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12 in 12 – Ich habe ein Smartphone, also bin ich

Ich habe ja auch ein Smartphone und kann mir kaum vorstellen, ohne das Gadget zu leben. Ich fühle mich fast hilflos, wenn der Akku meines geliebten iPhones auf Null ist. Das gebe ich gerne zu.  Doch es muss Grenzen geben. Ich habe das Gefühl, dass dieses kleine Ding Schuld daran ist, dass wir nicht mehr miteinander sprechen, und was fast noch schlimmer ist, dass wir nicht mehr in der wunderschönen Welt leben, die direkt vor uns liegt, sondern in der Welt des kleinen Screens.

Das ist nicht nur in unseren Breitengraden so, sondern ich sehe das überall, wo ich hinschaue und hinkomme. Als ich gestern auf der Tribüne des Australian Open sass und vom fünften Satz des packenden Spiels zwischen dem Amerikaner John Isner und dem Deutschen Mischa Zverev in den Bann gezogen wurde, war mein Sitznachbar seit einer halben Stunde in irgend einen Chat auf seinem iPhone vertieft. Das durfte doch wohl nicht sein. Da gibt es Hochspannung pur direkt und live vor ihm und er spielt ununterbrochen mit seinem Telefon..

Noch krasser verhielten sich unsere Tischnachbarn aus Japan in einem Restaurant in Buenos Aires. Während ihm seine Partnerin ihr Herz ausschüttete, spielte der Typ munter auf seinem Galaxy irgend ein Mortal Combat Spiel. Er schaute nicht mal vom Bildschirm auf, geschweige denn gab er eine Antwort zurück und das während des gesamten Mittagessens. Sowas hatte ich noch nie gesehen. Die beiden waren dabei nicht etwa mitten in einem Streit, sondern es schien sich um ein ganz einfaches “Gespräch ” zu handeln. Am schockierendsten daran war, dass ihr das wenig auszumachen schien. So läuft die Konversation bei denen wohl immer ab.

Gespräche ohne Augenkontakt, den Daumen immer auf dem Bildschirm des Smartphones, jederzeit bereit, alles stehen und liegen zu lassen für die Anweisungen, die einem das Telefon gibt. Das geht zu weit. Diese Angewohnheit, eine Whasapp-Nachricht immer sofort beantworten zu müssen, auch wenn man gerade in ein Gespräch vertieft ist, ist schon eine Unart. Ja, ich hasse es auch, wenn ich ein wichtiges Email schreibe, und die Antwort auf eine einfache Frage erst zwei Tage später kommt, wenn ich sie nicht mehr brauche. Doch als Grundregel sollte gelten, dass das richtige Leben vor dem Leben auf dem Bildschirm kommt. Dein Gegenüber fühlt sich nämlich wie ein Stück Dreck, wenn Du eine willkürliche Nachricht beantwortest, dazu vielleicht noch entspannst lachst, weil das so lustig war, was dir geschickt wurde, während sich dein Gesprächspartner Däumchen drehend überflüssig vorkommt.

Untersuchungen zeigen, dass je mehr der Partner in einer Beziehung das Smartphone benutzt, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit eines Breakups ist. Auch interessant: Viele Partner sind eifersüchtiger auf das Smartphone als auf einen Konkurrenten aus Fleisch und Blut. Das Smartphone ist nicht nur ein Relationship Killer, sondern schadet der Interaktion unter uns allen. Eine Studie hat ergeben, dass die Empathie der Jugendlichen in den letzten zehn Jahren drastisch nachgelassen hat. Ein Zeichen unserer Zeit, das mir gar nicht gefällt. Mehr Gefühl und weniger Technologie. Irgendwie wärs schön. “Smartphone ergo sum” sollte nicht unser Mantra sein.

12 in 12 – Städterating Buenos Aires

Das ist der letzte Eintrag aus Buenos Aires. Der Moment, die Stadt zu bewerten, ist gekommen.

Ein Monat ist nicht viel Zeit, doch genug, um einen Eindruck zu gewinnen, wie eine Stadt tickt. Deshalb haben wir ein Städterating erarbeitet, das sich von den gängigen Modellen der Mercers dieser Welt unterscheidet. Wir achten weniger auf das Bildungssystem, das politische Umfeld und das Gesundheitssystem, sondern mehr auf Faktoren, die eine Stadt einzigartig machen. Das Rating in neun Kategorien geht von 1 (schlecht) bis 10 (grandios) und spiegelt unser rein subjektives Empfinden:

Die Leute: 7

Die Portenos sind nicht ganz leicht zu knacken. Doch wenn man ihnen einmal gezeigt hat, dass man nicht nur ein “doofer Tourist” ist, dann werden sie charmant und redselig. Auf jeden Fall sind sie total “real”.

Kulturelles Angebot: 8

Das war die grösste Überraschung. In Buenos Aires gibt es immer was spannendes zu tun. Ob klassische Musik, Tangoveranstaltungen, Theater, Popkonzerte oder Kunst an sich. Buenos Aires hat die Nase im Wind. Dazu kommt, dass fast alles umsonst ist. Gratis und franko. Das Centro Cultural Kirchner ist die beste Kulturinstitution, die ich irgendwo auf dieser Welt kenne. Dazu das Centro Cultural Recoleta und das Glück ist perfekt.

Food: 7

Dass es hier das beste Fleisch der Welt gibt, ist nicht nur ein Klischee. Dazu kommen leckere Pizzas, Pasta, Salate und Empanadas.D ie Atmosphäre ist immer familiär. Toll!  Auch internationale Küche fehlt nicht. Doch da gibt es noch etwas Nachholbedarf.

Preisniveau: 7

Nach Mexico City hat es im Vergleich jede Stadt schwer. Doch wer etwas aufpasst, was er kauft, der kommt in Buenos Aires mit wenig Geld durch. Die Metro kostet weniger als 50 Cent und ein mega fettes Steak gibt es für 15 Euro.

Öffentlicher Verkehr: 5

Da gibt es Verbesserungsmöglichkeiten. Die U-Bahn fährt nur bis 23 Uhr und das Fahrradsystem ist ein Albtraum. Doch Uber und die Zuverlässigkeit des ÖV insgesamt machen das Ganze immerhin deutlich besser als in Rom.

Wetter/Klima: 8

Jetzt ist hier Sommer und das Klima ist perfekt. Doch in BA ist es das ganze Jahr über mild. Im Winter regnet es zwar recht oft, doch draussen Sitzen ist auch dann noch immer möglich.

Sicherheit: 7

Buenos Aires hat keinen sehr guten Ruf, wenn es um Sicherheit geht. Doch davon haben wir überhaupt nichts gespürt. Wir haben uns pudelwohl gefühlt.

Fun/ Feel-Good-Faktor: 8

Hier ist immer was los. Spass lauert sozusagen an jeder Ecke und zu Hause fühlt man sich auch. BA ist auch ein wenig The city that never sleeps…

Coolness/Kreativität: 7

Hier vibriert es. Die Leute sind cool drauf, ziehen sich auch gerne mal schön an und man merkt, dass hier viele Künstler und sonstige Kreative zu Hause sind. Kultur liegt den Leuten hier im Blut.

Gesamtergebnis: 64 Punkte

Hier der Vergleich zu den anderen Städten. Ganz knapp hat es nicht für den Spitzenplatz gereicht. Platz drei im Moment.

Next stop: Sydney

12 in 12 – Buenos Aires – Ein kleiner Reiseführer

Food steht Buenos Aires im Mittelpunkt. Wer denkt, Fleisch schmecke zu Hause genau so gut, wie hier, der liegt falsch. Hier sind die besten Restaurants in Buenos Aires:

La Cabrera

Das Steakhaus in Palermo Soho ist zwar in so gut wie jedem Reiseführer. Doch das hat seinen guten Grund. Bei Cabrera gibt es die besten Steaks. Das Ojo de Bife ist ein Traum. Kleiner Tipp: Wer um 6:30 kommt, der kriegt 40% auf alles, ja wirklich alles.

El Trapiche

Bei El Trapiche fühl sich jeder wohl. Die Portionen sind gigantisch und alles ist klassisch und gut. Die Lasagne und das Milanese sind besonders empfehlenswert.

Nuestra Parilla

Ein Wort: Choripan: Ein Brötchen mit einer gegrillten Chorizo. Ein Gedicht. Dieser kleine Stand in San Telmo, der sich auf die Wurst spezialisiert hat, schlägt sie alle. Choripan ist das Grösste. Etwas Chimichurri drauf und weg damit. Nuestra Parilla rocks.

Yeite

Yeite hab ich euch ja bereits vorgestellt. Pamela Villars kleines Restaurant heilt alle, die eine Überdosis Steak eingefangen haben und mal was Anderes möchten.

Güerrin

Dann noch die ultimative argentinische Pizza von Güerrin. Der Ofen läuft seit 80 Jahren ununterbrochen. Einfach nur lecker.

 

12 in 12 – Schmeckt’s wirklich so gut?

Ist es euch auch schon mal so gegangen, dass ihr in den Ferien was neues entdeckt und euch das so gut schmeckt, dass ihr davon gleich was mit nach Hause nehmt? Ihr seid felsenfest davon überzeugt, dass ihr was gefunden habt, das ihr von jetzt an jede Woche essen oder trinken werdet. Ganz bestimmt.

Dann kommt ihr nach Hause und merkt, dass euch die vermeintliche Köstlichkeit überhaupt nicht mehr schmeckt. Sie wandert erst in den Kühlschrank, dann nach ganz hinten im Kühlschrank un zu guter letzt meist in den Papierkorb.

Ich kann mich noch erinnern, als ich in Griechenland vor ein paar Jahren zum Essen immer Ouzo getrunken habe. Das schmeckte so wunderbar. Gleich eine Flasche gekauft, versteht sich und dann…zu Hause habe ich den Ouzo nicht mehr angefasst. Ähnlich ging es in Südafrika mit dem Roibos-Tee. Wie lecker fand ich den und als ich den Teebeutel zu Hause ins Wasser sinken liess, konnte ich den Geruch schon nicht ausstehen, geschweige denn den Geschmack.

Schaut doch mal bei euch im Likörschrank oder der Vorratskammer. Ich bin mir sicher, dass ihr da einige solche Fundstücke habt.

Jetzt hab ich wieder was gefunden, von dem ich überzeugt bin, dass das für immer und ewig zu meinen Favoriten gehören wird: Dulche De Leche. Diese karamellartige Creme aus Milch, Zucker und Vanille ist sowas von Lecker. Vor allem als Glacé-Geschmack aber auch als Brotaufstrich, im Milchreis oder im Kuchen gibt es für mich nichts Besseres als das braune Gold Namens Dulche de Leche.

Entstanden ist Dulche De Leche der Legende nach in Argentinien per Zufall. Die Köchin des argentinischen Diktators Joan Manuel De Rosas vergass irgendwann im 19.Jahrhundert einen Topf mit Milch und Zucker (für den Mate-Tee) auf der Feuerstelle  Sie fand dann eine braune Creme, die ihr Dienstherr und sein Gegner Juan Lavalle dann bei einem Zusammentreffen zu Friedensgesprächen ratzeputz aufassen.

Jetzt frage ich mich, wieviele Töpfe Dulche de Leche ich mir kaufen soll. Möglichst viele sagt mein Herz. Doch mein Verstand weiss: Das wird wieder so eine dieser Dinge sein, die einem hier schmecken und zu Hause dann im Schrank verrotten.

12 in 12 – It Takes Two to Tango

“Tango is a vertical expression of a horizontal desire”,  hat schon der englische Schriftsteller George Bernard Shaw gesagt. Das übersetze ich jetzt nicht und lasse es einfach mal so stehen.

Ich will mir gar nicht anmassen, in nur einem Monat zum Tangoexperten avanciert zu sein. Ich bin weit davon entfernt, besonders wenn es um die eigenen Fähigkeiten des Tango tanzen geht. Meilenweit um ehrlich zu sein. Doch eins weiss ich: Tango ist eine Kunstform, die der klassischen Musik und dem Ballett nicht im Geringsten nachsteht.

Ich habe die Grössen des Tangos singen gehört, die Meister des Bandoneons spielen sehen dürfen, Milongas, wie die Tangoparties hier heissen,  besucht und Tanzprofis bestaunt. Tango ist grossartig. Ich hatte bis jetzt immer gedacht, das Bandoneon sei ein unnützes Instrument, das nur für Schunkelveranstaltungen geeignet ist. Doch da muss ich meine Meinung aber sowas von revidieren. Wer ein Tango-Orchester live erlebt und die Leidenschaft, Lust und das Feuer spürt, der weiss, dass das Bandoneon seinen Platz gefunden hat und zwar im Tango.

Tango-Tänzer strahlen Stolz aus, wie kaum jemand anderes. Ein alter Mann, der zuvor gebrechlich auf seinem Stuhl sitzt, ist wie verwandelt, wenn er über die Tanzfläche stolziert. Aus einer verlorenen Seele wird ein feuriger Draufgänger. Der Kampf zwischen Mann und Frau, das hin- und her, die Verzweiflung und die Sehnsucht, das Verlangen und die Wut, das Anklagen und das Flehen, die Herausforderung und die Zurückweisung, der Misserfolg und der Erfolg. Das alles spürt man, wenn man den Tango erlebt und zwar schon beim Zuschauen.

Entstanden ist der Tango übrigens Ende des 19. Jahrhunderts in Buenos Aires. Seit 2009 ist er sogar UNESCO-Weltkulturerbe. So richtig los ging es in den 30er Jahren, als Carlos Gardel den Tango der Welt nahe brachte. Argentinien boomte damals als Getreide- und Fleischlieferant für Europa. Die Leute hatten genügend Geld, das Radio verbreitete die Musik bis ins hinterste und letzte Dorf und an jeder Ecke schossen die Tangoclubs aus dem Boden. Bis heute ist Tango im Blut jedes Argentiniers.

Richtig Tango tanzen werde ich wohl nie können. Doch der Tango hat  einen Patz in meinem Herzen sicher. Astor Piazolla und Carlos Gardel “worked their magic.”

Und hier noch Tango-Stunden mit Barack Obama:

12 in 12 – Die heilige Gesichtscreme

Zu sagen, dass das eine heilige Gesichtscreme ist und dass sie vom Papst persönlich empfohlen wird, wäre zwar übertrieben, doch auch nicht total falsch. Ich traue meinen Augen nicht, als ich in der Eingangshalle der Basilica Menor de San Francisco Monserrat ein kleines Geschäft entdecke. In der Vitrine vor dem Laden steht neben kleinen religiösen Andenken auch ein Topf mit Gesichtscreme. Komisch, denke ich, die verkaufen Kosmetika in einer bedeutenden Kirche. Dem muss ich auf den Grund gehen.

Die Franziskanerkirche steht nur einen Steinwurf von der grossen Kathedrale, in der Papst Franziskus als Erzbischof von Buenos Aires amtete. Der Papst war den Franziskanern und der Kirche immer sehr verbunden. Schliesslich wählte er seinen Namen nach Franz von Assisi.

Aber zurück zu der Gesichtscreme. Im Laden ist gerade ein älterer Herr dabei, sechs Töpfe der Gesichtscreme zu kaufen. Er erklärt uns, dass die Creme der Grund sei, warum er noch immer so jung aussehe.  Schon beeindruckend. Das Wundermittel werde von Franziskanermönchen weit ausserhalb von Buenos Aires in einer kleinen Abtei hergestellt. Auch das Royal Jelly, das hier in Pillenform verkauft wird, habe eine grosse Wirkung – auch das stammt alles von den Franziskanermönchen.

Der Verkäufer im Laden pflichtet dem Herrn bei. Er ist zurückhaltend und unglaublich nett. Er erklärt uns, dass es die Creme nur hier gebe und dass die Leute von weit her kommen, um sie zu kaufen. “Das ist bestimmt teuer” denke ich. Doch weit gefehlt. Ein Topf des Wundermittels kostet umgerechnet gerade mal 4 Euro. Na dann, schaden kann es ja nicht. Meine Frau schlägt zu. Vier Töpfe gehen über den Ladentisch. Der ältere Herr freut sich und verspricht uns, dass wir den Entscheid nicht bereuen werden. Der Verkäufer packt alles schön säuberlich ein und schenkt uns noch ein Glas Honig. “Der schmeckt nur gut und kann sonst nichts” sagt er.

Ich bin gespannt, wie die Creme wirkt. Die Inhaltsstoffe jedenfalls sind alle natürlich und ohne Konservierungsstoffe. Wie gesagt, schaden kann es ja kaum was und wer weiss. Nicht dass ich besonders gläubig bin. Doch wenn so ein Laden in einer renommierten Kirche seinen Platz haben darf und die Preise so tief sind, dass das bestimmt kein grosses Geschäft ist, dann kann man schon mal schwach werden. Falls es wirklich was nützt, halte ich Euch natürlich auf dem Laufenden.

12 in 12 – Rosas grosser Tag

Es ist ihr grosser Tag. Rosa hat das Design-College in Buenos Aires abgeschlossen. Endlich: Graduation. So wie Rosa feiern im Moment in Buenos Aires Tausende ihren grossen Erfolg .School’s out! An jeder Ecke sind die Feiern im Gange. Doch was heisst da Feiern? Hier in Buenos Aires gibt es keine Ballons, keine Ansprachen und es knallen keine Korken, sondern es wird gelitten.

Freunde und Bekannte von Rosa warten vor der Schule. Sie sind beladen mit Konfetti, Eiern, Mehl, Ketchup, Mayonnaise, Milch, Yerba Mate und allem anderen, was eine möglichst grosse Sauerei macht.

Rosa kommt raus und sie weiss, was sie erwartet. Sie wird mit all den Köstlichkeiten überschüttet. Das Mehl wirbelt durch die Luft, die Milch wird ihr über den Kopf gegossen, irgend etwas Schleimiges kommt dazu, dann wieder Mehl und Ketchup und Mayonnaise. Rosa weiss, dass sie da durch muss. Schliesslich ist sie jetzt erwachsen.

So wird in Argentinien der grosse Erfolg gefeiert. Das soll Glück bringen, ist für viele aber ein Albtraum – aber eben, Tradition. Ich schaffe es gerade noch ungeschoren davon zu kommen und denke mir: zum Glück ist mir das nie passiert. Doch Rosa scheint irgendwie  Spass daran  zu haben. Denn den Erfolg kann ihr niemand mehr nehmen, auch mit Eiern und Schleim in jeder Pore. Rosa ist überglücklich.

12 in 12 – Eine Ode an Carlos Tevez

 

 

 

Über zehn Jahre ist es her, als ich den Namen Carlos Tevez zum ersten Mal gehört habe. Ich erinnere mich gut daran. Ich sass auf dem Rücksitz eines Taxis in Buenos Aires. In der argentinischen Zeitung Clarin stand, dass der Boca-Juniors-Superstar Carlos Tevez eventuell zu Bayern München wechselt. Der Taxifahrer meinte, dass das eine Falschmeldung sei. Sein “Carlitos”, wie Tevez hier liebevoll genannt wird, werde sicher nicht nach Deutschland wechseln. So war es dann auch. Tevez wechselte Anfang 2005 zum brasilianischen Spitzenteam Corinthians.

Der Taxifahrer fuhr mich direkt zur Bonbonera, dem legendären Stadion der Boca Juniors. Dort war die Hölle los. Diego Armando Maradona, auch ein ehemaliger Boca-Spieler, sass im Stadion.  Boca spielte gegen Velez. Carlos Tevez schoss den Gegner im Alleingang ab. Es war beeindruckend, ihn mit dem Ball tänzeln zu sehen, zuzuschauen wie er sich durch die  Abwehrreihen des Gegners tankt und jede Torchance eiskalt ausnutzte. Ein Vollblutstürmer, der sich nicht zu schade ist, auch mal weite Wege zu gehen.

Ich war gespannt, wo der begnadete Fussballer, der damals gerade mal 20 Jahre alt war, landen würde. Nie und nimmer hätte ich zu träumen gewagt, dass Tevez, der in Brasilien gar nicht glücklich war, zu meinem Verein West Ham United wechseln würde. Ich lebte zu dieser Zeit in London und hatte ein Season Ticket für West Ham. Da kam der Knaller. Tevez und der damals total unbekannte Verteidiger Javier Mascherano (heute Stammspieler bei Barcelona), standen wie aus dem Nichts bei West Ham unter Vertrag. Kein Scherz, sondern Tatsache. Das kleine West Ham hatte den grossen Calritos geholt.

West Ham sah wie der sichere Absteiger aus, als Carlos Tevez als Retter in der Not kam. Er spielte sich in die Herzen der Fans und wirbelte auf dem Platz herum, als gäbe es kein Morgen. Tevez, der Fussballgott…Er schoss unter anderem den Siegestreffer im allerletzten Spiel auswärts gegen Manchester United, der uns in allerletzter Sekunde den bitteren Abstieg ersparte. Es war so schön. Danke Carlitos.

Nach nur einer Saison war die Herrlichkeit vorbei. Tevez wechselte zu ManchesterUnited, dann zu Man City und zu Juventus Turin. Für die Juve schoss er in zwei Saisons (2013/2015) allein in der Liga mal so eben 40 Tore. Doch Tevez hatte Heimweh. Er wollte zurück nach Buenos Aires zu seinen geliebten Boca Juniors. Das kam dann auch so und  dort spielt er jetzt auch noch.

Carlitos und ich wieder mal in der gleichen Stadt. Im Derby vor einer Woche gegen River Plate, dem sogenannten Superclassico, drehte Tevez das Spiel, als wäre es die einfachste Sache der Welt, im Alleingang. Zwei Tore und eine Vorlage war seine Ausbeute. Vor der Bonbonera steht mittlerweile eine Statue von Carlitos. Sie lieben ihn hier und wer kein Boca-Fan ist, der respektiert ihn. Für viele Einheimische ist er der beste argentinische Fussballer aller Zeiten. Ein hohes Lob, wenn man bedenkt, dass es noch Namen wie Messi und Maradona gibt.

Die Geschichte hat nur ein halbes Happy End. Tevez hat gestern hier sein letztes Spiel gespielt. Der chinesische Verein Shanghai Shenhua hat den Argentinier unter Vertrag genommen. Rund 1 Million Euro wird er dort verdienen und das pro Woche. Das macht ihn zum best bezahlten Fussballer der Welt. Bei jedem anderen Fussballer hätte ich den Kopf geschüttelt. Doch dem mittlerweile 32 Jahre alten Carlos Tevez kann ich vieles verzeihen, denn der Vollblutfussballer, der in jedem Spiel ohne Ausnahme 100% gibt, hat mir und so vielen anderen viel viel Freude bereitet.
Eine kleine Kostprobe:
https://www.youtube.com/watch?v=KVp_P00YMWE

12 in 12 – Es wird Musik gemacht

Die Tür der U-Bahn, die in Buenos Aires Subte heisst,  geht auf. Ein junger Typ steigt ein, wohl Mitte 20 mit langem, etwas zotteligem Haar. Er hat eine Gitarre und einen kleinen Verstärker dabei und stellt sich im ohnehin schon vollen Wagen auf. Er legt gleich los und spielt eine jämmerliche Version von Hey Jude, die bei Paul, George, John und Ringo wohl Kopfschmerzen verursacht hätte.

Hoffentlich ist das bald vorbei, denke ich. “And anytime you feel the pain, hey Jude, refrain”. schallt es mir entgegen. Ja genau, ich spüre den Schmerz, doch ich halte mich zurück, den Blick gesenkt zum Boden. Es kann ja nicht mehr lange dauern. “Take a sad song and make it better”…leider nicht.

Und jetzt noch das “Nah nah nah nah nah nah, nah nah nah, hey Jude
Nah nah nah nah nah nah, nah nah nah, hey Jude”. Tribunales – die nächste Haltestelle kommt und Hey Jude nimmt ein abruptes Ende. Ich schaue in die Runde und fange die Blicke ein. Doch meine Mitfahrer scheinen im Gegensatz zu mir überhaupt nicht genervt zu sein. Im Gegenteil. Sie applaudieren anständig und kramen aus ihren Portemonnaies etwas Geld. Der Sänger sammelt seine Beute dankend ein, verlässt den Wagen und steigt einen weiter hinten wieder ein.

Komischerweise bin ich überhaupt nicht erleichtert, dass der Beatles-Impersonator nicht mehr da ist. Im Gegenteil. Ich fühle mich etwas schuldig. Die Toleranz und die freundliche, soziale Einstellung meiner Sitznachbarn hat mich beeindruckt. Das kennen wir gar nicht mehr so richtig. Wenn bei uns jemand Musik macht in der U-Bahn oder sonst wo, dann muss der so richtig gut sein, sonst wird er meistens mit verachtenden Blicken gestraft. Hier hingegen gibt es Anerkennung und Mitgefühl – egal wie gut einer ist.

Ich bleibe zwar dabei, dass die Version von Hey Jude, die der Crooner hier hingelegt hat, lausig war. Doch nach dem Motto “leben und leben lassen” ist es schön, dass man hier in die Schuhe des anderen schlüpft und Respekt zeigt. In einem U-Bahn-Wagen zu singen, ist ja schliesslich auch kein einfacher Job. Schon etwas fehl am Platz, so wie ich den Miesepeter zu spielen.

PS. In der Subte gibt es übrigens Musik an jeder Ecke. Meistens sind die Performer auch echt gut. Es gibt Leute, die sagen, nirgends seien die Strassenmusiker von so hoher Qualität wie hier. Und noch ein grosses Plus: Bisher habe ich in Buenos Aires noch keine Panflöte gehört!!!

12 in 12 – Ruhig ist es hier

Der Cementerio de la Recoleta in Buenos Aires, für mich der schönste Friedhof der Welt, hat eine ganz besondere Aura. Er macht nachdenklich und komischerweise auch ein klein wenig euphorisch. Hier spielt Zeit keine Rolle und hier ist es ruhig. Obschon einige der Grabstätten mit Spinnweben eingehüllt sind und die Särge einfach so rumstehen, ist mir hier nicht schummrig zu Mute. Ein Ort der Besinnlichkeit, aber auch der Inspiration. Da Bilder mehr sagen als 100o Worte: Hier ein paar Impressionen.