12 in 12 – Wieviel Gentrifizierung ist zu viel?

Ich kann mich noch gut daran erinnern, als ich vor über 15 Jahren an den Washington Square Park in Manhattan zog. Damals kam mir das Village noch wild und ungeordnet vor. Doch für die Alteingesessenen war da schon eines klar: Die Gentrifizierung macht unser Quartier kaputt.

Kein Künstler könne sich mehr leisten, hier zu wohnen, nur noch die finanzkräftige Wirtschaftselite habe das Geld, hier ein Apartment zu mieten oder zu kaufen. Die ersten Starbucks-Filialen setzten sich fest, das Multiplex-Kino, ein H&M und schicke Restaurants waren die Vorboten von dem, was noch kommen sollte.

Ich fand diese Klagerei immer etwas bemühend. Jaja, früher war alles besser. Früher, als Du aufpassen musstest, dass Du unten auf der Strasse nicht überfallen wurdest, früher, als Du noch jung warst und keine Verantwortung hattest, früher als der Kaffee noch einen Dollar kostete…

Ich fand das Village inspirierend. Ich konnte es kaum abwarten, die Cupcakes der Magnolia Bakery zu probieren, den Käse von Murray’s  zu kaufen, bei Babbo das Tasting-Menu für 35 Dollar zu kosten und mir bei Joe’s einen Kaffee zu holen. All das hatte für mich immer noch viel Authentizität und Dynamik, strotzte vor Kreativität und Energie und war Spannung pur. Es gab keinen Ort, an dem ich zu dieser Zeit lieber gewesen wäre, als im Village oder auch  in Soho.

15 Jahre später bin ich wieder in New York. Klar, ich war in der Zwischenzeit einige Male zu Besuch hier. Doch meist eher kurz, Freunde besuchen und gut essen. Da hatte ich jeweils nicht so richtig gemerkt, dass sich die Stadt verändert hatte.

Sie hat sich verändert und zwar wie. Genrifizierung in Vollendung würde ich mal sagen, was immer das heissen mag. Die Häuser sind noch immer traumhaft schön, das Kopfsteinpflaster hat noch immer Löcher und die Fassaden sehen auf den ersten Blick noch total nach Vintage aus. Doch wenn ich genauer hinsehe, dann steckt hinter dieser “unperfekten” Oberfläche viel Perfektion – zu viel. Alles ist so aufbereitet, wie man sich New York aus dem Bilderbuch vorstellt.

Jeder Laden ist ein Millionengeschäft. Wer nicht eine “Big Brand” vertritt, der hat hier keinen Platz mehr. Besonders Soho fühlt sich mittlerweile an wie Disney World. Eine grosse Open Air Mall fast ausschliesslich mit Touristen gefüllt, ohne Herz und ohne Seele.

Gentrifizierung. Jaja, früher war alles besser. Ich hasse es, wenn das jemand sagt. Ehrlich gesagt habe ich nichts gegen einen gewissen Grad an Gentrifizierung. Für mich bedeutet das auch Sicherheit und Qualität. Doch was zu weit geht, das geht zu weit. Ich habe keine Lust, dass die viellecht “greatest city on earth” bald so aussieht, wie irgend eine x-beliebige moderne Stadt in China. New York soll New York bleiben.

Zurück zur Frage: Wieviel Gentrifizierung ist zuviel… soviel wie in Soho und leider auch im Village ist die Antwort.

Zum Glück gibt es sie noch, die Ecken der Stadt, die ihre eigene Identität haben. Das East Village, die Lower East Side, Teile der Upper West Side und Brooklyn.

Deshalb sind wir dieses Mal auch nicht nach Manhattan gezogen, sondern nach Prospect Heights in Brooklyn. Doch dazu später mehr.

 

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