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12 in 12 – Helm tragen beim Joggen

Rauf aufs Fahrrad und die Gegend auskundschaften. Besser kann man eine Stadt nicht kennen lernen. Kaum zehn Minuten auf der Strasse höre ich von hinten eine Sirene. Was ist denn nun schon wieder los? Ist da jemand zu schnell gefahren? Die Sirene hört nicht auf und heult mittlerweile direkt hinter mir. Oops, die meinen mich. Was soll ich denn falsch gemacht haben? Ich bin nicht bei rot über die Ampel gefahren, habe signalisiert, dass ich links abbiegen will und fahre auf dem Fahrradweg. Ich bin mir keiner Schuld bewusst.

Ich halte am Strassenrand an. Im Polizeiwagen sitzen zwei Officer. Sie parken ihr Auto direkt neben mir. Die Polizistin auf dem Beifahrersitz lässt das Fenster runter und sagt: “Hör zu, du hast zwei Optionen. Entweder du bezahlst jetzt gleich 200 Dollar oder Du gehst da rüber ins Fahrradgeschäft und kaufst Dir einen Helm.” Ich bin baff. Einen Helm? Ist der hier Pflicht? “Und ob der hier Pflicht ist”, sagt die Polizistin mit bestimmter Stimme. Ich benutze meinen ganzen Charme und spiele den Touristenjoker. “I am from Switzerland” kam mir wohl noch nie so schnell über die Lippen und mein Schweizer Akzent war schon lange nicht mehr so breit.

Die Polizisten lassen mich ungeschoren davon kommen. Ich stosse das Fahrrad nach Hause, denn dort hat unser Vermieter einen Helm bereitgelegt.  Jetzt weiss ich auch warum. Ich kenne keine andere Grossstadt, die Helmpflicht für Fahrradfahrer eingeführt hat. Ich hasse solche Vorschriften. Den Eingriff in die persönliche Freiheit, besonders wenn man, wie in diesem Fall, nur sich selber und nicht andere gefährdet, finde ich in den seltensten Fällen gerechtfertigt.

Doch diese Vorschrift überrascht mich nicht. Entgegen seinem Ruf vom  lockeren und übercoolen Land, in dem fast alles geht, sind die Regeln in Australien ziemlich hart, sei es im Strassenverkehr, oder anderswo. Doch darauf, was ich gestern gesehen habe, bereitete mich auch diese kleine Episode mit dem Helm nicht vor.

Am Strand von Bondi Beach gibt es ein neues Verbotsschild, dass darauf aufmerksam macht, dass hier Joggen ohne Helm nicht erlaubt sei. No helmet = No run – steht dort drauf. Wer dagegen verstösst, dem wird eine Strafe angedroht.

Ach was, das kann doch nicht sein. Kopfschüttelnd stehen die Menschen vor dem Schild. “Fast so unsinnig wie das Einreiseverbot in Amerika”, sagt einer. Doch leider ist Trump’s Einreiseverbot Tatsache, während sich nach ein wenig Recherche herausstellt, dass das Schild mit der Helmpflicht ein Scherz eines Unbekannten ist.

 

12 in 12 – Die Rettungsschwimmer von Bondi Beach

Da sticht mich doch was im Wasser. Aua, das brennt. Was ist das bloss? Ich hoffe keine Würfelqualle, deren Berührung  tödlich enden kann. Doch sind die nicht mehr im Nordosten Australiens zu Hause? Daumen drücken. Ich schwimme sofort an Land zurück und warte erstmal ab. Das Brennen lässt nicht nach. Was soll ich nur machen? Wieviel Zeit habe ich noch, bevor das Gift wirkt? Soll ich einen der Rettungsschwimmer fragen, ob er mir helfen kann oder mache ich mich da nur lächerlich? Egal. Better safe than sorry. Ich gehe auf den Rettungsschwimmer zu und erkläre ihm, was passiert ist. Ach ja, das war sone Qualle, meint er. “Don’t worry man. Put some ice on it and the pain will go away in a bit”. Aha, dacht ich es mir doch. Fehlalarm. 15 Minuten später war der Schmerz wieder weg.

Nicht Pilot oder Lokomotivführer und auch nicht Feuerwehrmann, sondern Rettungsschwimmer in Bondi Beach ist der Traumjob jedes australischen Kids. Der berühmteste Strand Australiens und einer der besten Surfspots der Welt, zieht sie alle an, ob Sprachstudent oder Hollywood-Star. Der weisse Sand, das türkise Wasser und die oft riesigen Wellen sind einzigartig. Bondi Beach ist denn auch als nationales Denkmal geschützt. Das alles als Rettungsschwimmer jeden Tag sein zu Hause zu nennen, sieht in der Tat wie ein Traumjob aus – wären da nicht die 5000 Rettungseinsätze pro Jahr und der superharte Fitnesstest, den jeder Rettungsschwimmer bestehen muss, bevor er ein Bondi Lifeguard wird.

Logisch, dass die Action am Strand auch in einer Reality Show festgehalten wird. Seit 2006 gibt es “Bondi Rescue” im australischen Fernsehen. Kaum zu glauben, was es am Strand an einem ganz gewöhnlichen Tag so alles zu tun gibt. Jahr für Jahr räumt “Bondi Rescue” den Preis für das “Most Popular Factual Program” in Australien ab. Die Rettungsschwimmer sind mittlerweile kleine Stars, die alle paar Minuten um ein Selfie gebeten werden.

Aaron Graham ist seit 17 Jahren Rettungsschwimmer in Bondi Beach.  Seit er laufen kann, steht er auf dem Surfboard und zwar jeden Tag. Da lag die Karrierewahl Rettungsschwimmer irgendwie auf der Hand. Nicht jede Rettung ist erfolgreich, Er erinnert sich an einen asiatischen Studenten, der die Strömung völlig unterschätzt hatte und Anfang Jahr ertrank. Sie hatten alles versucht, um ihn wieder zu beleben, Doch es sollte nicht sein. Wohl sein schwärzester Moment als Rettungsschwimmer. “Die Augen immer auf dem Wasser haben. Immer auf dem Wasser” ist sein Hauptratschlag an andere Rettungschwimmer.  Ob er auch schon Mal Damen gerettet hat, die nur vorgetäuscht haben, am ertrinken zu sein? Ja, das passiert immer wieder. Doch das seien meistens rundliche Pommies, lacht er.

Jeder kennt die Rettungsschwimmer von Malibu aka Baywatch. Doch Bondi Rescue muss sich hinter denen bestimmt nicht verstecken. Die Jungs sind cool, haben die Sache im Griff und nehmen alles nicht ganz so ernst. Genau das macht die Life Guards von Bondi Rescue aus. Ihr wollt auch ein Bondi Life Guard werden und wundert euch, was man dabei so verdient? Das sind maximal 60000 australische Dollar, was weniger als 40’000 Euro entspricht. Immer noch interessiert?

Ach ja, ein richtiger Bondi Rescue Lifeguard ist übrigens nur der in einer blauen Uniform. Die rot-gelb gekleideten Lifeguards mit ihrem eher lustigen Käppchen sind Freiwillige, die an anstrengenden Tagen ganz unentgeltlich aushelfen.

Und noch ein Clip aus der TV-Show Bondi Rescue:

12 in 12 – 40 Stunden ohne Internet

Nervös starte ich den Browser zum x-ten Mal. Schon wieder nichts. Das Internet ist “down”.  Es ist 10 Uhr Abends und zu spät, um unseren AirBnB-Host über Whatsapp anzurufen. Ach, was rede ich da – Whatsapp geht ja gar nicht und so schlimm ist es ja nicht, mal ohne Internet zu sein.

Eine Stunde später: Ich bin ganz unruhig. Das Email geht weder raus noch rein, die Nachrichten sind immer noch auf dem Stand von vor einer Stunde und meinen Trendengel-Post, den ich gerade  geschrieben habe, kann ich nicht abspeichern. Ist ja schon krass, wie abhängig ich von dem doofen Web bin. Gerade mal eine Stunde Offline und schon bin ich aufgeschmissen. Doch was solls. Heute wird das nichts mehr. Morgen ist bestimmt alles wieder gut.

8:30 Morgens. Ein Sonnenstrahl streichelt mein Gesicht. Ich wache auf. Sofort der Griff zum Telefon. Ach nee. Keine Nachricht und gar nichts. Internet noch immer down. Noch vor dem ersten Kaffee laufe ich kurz zum Strand, um mich  dort ins öffentliche Netz einzuloggen. Mein Host sagt, das Internet sei im ganzen Quartier ausser Betrieb. Er habe beim Provider Telstra angerufen und die arbeiten dran.

Das kann ja heiter werden. Wo soll ich meinen Post schreiben, wie finde ich heraus, wie wir zum Australia-Day-Picknick nach Paramatta kommen, was ist mit den Zwischenresultaten des Australian Open und wo kann ich mir jetzt die Hottest-100 auf Triple-J anhören. Ein News Junkie auf Entzug. Ich sitze im Apartment und es ist still. Mein Telefon funktioniert nicht und meine Frau denkt gar darüber nach, spätestens Morgen das Apartment zu wechseln. Ohne Internet ist man ja nur ein halber Mensch.

Wie kann das denn nur sein? Vor ein paar Tagen beschwere ich mich noch über die Leute, die ständig an ihrem Phone hängen und jetzt bin ich auch schon ganz kribbelig, wenn ich das gute World Wide Web nicht bei mir habe. Wie habe ich das früher nur gemacht? Das ging doch auch. Ich erinnere mich noch – und es ist gar nicht so lange her – wie ich nur mit einem Lonely Planet bewaffnet und ganz ohne Mobile Phone herumgereist bin. Statt Google Maps fragte man sich einfach durch und statt die News zu studieren hatte man sie ganz einfach nicht oder wartete bis zum nächsten Tag und las sie in Zeitung.  War das wirklich so viel schlechter?

Ich erinnere mich insbesondere an eine Reise durch Amerika. Mit einem Freund  ging es im Auto quer durchs Land. Nach mehreren Monaten, es war in New Orleans, fanden wir auf der letzten Seite des Sportteils der Washington Post die Tabelle der Fussball-Bundesliga. Nach 14 Spieltagen führte Bayern München und mein Verein, der Hamburger Sportverein, lag auf Platz 7. 14 Spieltage ohne jegliche Information! Heute total undenkbar. Das war aber  damals aber total OK und ich empfand es als Geschenk vom Himmel, wenigstens nach 14 Spieltagen diese Tabelle in den Händen zu halten. Kommunikation mit der Heimat gab es damals auch keine. Kein Email und alle paar Wochen vielleicht mal ein Collect Call nach Hause. Das reichte auch. So fühlte man sich so richtig losgelöst und frei. Es zählte nur das hier und jetzt.

Den Weg zum Picknick haben wir dann auch ohne Google Maps gefunden. Ohne Wifi sassen wir im Park, während um uns herum getextet, gechattet und gesurft wurde. Wir haben uns trotzdem gut amüsiert. In der Zwischenzeit hatte uns unser Host eine Nachricht zukommen lassen: Alles sollte wieder gehen, hiess es da. Cool. Zu Hause gleich der Test: Nix. Noch immer kein Internet. Mittlerweile nahm ich es schon etwas cooler. Morgen wird bestimmt alles besser dachte ich mir nochmals. So war es denn auch. Gegen Mittag kam unser Host und startete das Modem, das nicht direkt bei uns in der Wohnung steht, neu. Voila – es geht wieder – juhui.

40 Stunden ohne Internet. Das sollte nicht einmal erwähnenswert sein – ist es aber. Ich kann zwar gut darauf verzichten, die ganze Zeit auf mein Telefon zu schauen – doch nur wenn ich weiss, dass es im Prinzip funktioniert und ich ganz wichtige Nachrichten sofort schreiben oder empfangen kann. Wenn ich jedoch von der Welt abgeschnitten bin, dann fühle ich mich  hilflos. Das ist zwar traurig, ist aber so. So langsam verstehe ich, dass es Entzugskliniken für Smart-Phone-Süchtige gibt. Ich hoffe schwer, ich lande nicht auch mal in so einer…

 

12 in 12 – Ich bin mehr Melbourne als Sydney

Köln oder Düsseldorf, New York oder Los Angeles, Moskau oder Sankt Petersburg, Rom oder Mailand. Diese Städte stehen zu einander in einem gesunden Wettbewerb (naja OK, manchmal hassen sie sich auch ein wenig).  Ähnlich verhält es sich mit Sydney und Melbourne. Wer aus Melbourne kommt, hat wenig für seine Nachbarn aus Sydney übrig und umgekehrt. Weil die Rivalität unter den beiden Städten schon immer so gross war, entschloss man sich 1908 Canberra als Hauptstadt Australiens aufzubauen. Ad Interim fungierte bis 1927 Melbourne als Hauptstadt. Daran werden die  “Sydneysider” bis heute nicht gerne erinnert.

Doch welche Stadt ist besser – zumindest aus meiner persönlichen Optik?

Auf den ersten Blick ist das Resultat klar. Sydney hat das bessere Wetter, die perfekten Strände, ist viel spektakulärer gelegen und  unter dem Strich ohne Frage die schönere Stadt als Melbourne.

Dennoch, so gerne ich Sidney mag – ich passe mehr zu Melbourne. Melbourne ist viel europäischer, kreativer, eleganter aber gleichzeitig auch alternativer. In Melbourne werden Akzente gesetzt, ist die Musikszene, die Kunst und Kultur an sich zu Hause, wird kulinarisch auf allerhöchstem Niveau mitgespielt, ist der Vibe relaxter und inspirierender. Melbourne ist eckig und kantig und Sydney mehr rund und wohl bekömmlich. Ich mag Ecken und Kanten.

Damit will ich auf keinen Fall Sydney schlecht machen, sondern viel mehr eine Lanze für Melbourne brechen, die Stadt, die von den meisten Touristen zu Unrecht links liegen gelassen wird.

Ach ja, ich stehe mit dieser Meinung übrigens nicht ganz alleine da. The Economist kürt jedes Jahr die  lebenswerteste  Stadt. Zum wiederholten Mal ist Melbourne 2016  dort weltweit auf dem allerersten Platz gelandet und zwar vor Wien und Vancouver. Sydney hingegen ist dieses Jahr zum ersten Mal aus den Top Ten gefallen – und der Economist hat ja bekanntlich immer Recht.

 

 

12 in 12 – In Beef We Trust – Wagyu oder Angus?

Wer gerade aus Buenos Aires kommt, der ist verwöhnt, wenn es um ein gutes Steak geht. Doch als ich auf dem Flug nach Sydney im Onboard Magazine von Air New Zealand einen Artikel über das Wagyu Beef von Blackmore in Südaustralien las, wurde ich hellhörig.  Wegen Blackmore musste die Australian Wagyu Association die gesamte Bewertungsskala für Qualität erweitern. Statt von 1 bis 9 geht die Skala nun bis 9+ und das Blackmore Wagyu hat als einziges Fleisch auf der Welt die 9+. Das kommt mir fast so absurd vor, wie bei Spinal Tap, als der Gitarrist  auf seinem Verstärker eine 11 statt eine 10 hat. “Turn it up to 11!”

Wagyu ist übrigens eine japanische Rinderart. Kommt das Rind aus der Region Kobe, dann ist es Kobe-Beef, sonst heisst es Wagyu. Das Fleisch ist besonders marmoriert und ist so zart wie kaum ein anderes Stück.

Eine 9+. Das musste ich probieren. In Sydney ist die Delikatesse beim Metzgermeister Victor Churchill zu haben, der wohl schönste Schlachterladen, den ich je gesehen habe. Im noblen Stadtteil Woollahra bietet Churchill seit 1876 das beste vom Rind an. 2009 wurde der Shop umgebaut und sahnt seither einen Design-Preis nach dem anderen ab.

Da ist es, das Blackmore Wagyu. Es thront im Kühlschrank mit seiner Glasvitrine ganz oben und wartet darauf, gegessen zu werden. Eine breite Fettschicht und dann diese Marmorierung. Ein Gedicht. Das Kilo kostet umgerechnet rund 200 Euro. Ein stolzer Preis.

Ich frage die Metzgerin, ob das Blackmore das Geld denn auch wert sei. “Das ist Ansichtssache”, meint sie. Sie erklärt mir, dass das Blackmore-Wagyu so zart sei, wie kein anderes Fleisch auf diesem Erdball. Was die Intensität des Geschmacks angehe, da habe sie aber noch was Anderes. Wagyu-Kühe werden mit Getreide gefüttert und sie bevorzuge mit Gras gefütterte Kühe. Sie zeigt mi das Black-Angus-Beef von O’Connor in Gippsland – ein paar Stunden von Melbourne entfernt. Das Sirloin für rund 50 Euro pro Kilo. Die Marmorierung ist auch sehr schön und das Stück lacht mich an. Die Luft in Gippsland sei ein Traum, das Futter bestehe aus Klee für die Mineralien und Weidelgrass für Vitamine und Proteine. Keine Hormone, keine Antibiotica, keine Chemikalien in irgendeiner Form garantieren. die Qualität.

Ich kaufe von beiden ein Stück, mache mich ganz aufgeregt auf den Weg nach Hause und schmeisse beide Prachtstücke auf den Grill. Nur ganz wenig Salz dazu und sobald der Saft austritt, ist das Fleisch so weit. Jetzt kommt der Geschmackstest. Mann ist das Wagyu-Beef zart. Sowas hab ich noch nie erlebt. Das Fleisch schmilzt fast auf der Zunge. Und das O’Connor-Beef?  Das haut mich vom Hocker. Es ist bissfester aber dennoch unglaublich “soft”. Der Eigengeschmack ist unbeschreiblich. Das Fett vereint sich mit dem Fleisch, als ob das alles genau so geplant war, damit ich es hier und jetzt und heute Abend esse. Ich glaube “we have a winner” Das Black Angus von O’Connor schlägt alles, was ich bisher gegessen habe. Danke Victor Churchill. I’ll be back!

12 in 12 – “Australian Humor”

Wer “Australian Humor” googelt, der findet als allererstes Ergebnis einen Eintrag auf der Website der australischen Regierung, die einem ganz offiziell erklärt, was australischer Humor genau ist.  Humor erklären ist zwar immer so eine Sache – doch das steht da drauf:

“Australian humor has a long history that can be traced back to our origins as convict colonies. It is therefore no surprise that a national sense of humour quickly developed that responded to those conditions. This unique sense of humour is recognised (although maybe not always understood) the world over as being distinctly Australian. Our humor is dry, full of extremes, anti-authoritarian, self-mocking and ironic.”

Ich kann mich an australische Filme wie Muriel’s Wedding, Strictly Ballroom und natürlich Crocodile Dundee mit dem legendären Paul Hogan erinnern, die mein Bild von Australien geprägt haben. In der Tat ist es kein Klischee, dass die Australier immer alles etwas lockerer nehmen.  Schon allein das kollegiale “mate”, wenn man jemanden trifft, lockert ein Gespräch auf und das altbekannte “no worries” entschärft jede unangenehmen Situation.

Mein  neuer australischer Lieblings-Comedian ist übrigens Sam Simmons, der damit Jim Jeffries abgelöst hat. Der ist mit seinem preisgekrönten Programm “Not a People Person” neulich im Sydney Opera House aufgetreten und ist sowas von schräg. Er hat Känguruhände…Das müsst ihr Euch anschauen:

Und noch ein Schmankerl von früher:

https://www.youtube.com/watch?v=POJtaO2xB_o

12 in 12 – To be or not to be

Das Tie-Break geht an Cagla Buyukakcay. Mit 7:1 hat die 28-jährige Türkin das Entscheidungsspiel im zweiten Satz gegen die 20-jährige Französin Oceane Dodin, die Nummer 72 der Welt, souverän gewonnen. Das Momentum ist klar auf der Seite  von Buyukakcay, der Nummer 86 der Welt. Der dritte Satz sollte für die Türkin nur noch Formsache sein. Die zweite Runde des Australian Open ist greifbar nahe.

Die Französin ist enorm verunsichert. Nach jedem Ballwechsel sucht sie den Blickkontakt zu ihrem Coach, der direkt neben mir sitzt. Immer wieder zupft sie ihr blauweisses Tenniskleid zurecht. Sie ist nervös. Oceane Dodin hat kaum Erfahrung in grossen Turnieren, geschweige denn in einem Grand Slam. Soll sie auf Angriff spielen oder lieber abwarten, bis die Gegnerin den Fehler macht? Nach dem enttäuschenden Tie-Break hat sie den Faden völlig verloren.

Buyukakcay merkt das und versucht, die Sache so schnell wie möglich klar zu machen. Sie schlägt auf und rennt sofort ans Netz. Doch Dodin parriert. Der Return knallt unerreichbar genau auf die Linie. Sie führt unverhofft 0:15. Ihr Trainer murmelt neben mir unaufhörlich und ruft immer wieder auf den Platz. Ist das nicht verboten, geht mir durch den Kopf. Doch auf den Aussenplätzen gibt es kaum jemanden, der das unterbinden würde. Wir sind schliesslich nicht auf dem Center Court.

Dodin wartet geschickt ab. Sie spielt nur mit und lässt die Türkin die Fehler machen. Die Strategie geht auf.  Sie schafft das Break zur 1:0 Führung. „Weiter so“, ruft ihr Coach. Schnell steht es im entscheidenden Satz 4:0. Buyukakcay ist stinkesauer und haut ihren Schläger mit voller Wucht auf den Boden. Das Racket bricht und sie schreit etwas Unverständliches Richtung Schiedsrichterin. Keine Verwarnung? McEnroe wäre für sowas damals wohl direkt vom Platz geflogen.

Plötzlich kommt die Türkin wieder in Fahrt. Ein Ass, ein Passierball, ein Aufschlagswinner und ein präziser Lob. 4:1. Jetzt den Aufschlag der Französin durchbrechen. Doppelfehler, Long Line Winner, Stoppball und Netzroller. Plötzlich steht es nur noch 4:2. Der Trainer neben mir rutscht unruhig auf seinem Stuhl hin und her. Wieder der hilflose Blick seines 20-jährigen Schützlings. „Was soll ich jetzt machen“, steht in ihren Augen geschrieben.

Buyukakcay schlägt auf. Sie hat das Momentum auf ihrer Seite. Noch ein Aufschlagspiel durchbringen und dann das Break und schon ist sie wieder gut dabei. Der erste Aufschlag sitzt. Dodin bringt ihn nicht über das Netz zurück. Der zweite Return der Französin ist auch zu lang. 30:0. Jetzt platzt dem Trainer neben mir der Kragen. Sein Schützling ist drauf und dran, den sicher geglaubten Sieg noch aus der Hand zu geben. „Du musst die Punkte suchen”, schreit er. „Nicht abwarten. Du schaffst das“, doppelt er nach.

Die Punkte suchen. Das sass. Dodin geht offensiver ans Werk. Der erste Return geht wie an der Schnur gezogen der Outlinie entlang genau auf die Grundlinie. 30:15. Dann ein Volley ins Halbfeld, der für die Türkin unerreichbar ist – 30:30. Ein Doppelfehler führt zum Breakball. Auf dem Court wird es unruhig. Allen ist bewusst, dass das die Entscheidung sein würde. Fingernägel beissen, vereinzelte Zurufe und dann das Psssssst vom Schiedsrichter. Der Aufschlag kommt, der Return sitzt. Die Türkin erwischt ihn zwar noch, kann den Ball aber nur hoch und viel zu kurz zurückspielen. Dodin nimmt Mass und haut den Smash mit einer enormen Wucht genau auf die Linie. Das Game gehört ihr.

Der nächste Aufschlag ist nur noch Formsache. Sie gewinnt das Spiel und zieht mit 7:5, 6:7, 6:2 nach 2 Stunden 22 Minuten in die zweite Runde ein. Den Tränen nahe bedankt sie sich bei ihrer Gegnerin und schaut vollends glücklich zu ihrem Coach. „Gut gemacht!“ Auch er strahlt über beide Backen. „Das war nicht grosses Tennis, aber Hauptsache gewonnen“, murmelt er vor sich hin.

Die kleinen Schicksale sind oft viel interessanter als die Grossen. Wenn Stanislav Wawrinka am Australian Open eine Runde weiter kommt, dann verändert sich das Leben von Stan The Man kaum. Wenn aber auf Platz 15, ganz weit weg vom Glamour des Center Courts, Oceane Dodin mit ihren 20 Jahren ein Spiel am Australian Open gewinnt, dann verändert sich von einer Sekunde auf die andere ihr ganzes Leben. Statt beim nächsten Turnier wieder durch die Qualifikation zu müssen und dann bei weiteren Niederlagen zu riskieren, überhaupt nicht mehr eingeladen zu werden, ist Dodin jetzt wohl auch bei Roland Garros und Wimbledon im Hauptfeld dabei. Ein Spiel weitab des Glamours mit grosser Wirkung. “Sein oder nicht sein” in einem auf den ersten Blick hundsgewöhnlichen Erstrundenspiel in Melbourne.

12 in 12 – Ich habe ein Smartphone, also bin ich

Ich habe ja auch ein Smartphone und kann mir kaum vorstellen, ohne das Gadget zu leben. Ich fühle mich fast hilflos, wenn der Akku meines geliebten iPhones auf Null ist. Das gebe ich gerne zu.  Doch es muss Grenzen geben. Ich habe das Gefühl, dass dieses kleine Ding Schuld daran ist, dass wir nicht mehr miteinander sprechen, und was fast noch schlimmer ist, dass wir nicht mehr in der wunderschönen Welt leben, die direkt vor uns liegt, sondern in der Welt des kleinen Screens.

Das ist nicht nur in unseren Breitengraden so, sondern ich sehe das überall, wo ich hinschaue und hinkomme. Als ich gestern auf der Tribüne des Australian Open sass und vom fünften Satz des packenden Spiels zwischen dem Amerikaner John Isner und dem Deutschen Mischa Zverev in den Bann gezogen wurde, war mein Sitznachbar seit einer halben Stunde in irgend einen Chat auf seinem iPhone vertieft. Das durfte doch wohl nicht sein. Da gibt es Hochspannung pur direkt und live vor ihm und er spielt ununterbrochen mit seinem Telefon..

Noch krasser verhielten sich unsere Tischnachbarn aus Japan in einem Restaurant in Buenos Aires. Während ihm seine Partnerin ihr Herz ausschüttete, spielte der Typ munter auf seinem Galaxy irgend ein Mortal Combat Spiel. Er schaute nicht mal vom Bildschirm auf, geschweige denn gab er eine Antwort zurück und das während des gesamten Mittagessens. Sowas hatte ich noch nie gesehen. Die beiden waren dabei nicht etwa mitten in einem Streit, sondern es schien sich um ein ganz einfaches “Gespräch ” zu handeln. Am schockierendsten daran war, dass ihr das wenig auszumachen schien. So läuft die Konversation bei denen wohl immer ab.

Gespräche ohne Augenkontakt, den Daumen immer auf dem Bildschirm des Smartphones, jederzeit bereit, alles stehen und liegen zu lassen für die Anweisungen, die einem das Telefon gibt. Das geht zu weit. Diese Angewohnheit, eine Whasapp-Nachricht immer sofort beantworten zu müssen, auch wenn man gerade in ein Gespräch vertieft ist, ist schon eine Unart. Ja, ich hasse es auch, wenn ich ein wichtiges Email schreibe, und die Antwort auf eine einfache Frage erst zwei Tage später kommt, wenn ich sie nicht mehr brauche. Doch als Grundregel sollte gelten, dass das richtige Leben vor dem Leben auf dem Bildschirm kommt. Dein Gegenüber fühlt sich nämlich wie ein Stück Dreck, wenn Du eine willkürliche Nachricht beantwortest, dazu vielleicht noch entspannst lachst, weil das so lustig war, was dir geschickt wurde, während sich dein Gesprächspartner Däumchen drehend überflüssig vorkommt.

Untersuchungen zeigen, dass je mehr der Partner in einer Beziehung das Smartphone benutzt, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit eines Breakups ist. Auch interessant: Viele Partner sind eifersüchtiger auf das Smartphone als auf einen Konkurrenten aus Fleisch und Blut. Das Smartphone ist nicht nur ein Relationship Killer, sondern schadet der Interaktion unter uns allen. Eine Studie hat ergeben, dass die Empathie der Jugendlichen in den letzten zehn Jahren drastisch nachgelassen hat. Ein Zeichen unserer Zeit, das mir gar nicht gefällt. Mehr Gefühl und weniger Technologie. Irgendwie wärs schön. “Smartphone ergo sum” sollte nicht unser Mantra sein.

12 in 12 – Mind the Gap

Die Wellen schlagen gegen die Klippen, das Wasser ist kristallklar, der Wind weht kräftig und die Luft riecht gut, irgendwie nach Freiheit. The Gap ist ohne Frage einer der schönsten Plätze in Sydney. Gleich hinter der Watson Bay, nur einen kurzen Trip mit der Fähre vom Sydney Harbor, liegt der Teil eines Nationalparks, der zu einem romantischen Spaziergang einlädt.

Ich geniesse die Aussicht und denke, hier kann man so richtig in sich gehen und das Leben geniessen. Da stosse ich auf ein eigenartiges Schild. “Hold onto HOPE. There is always HELP.” steht da drauf. Was ist das denn. Das hört sich irgendwie nach Religion oder Sekte an. Was hat so ein Schild denn hier auf dem schönen Wanderweg zu suchen?

Bei genauerer Betrachtung wird schnell klar, dass es sich hier nicht um die Botschaft einer Sekte handelt, sondern um ein von der Stadt aufgestelltes Schild, das die Leute davon abhalten über die Klippen in den Tod zu springen. Oops…

Ein paar Meter vom Schild entfernt steht eine Notrufzelle. “This phone offers a Lifeline” steht da. “Are you thinking of suicide? You are not alone. Talk to someone you trust or call Lifeline” geht es weiter.  Soviel zur guten Stimmung und zur lebensbejahenden Wirkung der Klippen von The Gap. Ich befinde mich tatsächlich genau an dem Ort, an dem sich in Australien die meisten Leute das Leben nehmen. The Gap ist weltweit einer der zehn Orte mit den meisten Selbstmorden. Nur die Golden Gate Bridge in San Francisco und der Aokigahara Forest in Japan liegen in dieser Statistik  vor The Gap. Jährlich sollen sich hier mindestens 50 Menschen das Leben nehmen. Mir läuft ein kalter Schauer den Rücken hinunter und mir wird weich in den Knien. Tatsächlich merke ich erst jetzt, dass die Klippen überall mit Zäunen abgesperrt sind und dass es überall Überwachungskameras gibt.

Um weiteres Unheil am The Gap zu verhindern, hat die Regierung gerade eine hohe Summe gesprochen, um Bewegungsmelder und andere Sicherheitsvorkehrungen zu installieren. Doch ich befürchte, dass sich jemand, der den Entschluss gefasst hat, seinem Leben ein Ende zu setzen, davon nicht abhalten lassen wird.

12 in 12 – Ich nehme mir ein Buch

Ein Büchergestell an einer Hauswand in Bondi Beach. Lord of the Rings, „The Long Goodbye“ von Raymond Chandler, “Tropic of Cancer” von Henry Miller, ein Buch über die Geschichte des Surfens und sogar „Sofia, der Tod und ich“ von Thees Ulmann auf Deutsch. Nicht schlecht, die Auswahl. Ich schaue mich um, wo der Eingang für den Buchlanden ist, denn den Ulmann würde ich mir gerne kaufen. Ich suche vergebens.

Abgesehen vom Eingang eines Fischrestaurants finde ich nichts, das nach einem Laden aussieht. Ich frage einen Passanten, ob er weiss, wo diese Bücher hingehören. „Ach, das ist die Street Library. Die Bücher kannst Du einfach nehmen, Mate und im Gegenzug wieder eins hinstellen. Wenn Du gerade keins dabei hast, kannst Du das auch später machen“ sagt er. Ganz umsonst nach dem Honour System. Nein, echt? Das ist ja der Hammer.

Ins Leben gerufen wurde das Projekt in Sydney im November 2015. Mittlerweile gibt es über hundert dieser Street Libaries. Manchmal sind es kleine, vogelhausähnliche Gestelle, mit nur zehn Büchern, dann wieder mehrere Regale aneinandergereiht mit hunderten von Romanen und Sachbüchern. So eine schöne Sache. Ein Fenster in die Seele der Nachbarschaft sozusagen. Du siehst, was Dein Quartier liest und denkt, wofür man sich interessiert und kannst daran teilnehmen.

Sowas sollte man echt überall machen. Warum eigentlich nicht? Nichts spricht dagegen, finde ich aber wirklich gar nichts.