 20 Jahren ein Spiel am Australian Open gewinnt, dann verändert sich von einer Sekunde auf die andere ihr ganzes Leben. Statt beim nächsten Turnier wieder durch die Qualifikation zu müssen und dann bei weiteren Niederlagen zu riskieren, überhaupt nicht mehr eingeladen zu werden, ist Dodin jetzt wohl auch bei Roland Garros und Wimbledon im Hauptfeld dabei. Ein Spiel weitab des Glamours mit grosser Wirkung. “Sein oder nicht sein” in einem auf den ersten Blick hundsgewöhnlichen Erstrundenspiel in Melbourne.

12 in 12 – Ich habe ein Smartphone, also bin ich

Ich habe ja auch ein Smartphone und kann mir kaum vorstellen, ohne das Gadget zu leben. Ich fühle mich fast hilflos, wenn der Akku meines geliebten iPhones auf Null ist. Das gebe ich gerne zu.  Doch es muss Grenzen geben. Ich habe das Gefühl, dass dieses kleine Ding Schuld daran ist, dass wir nicht mehr miteinander sprechen, und was fast noch schlimmer ist, dass wir nicht mehr in der wunderschönen Welt leben, die direkt vor uns liegt, sondern in der Welt des kleinen Screens.

Das ist nicht nur in unseren Breitengraden so, sondern ich sehe das überall, wo ich hinschaue und hinkomme. Als ich gestern auf der Tribüne des Australian Open sass und vom fünften Satz des packenden Spiels zwischen dem Amerikaner John Isner und dem Deutschen Mischa Zverev in den Bann gezogen wurde, war mein Sitznachbar seit einer halben Stunde in irgend einen Chat auf seinem iPhone vertieft. Das durfte doch wohl nicht sein. Da gibt es Hochspannung pur direkt und live vor ihm und er spielt ununterbrochen mit seinem Telefon..

Noch krasser verhielten sich unsere Tischnachbarn aus Japan in einem Restaurant in Buenos Aires. Während ihm seine Partnerin ihr Herz ausschüttete, spielte der Typ munter auf seinem Galaxy irgend ein Mortal Combat Spiel. Er schaute nicht mal vom Bildschirm auf, geschweige denn gab er eine Antwort zurück und das während des gesamten Mittagessens. Sowas hatte ich noch nie gesehen. Die beiden waren dabei nicht etwa mitten in einem Streit, sondern es schien sich um ein ganz einfaches “Gespräch ” zu handeln. Am schockierendsten daran war, dass ihr das wenig auszumachen schien. So läuft die Konversation bei denen wohl immer ab.

Gespräche ohne Augenkontakt, den Daumen immer auf dem Bildschirm des Smartphones, jederzeit bereit, alles stehen und liegen zu lassen für die Anweisungen, die einem das Telefon gibt. Das geht zu weit. Diese Angewohnheit, eine Whasapp-Nachricht immer sofort beantworten zu müssen, auch wenn man gerade in ein Gespräch vertieft ist, ist schon eine Unart. Ja, ich hasse es auch, wenn ich ein wichtiges Email schreibe, und die Antwort auf eine einfache Frage erst zwei Tage später kommt, wenn ich sie nicht mehr brauche. Doch als Grundregel sollte gelten, dass das richtige Leben vor dem Leben auf dem Bildschirm kommt. Dein Gegenüber fühlt sich nämlich wie ein Stück Dreck, wenn Du eine willkürliche Nachricht beantwortest, dazu vielleicht noch entspannst lachst, weil das so lustig war, was dir geschickt wurde, während sich dein Gesprächspartner Däumchen drehend überflüssig vorkommt.

Untersuchungen zeigen, dass je mehr der Partner in einer Beziehung das Smartphone benutzt, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit eines Breakups ist. Auch interessant: Viele Partner sind eifersüchtiger auf das Smartphone als auf einen Konkurrenten aus Fleisch und Blut. Das Smartphone ist nicht nur ein Relationship Killer, sondern schadet der Interaktion unter uns allen. Eine Studie hat ergeben, dass die Empathie der Jugendlichen in den letzten zehn Jahren drastisch nachgelassen hat. Ein Zeichen unserer Zeit, das mir gar nicht gefällt. Mehr Gefühl und weniger Technologie. Irgendwie wärs schön. “Smartphone ergo sum” sollte nicht unser Mantra sein.

12 in 12 – Mind the Gap

Die Wellen schlagen gegen die Klippen, das Wasser ist kristallklar, der Wind weht kräftig und die Luft riecht gut, irgendwie nach Freiheit. The Gap ist ohne Frage einer der schönsten Plätze in Sydney. Gleich hinter der Watson Bay, nur einen kurzen Trip mit der Fähre vom Sydney Harbor, liegt der Teil eines Nationalparks, der zu einem romantischen Spaziergang einlädt.

Ich geniesse die Aussicht und denke, hier kann man so richtig in sich gehen und das Leben geniessen. Da stosse ich auf ein eigenartiges Schild. “Hold onto HOPE. There is always HELP.” steht da drauf. Was ist das denn. Das hört sich irgendwie nach Religion oder Sekte an. Was hat so ein Schild denn hier auf dem schönen Wanderweg zu suchen?

Bei genauerer Betrachtung wird schnell klar, dass es sich hier nicht um die Botschaft einer Sekte handelt, sondern um ein von der Stadt aufgestelltes Schild, das die Leute davon abhalten über die Klippen in den Tod zu springen. Oops…

Ein paar Meter vom Schild entfernt steht eine Notrufzelle. “This phone offers a Lifeline” steht da. “Are you thinking of suicide? You are not alone. Talk to someone you trust or call Lifeline” geht es weiter.  Soviel zur guten Stimmung und zur lebensbejahenden Wirkung der Klippen von The Gap. Ich befinde mich tatsächlich genau an dem Ort, an dem sich in Australien die meisten Leute das Leben nehmen. The Gap ist weltweit einer der zehn Orte mit den meisten Selbstmorden. Nur die Golden Gate Bridge in San Francisco und der Aokigahara Forest in Japan liegen in dieser Statistik  vor The Gap. Jährlich sollen sich hier mindestens 50 Menschen das Leben nehmen. Mir läuft ein kalter Schauer den Rücken hinunter und mir wird weich in den Knien. Tatsächlich merke ich erst jetzt, dass die Klippen überall mit Zäunen abgesperrt sind und dass es überall Überwachungskameras gibt.

Um weiteres Unheil am The Gap zu verhindern, hat die Regierung gerade eine hohe Summe gesprochen, um Bewegungsmelder und andere Sicherheitsvorkehrungen zu installieren. Doch ich befürchte, dass sich jemand, der den Entschluss gefasst hat, seinem Leben ein Ende zu setzen, davon nicht abhalten lassen wird.

12 in 12 – Ich nehme mir ein Buch

Ein Büchergestell an einer Hauswand in Bondi Beach. Lord of the Rings, „The Long Goodbye“ von Raymond Chandler, “Tropic of Cancer” von Henry Miller, ein Buch über die Geschichte des Surfens und sogar „Sofia, der Tod und ich“ von Thees Ulmann auf Deutsch. Nicht schlecht, die Auswahl. Ich schaue mich um, wo der Eingang für den Buchlanden ist, denn den Ulmann würde ich mir gerne kaufen. Ich suche vergebens.

Abgesehen vom Eingang eines Fischrestaurants finde ich nichts, das nach einem Laden aussieht. Ich frage einen Passanten, ob er weiss, wo diese Bücher hingehören. „Ach, das ist die Street Library. Die Bücher kannst Du einfach nehmen, Mate und im Gegenzug wieder eins hinstellen. Wenn Du gerade keins dabei hast, kannst Du das auch später machen“ sagt er. Ganz umsonst nach dem Honour System. Nein, echt? Das ist ja der Hammer.

Ins Leben gerufen wurde das Projekt in Sydney im November 2015. Mittlerweile gibt es über hundert dieser Street Libaries. Manchmal sind es kleine, vogelhausähnliche Gestelle, mit nur zehn Büchern, dann wieder mehrere Regale aneinandergereiht mit hunderten von Romanen und Sachbüchern. So eine schöne Sache. Ein Fenster in die Seele der Nachbarschaft sozusagen. Du siehst, was Dein Quartier liest und denkt, wofür man sich interessiert und kannst daran teilnehmen.

Sowas sollte man echt überall machen. Warum eigentlich nicht? Nichts spricht dagegen, finde ich aber wirklich gar nichts.

12 in 12 – Pfui Spinne?

Australien hat sie alle. So gut wie jedes gefährliche Tier kriecht oder läuft hier irgendwo rum, Toll. Das gilt ganz besonders für die lieben Spinnen. Ob Redback, Funnel Web oder Huntsman – Australien ist mit ihnen gesegnet – im Überfluss.

Spinnen waren noch nie meine Lieblingstiere. Ich kann mich gut daran erinnern, wie ich als Kind fast durchgedreht bin, wenn sich eine der riesigen schwarzen Hausspinnen bei mir im Zimmer verkrochen hatte und ich nicht genau wusste, wo sie war. Über die Jahre habe ich meine Abneigung allerdings etwas abgelegt. Spinnen sind ja auch nur Tiere.

Als ich in Syndey das Plakat für die Ausstellung: “Spiders, Alive and Deadly” im Australia Museum sah, wusste ich, dass ich da hin musste. 400 gefährliche Spinnen auf einem Haufen und zwar lebendig. Da kann einem schon mal etwas mulmig zu Mute werden.

Tatsächlich läuft einem ein kalter Schauer den Rücken herunter, wenn einem die Huntsman-Spinne, die einer Vogelspinne ähnlich sieht und bis zu 30 Zentimeter Spannweite haben kann, sozusagen auf der Nase herumtanzt, einen ansieht und sagt: Du bis machtlos gegen mich… Die Funnel Web hingegen, die wohl die gefährlichste aller Spinne, sieht gar nicht so übel aus. Doch mit ihr ist nicht zu Spassen.

Ich bin beeindruckt, wie spielerisch die australischen Kinder in der Ausstellung mit den “Creepy Crawlies” umgehen. Kein Wunder, sie sind ja mit den Tieren aufgewachsen. “Look daddy, a Huntsman…just like at home”.  Die gefährlichsten Spinnen gibt es nämlich nicht etwa irgendwo im Outback, wo es niemanden schert, sondern in Sydney und Melbourne. Mitten in der Stadt.  Spinnen mögen die Nähe der Menschen und halten sich, warum auch immer gerne in Schuppen und Lagerhallen auf. Sie springen, hüpfen, rennen und beissen.

Der Höhepunkte der Ausstellung ist neben dem Giftmelken durch einen Wissenschafltler der Spinnentunnel, in dem man von hunderten von Spinnen umzingelt ist. Hoffentlich fällt mir da keine auf den Kopf.  Nichts für schwache Nerven.

Auf dem Weg zum Bus nach der Ausstellung quer durch den botanischen Garten bin ich besonders aufmerksam, wenn ich zwischen den Sträuchern hindurch husche. Mein Gott, da gibt es ja Spinnen und Spinnennetze en masse. Hunderte…Krasse Sache.

Keine Ahnung, ob die Dinger giftig sind, doch eine Mischung aus Faszination, Bewunderung, Respekt und etwas Angst mischt sich im Blut, als ich mit meiner Kamera so nahe wie möglich an die Spinnen rangehe.

Redback, Funnel Web, Wolf Spider, Huntsman, sie alle sind durchaus  gefährlich – auch für den Menschen. Doch wie so oft zeigt die Statistik, dass all die Angst und Räubergeschichten extrem übertrieben sind.

Im April ist an der Ostküste Australiens tatsächlich jemand wegen dem Biss einer Red Back Spider gestorben. Es war der erste tödliche Spinnenbiss seit 37 Jahren.