12 in 12 – Einbahnstrasse – Clet Abraham

Hier im Centro Storico von Rom gibt es einen witzigen Graffitikünstler, der sein Unwesen treibt. Ist Banksy in Rom oder hat Invader, der Franzose mit den witzigen Space Invader Mosaiken, eine neue Passion?

Nein, die veränderten Verkehrsschilder sollen von Clet Abraham gesprayt werden, heisst es. Er ist ursprünglich Franzose und damit seit einigen Jahren auch in anderen Städten in Italien, sowie international in New York und London unterwegs. Auf Instagram seht ihr, was er alles so cooles macht.

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12 in 12 – Was zu Hause ist

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„Nicht da ist man daheim, wo man seinen Wohnsitz hat, sondern wo man verstanden wird“, hatte schon der deutsche Dichter Christian Morgenstern vor über 100 Jahren festgestellt.

Ich weiss nicht wie es Euch geht. Doch für mich hat der alte Herr Morgenstern damit den Nagel auf den Kopf getroffen. Zu Hause zu sein, sich zu Hause zu fühlen, ist die Grundvoraussetzung fürs Glücklich sein. Das Gefühl, mit einer Landschaft, mit Menschen, mit Gewohnheiten, Sitten und Gebräuchen verbunden zu sein, gehört zu unseren wichtigsten Grundemotionen.

Zu Hause ist für mich nicht dort, wo ich geboren oder zur Schule gegangen bin und auch nicht dort, wo ich meine erste eigene Wohnung oder ersten Job hatte, sondern dort, wo ich mich wohl fühle oder wie es Morgenstern besser sagte: verstanden werde.

Doch was trägt dazu bei, dass man sich wohl fühlt bzw. verstanden wird? Ist es der Ort, die Bleibe oder die Leute, mit denen man sich umgibt? Wie schnell entsteht ein zu Hause und wie lange ist es das? Eine Bauernregel dazu gibt es keine und eine Antwort darauf kann ich auch nicht geben – doch subjektive Empfindungen habe ich schon.

Moskau schenkte mir die wunderschöne Erfahrung, mich schon nach nur einer Woche zu Hause zu fühlen. Das war ein Glücksfall – ein unerwarteter. Unsere Wohnung war dabei der zentrale Faktor. Hier war ein Künstler zu Hause. Hier hatte jeder einzelne Gegenstand seine Bedeutung. Hier lagen positive Gedanken in der Luft. Auf wundersame Weise führte das zu einer Vertrautheit und einem Wohlfühlen, das mir Sicherheit, Ruhe und Geborgenheit gegeben hat. Wie ist das bei Euch zu Hause?

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In Rom erlebe ich Ähnliches. Zwar lässt mich die modern und unpersönlich eingerichtete Wohnung, ganz nahe des so charmanten Campo de’ Fiori, kalt. Doch schon das Schweifen lassen des Blickes von der Terrasse über die Dächer Roms, die Geräusche, die von der Strasse nach oben dringen und die Spaziergänge durch verwinkelte Gassen, machen mich zufrieden und lassen mich ein ganz klein wenig zu Hause fühlen.

Es wird oft unterschätzt, dass auch eine Stadt ein Freund sein kann. Ein guter, richtiger Freund. Ein Freund, der zu einem steht und der einen nie enttäuscht. New York beispielsweise ist mein Freund. Mein Freund New York, mit dem ich sechs Jahre zusammenlebte, aber den ich vor über zehn Jahren verlasen habe, wartet auf mich und ist immer für mich da, wenn ich ihn brauche. Ich verstehe ihn und er mich, auch wenn ich ihn eine Weile nicht gesehen habe. Er gibt mir Geborgenheit, in der Sekunde, in der ich wieder die Luft um ihn einatme. Dieser Freund hört mich, unterstützt mich, lacht mich nicht aus, lässt mich in Ruhe, tritt mir in den Arsch, stärkt mir den Rücken, bewahrt mich vor Fehlern und lässt mich gleichzeitig Fehler machen. Er kämpft für mich.

Ich bin gespannt, welche der 12 Städte, die wir in den nächsten Monaten besuchen, auch zu meinem Freund und Partner in Crime werden. Ich will da noch gar kein Urteil fällen – auch nicht für Moskau und Rom. Denn Freundschaften bzw. Freunde werden erst so richtig getestet, wenn man sich länger nicht mehr sieht.

Ich bin davon überzeugt, dass das Heimatgefühl auch davon geprägt wird, wie lange man irgendwo verweilt. Wiederholte Abläufe, die sich emotional positiv auswirken, tragen dazu bei. Der allmorgendliche Gang zum Forno Campo de Fiori und die flotte Begrüssung dort, das Erwachen der Stadt beim Joggen entlang des Tibers, das Lächeln des Barristas bei Roscioli, wenn er mich fragt, ob ich noch ein Glas Wasser will, das „Salve“ beim Tabacchiere wenn ich die Buskarte kaufe – das alles kann, je öfter sich die Abläufe wiederholen, Heimatgefühle auslösen und zwar starke und bleibende.

Die Wohnung, die Stadt und die Leute. Ja, die Leute. Ich könnte mir kaum vorstellen, dass sich ein zu Hause entwickeln kann, ohne die Vertrautheit und Liebe einer oder mehrerer Personen. Das zu entwicklen an einem neuen Ort ist schwierig – sehr schwierig.  Einen guten Freund oder einen Partner zu finden, der einem Vertrautheit, Geborgenheit und…ja genau, Heimatgefühle gibt, ist die Grundvoraussetzung für Zufriedenheit. Da habe ich grosses Glück, dass diese Person bei mir in jeder Stadt ganz einfach immer mit dabei ist.

Heimat ist ein innerer Zustand.

12 in 12 – Gammarelli: Hier trifft man den Papst

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Habt ihr Euch auch schon mal gefragt, wo der Papst seine Klamotten einkauft? Nimmt er sein MacBook, geht auf Papst.com und klickt sich seine neue Soutane, die Mozzetta und das Pileolus in den Farben der Saison versandkostenfrei in den Vatikan? Natürlich nicht. Der Papst wird seit 1846, als damals Pius IX gewählt wurde, von Gammarelli eingekleidet.

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Gammarelli ist ein von aussen unscheinbares Geschäft an der Via di Santa Chiara 34, gleich um die Ecke des Pantheon. Im Schaufenster ist die neuste Kollektion der liturgischen Gewänder ausgestellt. Echt schick. Preisschilder gibt es selbstverständlich keine. Es braucht etwas Überwindung, in den Laden einzutreten. Irgendwie habe ich das Gefühl, ich dürfe hier nicht rein. Ich weiss auch nicht warum. Komm schon, nur Mut.

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Einmal drin, wird einem die Scheu genommen. Edle Stoffe überall, Dankesschreiben der hohen Geistlichen und die Portraits der letzten neun Päpste an der Wand. „Schaut Euch nur um”, sagt der Verkäufer. Wir sind ganz alleine im Laden – allein mit unzähligen Roben und Gewändern.

Wieviel die päpstliche Robe kotet, will uns der Herr im Laden nicht verraten. Ein schlichtes schwarzes Gewand für einen Prister koste so 500 bis 1’000 Euro, sagt er.  Na das sind doch vernünftige Preise – immerhin ist’s massgeschneidert.

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Im Schaufenster fallen mir zwei Paar Socken auf. Eines in rot, eines in Lila. Soll ich mir ein Paar kaufen oder ist das schon Blasphemie, schiesst mir durch den Kopf. Ach, was weiss ich denn schon, doch lieber nicht. Man kann nicht vorsichtig genug sein. Ich versuche, an etwas anderes zu denken. An die Geschichte der Gammarellis beispielsweise. Der Laden wurde 1798 gegründet und befindet sich noch immer in Familienbesitz – in der siebten Generation. Es soll der älteste ständig von der gleichen Familie geführte Laden in Rom sein.

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Im Laufe der Jahrhunderte wurden von Gammarelli tausende Seminaristen und Priester, sowie hunderte Bischöfe, Kardinäle und Päpste ausgestattet. Während der Konklave, wo alle Kardinäle den Papst wählen, werden von Gammarelli drei weisse Gewänder in unterschiedlichen Grössen für den neuen Papst angefertigt. Allzeit bereit sozusagen.

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Zeit, wieder zu gehen. Ich verabschiede mich freundlich, ja so freundlich, dass ich mich leicht verbeuge. Was sollte das denn? Auf keinen Fall negativ auffallen, wenn ich schon nichts gekauft habe, dachte ich wohl. Als ich aus dem Laden trete, kommt mir ein Geistlicher in weisser Kutte entgegen. Der ist bestimmt hier, um sich von der neuen Winterkollektion von Gammarelli was Schönes auszusuchen. Wen interessiert da schon die Paris Fashion Week.

12 in 12 – Cinema Farnese – Kapitel 3

Cinema Farnese
Ein Fall für Alfredo Conte

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Kapitel 3

Als Inspektor Conte von der Piazza Santa Caterina della Rota auf das Caffe Peru zusteuert, sieht er sie schon dort sitzen. Theatermaestro Emanuele Bruno, Hotelbesitzer Mauro Piselli und Gastrokönig Stefano Totti. Der vierte Platz ist leer. Conte kannte Piselli und Totti gut. Er war mit ihnen zur Schule gegangen. Die Beiden waren in der Klasse über ihm und fanden schon deshalb, sie seien ihm weit überlegen. Das hatte sich in den letzten 30 Jahren nicht geändert.

„Ist der Stuhl noch frei?“ fragt Conte und setzt sich ohne auf einen Antwort zu warten hin. „Schlimme Sache“ bricht Emanuele Bruno das etwas zu lange andauernde Schweigen. Die beiden anderen nicken. „Was erzählt man sich denn so im Quartier?“, versucht Conte das Gespräch anzukurbeln. Wieder ist es Bruno, der zuerst antwortet. „ Dies und das. Nichts Konkretes.“

Conte merkt, dass er heute ausnahmsweise nicht auf die Redseligkeit der Gruppe zählen kann. Er ändert die Strategie. „Wir wissen, dass Novelli von jemandem erschossen wurde, der ihn gut kannte. Der Mörder sass direkt neben Novelli, wohl in ein Gespräch verwickelt, zog seine Pistole und schoss ihn eiskalt in die Schläfe“. Das sitzt. Die drei gut betuchten älteren Herren rutschen unruhig auf ihrem Stuhl hin- und her und schauen sich gegenseitig an. „Na gut, sie werden es ja ohnehin von jemandem erfahren. Da kann es ja auch von mir sein“ ergreift Mauro Piselli das Wort. „Roberto Ginelli kam vorgestern Abend so um 6 Uhr hier im Caffe vorbei. Wir sassen zu viert am Tisch und spielten Karten. Roberto nahm sich einen Stuhl, setzte sich zu uns, schaute eine Weile stumm zu und dann schrie er Giuliano an – aus heiterem Himmel. Er habe sein Leben zerstört, ihn verraten und getäuscht und dafür werde er büssen, schwer büssen. Dann stand er auf und machte sich aus dem Staub.“

Na, das war doch schon mal was, denkt sich Conte. Doch irgendwie war das alles viel zu einfach. „Da fällt mir ein, dass Ginelli immer schon eine Beretta hatte“ doppelt Totti nach. „Vielleicht kann man da mal nachhaken.“ „Vielen Dank, das werde ich tun“ entgegnet Conte.

Ein Alibi hatten die drei. Piselli sei mit Totti und einer Flasche Wein bis spät in die Nacht auf dessen Terrasse gewesen, Emanuele Bruno mit seiner Frau in der Pizzeria Montecarlo. Da gäbe es genügend Tischnachbarn, die dies bezeugen können.

Bevor sich der Inspektor verabschiedet, fragt er Totti noch, wie es den Plänen für seine neue Osteria gehe. Die Vierte im Quartier,  die ihm gehören würde. Warum er dies wissen wolle, fragt Totti forsch. Ach, nur so, sei nicht weiter wichtig . „Ich habe einen Standort im Auge, doch im Moment liegt die Sache auf Eis“ erklärt Totti in wieder etwas freundlicherem Ton.

Conte ordnet seine Gedanken. Das Alibi von Bruno schien wasserdicht. Totti und Piselli hingegen deckten sich gegenseitig. Piselli hatte Geldsorgen. Das wusste Conte. Das Hotel Lunetti war langsam baufällig, eine Renovation unausweichlich. Doch die Banken bockten. Totti hatte Piselli deshalb angeboten, das Hotel zu kaufen und ihn dann als Geschäftsführer einzusetzen. Doch das liess sein Stolz nicht zu.

Wenn es um Novelli ging, war Totti immer etwas distanziert. Bei den grossen Premieren im Cinema Farnese  blieb er selten bis zum Schluss und auch im Caffe Peru war er nur dabei, wenn Pieselli und Bruno auch mit am Tisch sassen. Doch das musste nichts bedeuten. Erstmal war es die Plicht des Inspektors, sich nochmals Bäckermeister Ginelli vorzuknöpfen. Warum hatte der ihm nichts vom Vorfall im Caffe Peru erzählt und wo war seine Beretta?

Link zu Kapitel 1
Link zu Kapitel 2

12 in 12 – Der allererste San Lorenzo Carnival

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Die Musik dröhnt durch die Strassen. Südamerikanische Klänge und Rhythmen, die auch noch so zurückhaltende Passanten dazu animieren, das Tanzbein zu schwingen oder mindestens leicht mit dem Fuss zu wippen.  Das ist der allererste San Lorenzo Carnival, der in direkter Zusammenarbeit mit seinem Pendant im Londoner Stadtteil Notting Hill ins Leben gerufen wurde. Eine wunderbar farbige Angelegenheit. Frohe, glückliche Gesichter überall, eine begeisternde Atmosphäre, pure Lebensfreude  und eine ganz grosse Prise Spontanität. So wie es in Notting Hill wohl vor 30 Jahren mal war, bevor dort der Kommerz einzog.

Dass die Veranstaltung in San Lorenzo,  Roms vielfältigstem und spannendsten Quartier, weitab vom Luxus der Via Condotti, stattfindet, ist kein Zufall. Künstler, Arbeiter und Studenten leben hier Schulter an Schulter. Das ist noch das richtige Rom.  Die grösste Universität Europas, die Sapienza mit seinen 200 000 Studenten, ein wunderschönes ethnisches Wirrwarr, Graffitis an den Wänden, unzählige Bars und Clubs. Das macht San Lorenzo zu einem Mikrokosmos unseres Planeten – so wie wir (oder zumindest ich) ihn gerne überall hätten.

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Schwalbe fliegt nach… – 12 in 12 in der NZZ

c7115924-66cd-4d01-bf61-52a67e07ee48Heute ist der erste Beitrag aus der Serie: Schwalbe fliegt nach… in der NZZ erschienen. Klickt hier drauf, um den Artikel zu lesen. Für die NZZ bzw. NZZ Bellevue nehme ich Objekte und Zeichen unter die Lupe, die für die locals alltäglich erscheinen, dem Besucher aber ins Auge springen. Daraus soll eine Art Atlas des Corporate Designs von zwölf Weltstädten und Stadtkulturen entstehen. Den Anfang macht Moskau. Wie immer auch hier auf Trendengel sind die Fotos von mir selber geschossen und exklusiv. Viel Spass.

Hier nochmals der ganze  Link, falls ihr lieber so klickt:
Genau hier drauf klicken, um zur NZZ-Seite zu gelangen

 

 

12 in 12 – Essen in Italien: Traum oder Albtraum?

Die Pizza Rosso vom Forno Campo de' Fiori ist ein Gedicht.
Die Pizza Rosso vom Forno Campo de’ Fiori ist ein Gedicht.

In irgendwelchen Seminaren habe ich mal gelernt, dass man eine Kritik immer mit einem Lob einleiten soll. „Softening the blow“ nennt man das auf Englisch treffend. Also wende ich diesen Trick doch gleich mal an.

Das Essen in der italienischen Hauptstadt ist ein Traum. Die Pizza von Da Remo, das Tiramisu von Zum, die Carbonara von Roscioli, das Suppli von Supplizio, die Bianca vom Forno Campo de Fiori und das Eis vom Palazzo Del Freddo – ein Gedicht. Ohne mit der Wimper zu zucken, kann ich sagen, dass ich diese Klassiker noch nirgends so gut in dieser Qualität gegessen habe. Perfektion. Absolute Perfektion.

Doch darüber hinaus?  – und ich bin mir bewusst, dass ich hier viele in ihrem Stolz verletze und wohl auf wenig Gegenliebe stosse. Darüber hinaus gibt es in Rom nichts, wenn es um die Gaumenfreuden geht. Hier gibt es nur italienische Küche und zwar meist genau so, wie es die Nonna schon damals, als alles noch besser war, gekocht hat und kein bisschen anders. Ja, das schmeckt zwar ausgezeichnet. Doch es ist auch langweilig. Sehr langweilig. Zum einschlafen langweilig.

Zu einer Hauptstadt, die Weltformat haben will, gehört auch die internationale Küche. Ja klar, es gibt hier Sushi und auch mal einen passablen Burger. Doch gross ist die Auswahl nicht. Während es in anderen Grossstädten nur so von Thais, Vietnamesen, Mexikanern, Indern, Peruanern, Franzosen, Spaniern, Amerikanern und ja – Italienern! wimmelt, und jedes interessante Gastrokonzept immer wieder neu erfunden und gemischt wird, ist hier Funkstille.

Im Gambero Rosso, Italiens wichtigstem Restaurantfüher, gibt es über ein Dutzend Restaurantkategorien, die jede eine eigene Rangliste hat. Von der Pizzeria, zur Trattoria über die Osteria bis hin zur Rosticceria… alles wird bewertet. Eine einzige Kategorie beschäftigt sich mit der Küche ausserhalb Italiens und die heisst lapidar: Ethnisch. Sie steht ganz verschupft am Ende des Buches. Acht der zehn Top-Restaurants in der Kategorie ethnisch sind Japaner…

Warum ist das so? Warum haben die Italiener (und sogar die eher aufgeschlossenen Grosstädter aus Rom) Angst vor Veränderung, Angst (oder von mir aus auch keine Lust), etwas Neues auszuprobieren? Die einfache Antwort ist: Wer eine so gute Küche hat, wie wir, der braucht kein Sushi und kein Curry. Doch dass das engstirnig und reaktionär ist, das muss ich hoffentlich niemandem beweisen. Die Angst vor Veränderung gibt es nicht nur bei den Gaumenfreuden, sondern zieht sich in Italien durch alle Zweige der Gesellschaft. Die Mode der Masse hat sich in den letzten 50 Jahren erstaunlich wenig verändert, das Fernsehprogramm, die italienischen Schlager, das Kulturangebot und die Produkte im Supermarkt: alles wie gehabt.

Man lebt in der Vergangenheit und merkt nicht, dass sich die Welt weiter dreht. Ich will jetzt nicht behaupten, dass das auch der Grund ist, warum Italien wirtschaftlich nicht mehr so solide da steht und Innovationen, die zur internationalen Wettbewerbsfähigkeit beitragen, fehlen. Doch denkt mal darüber nach…

So schön das Gefühl der Italianita und des Bella Italia ist, schön wäre es, wenn man etwas mehr Bereitschaft zur Veränderung und Offenheit für Neues zeigen würde. Doch zwingen kann man dazu niemanden.

So, es ist Zeit, ans Mittagessen zu denken. Ich habe richtig Lust auf eine Portion Spaghetti Amatriciana – wahrscheinlich gehe ich zu Da Enzo.

12 in 12 – Das Fenster

Das Fenster spielt in Rom eine ganz besondere Rolle. Nirgends habe ich bisher so viele Leute gesehen, die sich die Welt von ihrem Fenster aus anschauen. Der Römer verkriecht sich nicht in seinen vier Wänden, sondern wenn er schon keine Zeit hat, auf der Piazza seine Runden zu drehen, dann ist er am Fenster zu finden. Er beobachtet, grüsst, ruft herunter, schreit nach innen, isst, diskutiert, seufzt, lacht oder denkt ganz einfach nach. Das Leben am Fenster… bella Italia!

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12 in 12 – Cinema Farnese – Kapitel 2

Cinema Farnese
Ein Fall fürAlfredo Conte

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Kapitel 2

„Mord im Cinema Farnese“ steht am nächsten Tag in grossen Lettern auf der Frontseite des „Messaggero“. Das Telefon von Inspektor Conte lief schon den ganzen Morgen heiss. Auch Polizeipräsident Marco Caruso hatte angerufen und kräftig Dampf gemacht. Der Fall müsse gelöst werden, aber subito. Conte hatte nicht geschlafen und gerade mal Zeit, zu Hause ein frisch gebügeltes, hellbeiges Hemd anzuziehen und bei Roscioli einen Caffè zu trinken.

Die Nachforschungen hatten bisher wenig gebracht. Roberto Ginelli, der gestern die Schüsse im Kino gemeldet hatte, war nicht mehr aufgetaucht. Die Forensiker der Polizeiwache hatten weder Fingerabdrücke noch andere Spuren gefunden, die Aufschluss über den Täter geben könnten.

Das waren die Fakten: Es gab keine körperliche Auseinandersetzung und der Schuss wurde aus nächster Nähe wahrscheinlich mit einer einer Beretta PX4 Storm mit 9mm Kaliber direkt in die Schläfe abgefeuert. Immerhin war sich Conte somit so gut wie sicher, dass der Täter das Opfer gekannt hatte. Gut möglich, dass die beiden im Kino nach der letzen Vorstellung nebeneinander sassen und etwas wichtiges zu besprechen hatten.

Der Inspektor hatte Ginelli mehrere Nachrichten hinterlassen und ihn gebeten, umgehend aufs Revier zu kommen. Warum hat er das noch nicht getan? Erst ruft er mich an und dann verschwindet er, fragt sich Conte. Roberto Ginelli und das Opfer kannten sich gut. Freunde waren sie keine. Im Gegenteil. Jeder wusste, dass Mariella Novelli nicht nur die Ehefrau des Kinobesitzers, sondern auch die grosse Liebe von Roberto Ginelli war.

Roberto hatte Giuliano nie verzeihen, dass er ihm damals, als er in Bologna die Bäckerlehre absolvierte, Mariella ausgespannt hatte. Immer wieder gab es deswegen Streit. Roberto hatte nie geheiratet und 30 Jahre darauf gehofft, dass Mariella irgendwann doch zu ihm zurück kommen wird.

Da klopft es an der Tür. “Herein” ruft Conte. Es ist Roberto Ginelli. Er habe nicht mehr warten können gestern Nacht, da er in die Backstube musste, um den Teig für die Pizza Rosso für morgen vorzubereiten. Heute früh sei dann auch zu viel los gewesen, entschuldigt er sich. Der Inspektor verkneift sich eine seiner legendären Schimpftiraden und kommt zur Sache. Er macht keinen Hehl daraus, dass er von Robertos Abneigung, ja vielleicht sogar Hass gegenüber Giuliano, weiss. Roberto läuft rot an, fängt sich aber wieder und beteuert, dass er nie und nimmer in der Lage sei, jemandem etwas anzutun. Er sei gestern Abend nur kurz vor die Tür seiner Backstube gegangen, um wie immer wenn die Glocke der Chiesa die San Pantelo Mitternacht schlägt, eine Zigarette zu rauchen. Dann der Knall aus dem Kino. Da wusste er, dass etwas Schlimmes geschehen war. Gesehen habe er nichts deutliches, nur einen Schatten, der um die Ecke Richtung Via dei Giubbonari entschwand. Allein sei er  in der Backstube gewesen und auch sonst habe er niemand getroffen.

Das reichte dem Inspektor fürs Erste. Er hatte jetzt dringenderes vor. Im Caffe Peru an der Piazza Santa Caterina della Rota traf sich das Quartier oder genauer gesagt, diejenigen, die immer alles von jedem wussten. Ein Besuch dort war meist ergiebiger, als wochenlanges Recherchieren. Der Tisch draussen vor dem Eingang war immer reserviert. Dort sassen jeweils Emanuele Bruno, der das Teatro dei Satiri führte, Mauro Piselli, dem das wunderschöne Hotel Lunetta gehörte und Stefano Totti, der Tausendsassa unter den Gastronomen der Stadt mit seiner Osteria Romana. In der Regel komplettierte Giuliano Novelli die Runde. Doch der würde dieses Mal nicht mehr dabei sein können.

12 in 12 – Marcello Geppetti und das Dolce Vita

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Ein Monat in Rom könnte nicht besser beginnen, als mit einer Ausstellung von Marcello Geppetti, einem der der grössten italienischen Fotografen des 20. Jahrhunderts. Keiner brachte  das Lebensgefühl des Dolce Vita so gut rüber wie der Maestro. Nicht wenige behaupten, er war der erste gute Paparazzi (und damit vielleicht auch der letzte). Ob die Fotos einer furiosen Anita Ekberg,  Sofia Loren im Zwiegespräch mit Vittorio de Sica oder den ersten Kuss zwischen Richard Burton und Elisabeth Taylor: der beste Schnappschuss gelang immer Geppetti. In der Dolce Vita Gallery an der Via Palermo 41 kann man die Fotos in Übergrösse bewundern und ganz tief in die Zeit des grossen italienischen Films eintauchen.

Sophia Loren und Vittoria de Sica
Sofia Loren und Vittorio de Sica

Was war das für eine Zeit. Mit La Dolce Vita von Frederico Fellini begann 1960 der Abschnitt der Grenzüberschreitungen auf der Suche nach neuen Sujets, Formen und Genres. Man begründete den erweiterten Realismus, einen undogmatischen Erzählstil, sowie einen Surrealismus, der Traum und Fantastik wie selbstverständlich in die Darstellung mit einschloss.

Audrey Hepburn in Rom beim einkaufen
Audrey Hepburn in Rom beim einkaufen

Zudem entwickelte sich eine bittere gesellschaftliche Satire. Dazu kamen neue Genres wie der Politthriller und der Italo-Western: ein Jahrzehnt der Aufbrüche in neue Dimensionen. Von Federico Fellini bis Michelangelo Antonioni, von Luchino Visconti bis Pier Paolo Pasolini, von Pietro Germi bis Francesco Rosi, von Sergio Leone bis Bernardo Bertolucci – all das waren grosse Meister ihres Fachs und machten Italien für rund eine Dekade zum Mittelpunkt der Filmwelt – und Geppetti war immer mitten drin.
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Eines der coolsten Bilder von Geppetti ist jenes, in dem ein Priester, der gerade beim turteln mit einer Frau erwischt wurde, dem Paparazzi hinterherläuft und versucht, die Kamera aus der Hand zu reissen, um die Negative sicher zu stellen. Geppetti ist zur Stelle und hält die Situation für die Ewigkeit fest.

12 in 12 – Wo sich wie lebt