Ob ihr es glaubt, oder nicht, es ist gar nicht so einfach, sich auf so einer Reise mal so richtig zu entspannen, runter zu kommen, die Gedanken des Alltags beiseite zu legen und einfach nur zu sein. Ich weiss nicht wie es euch geht, doch ich stehe ständig unter Strom und habe das Gefühl, ich müsse jetzt gleich was tun.
Die Japaner haben ein gutes Mittel gegen diese innere Unruhe und das heisst Onsen. Onsen ist die japanische Bezeichnung für eine heisse Quelle. Ganz Japan befindet sich auf vulkanisch aktivem Gebiet und deshalb gibt es fast überall im Land unzählige Onsen. Ja, ich weiss, was ihr jetzt denkt. Jetzt ist der Schwalbe richtig alt geworden. Er geht in ein Thermalbad und pflegt dort seine alten Knochen. Jaja, schon gut. Wartet doch einen Augenblick.
Also, zurück zum Onsen. Die schönsten Onsen gibt es in Hakone, rund zwei Stunden Zugfahrt von Tokio entfernt. In den Wäldern unweit des Mount Fuji gibt es vulkanische Quellen, die magische Heilwirkung haben sollen. Fast jedes Hotel hat sein eigenes Onsen und hütet es wie seinen Augapfel.
Ein Onsen zu besuchen ist ein kleines Abenteuer. Natürlich ist man hier die einzige Langnase und Englisch ist für die meisten ein Fremdwort. Das wäre ja im Prinzip auch nicht weiter schlimm. Doch da es im Onsen unzählige Verhaltensregeln gibt, bewegt man sich in den ersten Minuten wie auf Eierschalen.
Alles ist nach Geschlechtern getrennt. Die Schuhe müssen sofort ausgezogen und in einen Sack gesteckt werden. Dann zieht man sich aus und schreitet nur mit einem Waschlappen bewaffnet, in den Baderaum. Es dampft überall. Erst wäscht man sich kräftig. Man rubbelt und schrubbt und kriegt dazu alle erdenklichen Hilfsmittel. In der Regel gibt es zwei oder drei Badebecken drinnen, eine Sauna und einige Becken draussen, meist mitten im Wald mit viel Bambus und Naturstein und atemberaubender Aussicht.
Man schaut mit einem Auge, wie die ebenfalls nur mit einem Waschlappen bewaffneten Einheimischen die Sache angehen und macht einfach alles nach. Vor allem wird sich im Onsen so richtig entspannt. Das hört sich genau so an wie im Thermalbad, sagt ihr jetzt bestimmt und habt damit auch nicht ganz unrecht.
Doch dann macht es plötzlich “klick”. Auf einen Schlag fühle ich mich wie in einer anderen Welt. Der Bambuswald rückt näher, das Sulfat des Wassers steigt mir zu Kopf, ich höre sanfte Klänge, die direkt aus dem Wald kommen und der Naturstein wärmt sich langsam auf. Der ganze Ballast löst sich und ich schwebe im Wasser. Es ist schön hier im Onsen. Ich vergesse die Zeit und auch den Raum und lasse mich von meinen Gedanken treiben. Ich weiss nicht, ob es die Dämpfe des Bads sind, die Umgebung oder ob es nur an meiner positiven Einstellung liegt, doch ich habe mich schon lange nicht mehr so gut gefühlt.
Im Onsen hier in Hakone habe ich meine innere Ruhe gefunden. Danke Hakone. Wenn ich zurück in Tokio bin, dann werde ich bestimmt dem Sento in unserer Strasse einen Besuch erstatten. Ein Sento ist sozusagen der kleinere Bruder des Onsen und ihn gibt es in Japan in jedem Quartier. Im Gegensatz zum Onsen muss ein Sento das Wasser nicht von einer Heilquelle beziehen, funktioniert sonst aber nach dem gleichen Prinzip. Ein Sento ist wie wie der Onsen ein Ort der Entspannung, wo der strikte Verhaltenskodex, der das soziale Leben regelt, gelockert ist und die Hierarchien eingeebnet sind. Im Sento schwitzt der kleine Angestellte gleichberechtigt neben dem Firmenboss – in Japan sonst ein nur selten anzutreffendes Bild.