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12 in 12 – Cinema Farnese – Kapitel 7

Hier ist es endlich. Das letzte Kapitel des Krimis Cinema Farnese:

Cinema Farnese

Ein Fall für Alfredo Conte

Kapitel 7

Inspektor Alfredo Conte hatte die Puzzleteile fein säuberlich zusammengesetzt. So sah es aus.

Stefano Totti hatte seit Jahren ein Auge auf das Cinema Farnese geworfen. Er hatte Novelli immer wieder bearbeitet, ihm das Kino doch für seine neue Trattoria „Stefano“ zu überlassen. Als er ihm dann vor wenigen Monaten anbot, gleichberechtigter Teilhaben zu werden, wurde Novelli schwach und sagte zunächst zu. Doch nach einigen Tagen hatte Novelli, für den das Kino sein ganzes Leben war, seine Meinung geändert. Er hatte im Vertrag, den Conte bei der Hausdurchsuchung von Novellis Büro gefunden hatte, die Klausel entdeckt, dass Totti nach einem Jahr die Option hatte, ihn für 250’000 Euro aus dem Vertrag zu kaufen. Wutentbrannt hatte Novelli beim Grundbuchamt seinen Antrag zurückgezogen. Totti hatte mehrere Male versucht, Novelli umzustimmen – ohne Erfolg.

Totti wusste, dass die Erben von Novelli kein Interesse am Kino hatten. Sie waren schon lange aus Rom nach Mailand gezogen und hatten keine Zeit, sich um das Cinema Farnese zu kümmern. Totti’s Plan war, das Kino nach dem Tod von Novelli kurzerhand zu kaufen. Conte hatte Novelli‘s Tochter Roberta angerufen und von ihr erfahren, dass sich vor einigen Tagen tatsächlich jemand erkundigt hatte, ob sie Pläne für das Kino habe. Das konnte nur Totti gewesen sein.

Auch wusste Totti, dass der Bäckermeister Roberto Ginelli unsterblich in Giulianos Ehefrau Mariella verliebt war. Als Giuliano am Abend vor der Tat in der Bar Peru in aller Öffentlichkeit die Drohung gegen den Kinobesitzer aussprach, kam Totti die glorreiche Idee. Er wusste von einigen feuchtfröhlichen Abenden mit Bruno und Piselli auf der Terrasse der kleinen Wohnung von Ginelli, dass dieser, versteckt in einer kleinen Box, eine Beretta besass. Während Ginelli am Abend vor dem Mord wie immer in der Backstube war, brach Totti in die Wohnung des Bäckers ein und packte sich die Waffe.

Totti hatte mit allen Mitteln versucht, Conte auf die falsche Fährte zu bringen und die Beretta immer wieder ins Spiel gebracht. Doch einmal zu viel. Mit seiner doch sehr bestimmten Vermutung, dass die Beretta von Ginelli verschwunden sei, hatte sich Totti nur noch verdächtiger gemacht.

Nachdem Totti bei Ginelli im Kino mit seinem Plan, eine Trattoria zu eröffnen, ein letztes Mal auf Granit gebissen hatte, erschoss er ihn kaltblütig. Danach ging er direkt zu seinem Freund Piselli. Totti wusste, dass ihm der Hotelbesitzer ein Alibi geben würde. Er nützte die verzweifelte Lage Pisellis mit dem kriselnden Hotel, das baufällig war und nur noch rote Zahlen schrieb, aus. Die Rechnung ging zunächst auf. Piselli gab zu Protokoll, dass die beiden zur Tatzeit den ganzen Abend mit einer Flasche Wein bei ihm auf der Terrasse gesessen seien. Im Gegenzug lieferte Totti Piselli eine halbe Million Euro ab, mit der er dann sein Hotel umbauen konnte.

Genau da lag der Schwachpunkt in Totti‘s Plan. In dem Moment, als er Piselli an Bord holte, gab er die Kontrolle aus der Hand. Piselli konnte Totti nicht ausstehen und das nicht erst, seit er seine finanzielle Notlage ausnutzen wollte, um sich da Hotel unter den Nagel zu reissen. Totti hatte Piselli immer wieder spüren lassen, dass er ein Versager war und ihm bei jeder Gelegenheit vorgehalten, welche Fehler er mit seinem Hotel gemacht hatte. Dazu kam, dass Piselli die Geduld fehlte, mit dem Umbau seines Hotels zu warten. Er gab Totti’s Geld gleich aus, statt still zu halten, bis Gras über die Sache gewachsen war.

Piselli war es denn auch, der Alfredo Conte die Nachricht mit dem Grundbuchamt zukommen liess und den Inspektor damit auf die richtige Fährte gebracht hatte. Dabei hatte der Hotelbesitzer wohl nicht damit gerechnet, dass Conte  im Grundbuchamt auch auf seine Pläne für den Umbau des Wintergartens stossen würde. Conte hatte Piselli durchschaut und ihm das bei seinem Besuch schonungslos offenbart. Womit Conte nicht gerechnet hatte war, dass Piselli  ihm bei dieser Gelegenheit gleich noch das letzte Puzzleteil zur Lösung des Falls präsentieren würde.

Totti hatte Piselli in der Nacht nach der Tat eine weitere Aufgabe übertragen: Er sollte die Beretta verschwinden lassen. Doch das hatte Piselli nie getan. Die Forensiker identifizierten die Beretta schnell als Tatwaffe und fanden, obschon Totti die Waffe gut abgewischt hatte, noch Fragmente seiner Fingerabdrücke. Das hatte auch die letzte Zweifel an der Schuld von Stefano Totti aus dem Weg geräumt.

Inspektor Conte hatte einen weiteren Fall gelöst. Ein Fall, der ihm sehr nahe ging. Als er am nächsten Mittag seine Pizza Rosso bei Roberto Ginelli holte, kam ihm Mariella Novelli entgegen. In einer Tasche trug sie eine frische Crostata. Seit 30 Jahren war sie nicht mehr im Forno bei Roberto gewesen.  Zu schmerzhaft wäre der Besuch für beide gewesen. Sie hatte ein Lächeln auf den Lippen, drehte sich um, und warf Roberto einen scheuen Blick zu, ehe sie erhobenen Hauptes über dden Campo de Fiori stolzierte.

12 in 12 – Cinema Farnese – Kapitel 5

Cinema Farnese
Ein Fall für Alfredo Conte

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Cinema Farnese Kapitel 1
Cinema Farnese Kapitel 2
Cinema Farnese Kapitel 3
Cinema Farnese Kapitel 4

Kapitel 5

Das Ufficio Catastale war an der Via Raffaele Costisti in einem Siebzigerjahrebau untergebracht. Im Prinzip brauchte der Inspektor eine Verfügung vom Polizeipräsidenten, um pendente Anträge im Grundbuchamt einzusehen. Doch die zu besorgen brauchte zu viel Zeit. Conte kannte die Archivarin aus seiner Zeit in der Polizeischule. Sie war ihm einen Gefallen schuldig und hatte die dicken Ordner mit den jüngsten Anträgen schon bereitgelegt. Der Inspektor wusste nicht genau, wonach er suchen sollte. Es musste irgendwas mit dem Cinema Farnese zu tun haben.

Baugesuche, Kaufverträge und Umbaupläne noch und noch. Der Zeitungsstand an der Piazza Benedetto Cairoli soll zu einer Espressobar, die Apotheke an der Via Arenula zu einem der überall wie Pilze aus dem Boden schiessenden dänischen Accessoirläden von Tiger werden. Eine Schande. Als Conte schon fast aufgeben will, stösst er auf ein Schreiben, das ihn erstarren lässt: „Rückzug des Antrags zur Umfunktionierung des Cinema Farnese in eine Hosteria“ steht dort als Überschrift. Eingereicht wurde der Rückzug von Kinobesitzer Giuliano Novelli. Gemäss italienischem Recht konnte ein solcher Antrag innerhalb von 14 Tagen widerrufen werden. Das hatte Novelli, nur 24 Stunden bevor er erschossen wurde, getan.

Auf dem ursprünglichen Formular zur Umnutzung war nur Novellis Unterschrift zu finden. Kein offizieller Geschäftspartner. Doch da war es. Die Hosteria hätte den Namen „ Stefano“ tragen sollen. Hosteria Stefano, benannt nach dem Gastrozar Stefano Totti, dem die Osteria Romana und andere Restaurants gehörten und mit dem Novelli seit Jahren am gleichen Stammtisch sass? Und wenn ja, hiesse das auch, dass Totti der Mörder war? Und das nur, weil Novelli sich die Sache mit der Osteria anders überlegt hatte? Ging es also einmal mehr nur ums Geld?

Das schien zu einfach. Totti hatte ein gutes Alibi. Er war mit Hotelbesitzer Mauro Piselli den ganzen Abend auf dessen Terrasse gesessen. Das hatte Piselli bezeugt. Dazu kam, dass Roberto Ginelli, der Novelli am Abend vor dem Mord in der Öffentlichkeit bedroht hatte, ebenfalls ein Motiv hatte und durch die verschwundene Beretta zusätzlich belastet war. Das konnte der Inspektor nicht einfach so stehen lassen.

Conte musste nochmals mit Piselli sprechen. Der hatte ihm noch nicht alles erzählt. Als der Inspektor in eine kleine Seitengasse des Campo de’ Fiori einbog, um Piselli im Hotel Lunetti abzupassen, sah er an der Ecke Roberto Ginelli mit Mariella Novelli stehen. Die beiden tuschelten geheimnisvoll. Das durfte doch nicht war sein. Die Witwe von Novelli mit Ginelli? Die grosse Jugendliebe  vereint und das nur einen Tag nach dem Tod von Giuliano Novelli?

Die beiden hatten ihn nicht gesehen, und das war auch gut so. Sie sollten sich in Sicherheit wiegen. Ob sie die Tat zusammen geplant hatten, um an das Erbe von Novelli zu kommen und dann „happily ever after“ zusammen zu leben? Hatte Ginelli auf eigene Faust gehandelt und Mariella jetzt alles gebeichtet oder war Mariella die eiskalte Mörderin – die Tat als einziger Ausweg aus einer schon seit Jahren nicht mehr glücklichen Ehe?

Conte wollte nicht zu viel in dieses pikante Aufeinandertreffen hineininterpretieren. Beweise hatte er keine. Vielmehr fragte er sich, wer ihm den Tipp mit dem Grundbuchamt gegeben hatte. Wollte ihn da jemand auf die falsche Fährte führen oder war es ein stiller Helfer, der unerkannt bleiben wollte? Eins nach dem anderen. Erstmal wollte er sich Piselli vorknöpfen.

12 in 12 – Cinema Farnese – Kapitel 2

Cinema Farnese
Ein Fall fürAlfredo Conte

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Kapitel 2

„Mord im Cinema Farnese“ steht am nächsten Tag in grossen Lettern auf der Frontseite des „Messaggero“. Das Telefon von Inspektor Conte lief schon den ganzen Morgen heiss. Auch Polizeipräsident Marco Caruso hatte angerufen und kräftig Dampf gemacht. Der Fall müsse gelöst werden, aber subito. Conte hatte nicht geschlafen und gerade mal Zeit, zu Hause ein frisch gebügeltes, hellbeiges Hemd anzuziehen und bei Roscioli einen Caffè zu trinken.

Die Nachforschungen hatten bisher wenig gebracht. Roberto Ginelli, der gestern die Schüsse im Kino gemeldet hatte, war nicht mehr aufgetaucht. Die Forensiker der Polizeiwache hatten weder Fingerabdrücke noch andere Spuren gefunden, die Aufschluss über den Täter geben könnten.

Das waren die Fakten: Es gab keine körperliche Auseinandersetzung und der Schuss wurde aus nächster Nähe wahrscheinlich mit einer einer Beretta PX4 Storm mit 9mm Kaliber direkt in die Schläfe abgefeuert. Immerhin war sich Conte somit so gut wie sicher, dass der Täter das Opfer gekannt hatte. Gut möglich, dass die beiden im Kino nach der letzen Vorstellung nebeneinander sassen und etwas wichtiges zu besprechen hatten.

Der Inspektor hatte Ginelli mehrere Nachrichten hinterlassen und ihn gebeten, umgehend aufs Revier zu kommen. Warum hat er das noch nicht getan? Erst ruft er mich an und dann verschwindet er, fragt sich Conte. Roberto Ginelli und das Opfer kannten sich gut. Freunde waren sie keine. Im Gegenteil. Jeder wusste, dass Mariella Novelli nicht nur die Ehefrau des Kinobesitzers, sondern auch die grosse Liebe von Roberto Ginelli war.

Roberto hatte Giuliano nie verzeihen, dass er ihm damals, als er in Bologna die Bäckerlehre absolvierte, Mariella ausgespannt hatte. Immer wieder gab es deswegen Streit. Roberto hatte nie geheiratet und 30 Jahre darauf gehofft, dass Mariella irgendwann doch zu ihm zurück kommen wird.

Da klopft es an der Tür. “Herein” ruft Conte. Es ist Roberto Ginelli. Er habe nicht mehr warten können gestern Nacht, da er in die Backstube musste, um den Teig für die Pizza Rosso für morgen vorzubereiten. Heute früh sei dann auch zu viel los gewesen, entschuldigt er sich. Der Inspektor verkneift sich eine seiner legendären Schimpftiraden und kommt zur Sache. Er macht keinen Hehl daraus, dass er von Robertos Abneigung, ja vielleicht sogar Hass gegenüber Giuliano, weiss. Roberto läuft rot an, fängt sich aber wieder und beteuert, dass er nie und nimmer in der Lage sei, jemandem etwas anzutun. Er sei gestern Abend nur kurz vor die Tür seiner Backstube gegangen, um wie immer wenn die Glocke der Chiesa die San Pantelo Mitternacht schlägt, eine Zigarette zu rauchen. Dann der Knall aus dem Kino. Da wusste er, dass etwas Schlimmes geschehen war. Gesehen habe er nichts deutliches, nur einen Schatten, der um die Ecke Richtung Via dei Giubbonari entschwand. Allein sei er  in der Backstube gewesen und auch sonst habe er niemand getroffen.

Das reichte dem Inspektor fürs Erste. Er hatte jetzt dringenderes vor. Im Caffe Peru an der Piazza Santa Caterina della Rota traf sich das Quartier oder genauer gesagt, diejenigen, die immer alles von jedem wussten. Ein Besuch dort war meist ergiebiger, als wochenlanges Recherchieren. Der Tisch draussen vor dem Eingang war immer reserviert. Dort sassen jeweils Emanuele Bruno, der das Teatro dei Satiri führte, Mauro Piselli, dem das wunderschöne Hotel Lunetta gehörte und Stefano Totti, der Tausendsassa unter den Gastronomen der Stadt mit seiner Osteria Romana. In der Regel komplettierte Giuliano Novelli die Runde. Doch der würde dieses Mal nicht mehr dabei sein können.