Nervös starte ich den Browser zum x-ten Mal. Schon wieder nichts. Das Internet ist “down”. Es ist 10 Uhr Abends und zu spät, um unseren AirBnB-Host über Whatsapp anzurufen. Ach, was rede ich da – Whatsapp geht ja gar nicht und so schlimm ist es ja nicht, mal ohne Internet zu sein.
Eine Stunde später: Ich bin ganz unruhig. Das Email geht weder raus noch rein, die Nachrichten sind immer noch auf dem Stand von vor einer Stunde und meinen Trendengel-Post, den ich gerade geschrieben habe, kann ich nicht abspeichern. Ist ja schon krass, wie abhängig ich von dem doofen Web bin. Gerade mal eine Stunde Offline und schon bin ich aufgeschmissen. Doch was solls. Heute wird das nichts mehr. Morgen ist bestimmt alles wieder gut.
8:30 Morgens. Ein Sonnenstrahl streichelt mein Gesicht. Ich wache auf. Sofort der Griff zum Telefon. Ach nee. Keine Nachricht und gar nichts. Internet noch immer down. Noch vor dem ersten Kaffee laufe ich kurz zum Strand, um mich dort ins öffentliche Netz einzuloggen. Mein Host sagt, das Internet sei im ganzen Quartier ausser Betrieb. Er habe beim Provider Telstra angerufen und die arbeiten dran.
Das kann ja heiter werden. Wo soll ich meinen Post schreiben, wie finde ich heraus, wie wir zum Australia-Day-Picknick nach Paramatta kommen, was ist mit den Zwischenresultaten des Australian Open und wo kann ich mir jetzt die Hottest-100 auf Triple-J anhören. Ein News Junkie auf Entzug. Ich sitze im Apartment und es ist still. Mein Telefon funktioniert nicht und meine Frau denkt gar darüber nach, spätestens Morgen das Apartment zu wechseln. Ohne Internet ist man ja nur ein halber Mensch.
Wie kann das denn nur sein? Vor ein paar Tagen beschwere ich mich noch über die Leute, die ständig an ihrem Phone hängen und jetzt bin ich auch schon ganz kribbelig, wenn ich das gute World Wide Web nicht bei mir habe. Wie habe ich das früher nur gemacht? Das ging doch auch. Ich erinnere mich noch – und es ist gar nicht so lange her – wie ich nur mit einem Lonely Planet bewaffnet und ganz ohne Mobile Phone herumgereist bin. Statt Google Maps fragte man sich einfach durch und statt die News zu studieren hatte man sie ganz einfach nicht oder wartete bis zum nächsten Tag und las sie in Zeitung. War das wirklich so viel schlechter?
Ich erinnere mich insbesondere an eine Reise durch Amerika. Mit einem Freund ging es im Auto quer durchs Land. Nach mehreren Monaten, es war in New Orleans, fanden wir auf der letzten Seite des Sportteils der Washington Post die Tabelle der Fussball-Bundesliga. Nach 14 Spieltagen führte Bayern München und mein Verein, der Hamburger Sportverein, lag auf Platz 7. 14 Spieltage ohne jegliche Information! Heute total undenkbar. Das war aber damals aber total OK und ich empfand es als Geschenk vom Himmel, wenigstens nach 14 Spieltagen diese Tabelle in den Händen zu halten. Kommunikation mit der Heimat gab es damals auch keine. Kein Email und alle paar Wochen vielleicht mal ein Collect Call nach Hause. Das reichte auch. So fühlte man sich so richtig losgelöst und frei. Es zählte nur das hier und jetzt.
Den Weg zum Picknick haben wir dann auch ohne Google Maps gefunden. Ohne Wifi sassen wir im Park, während um uns herum getextet, gechattet und gesurft wurde. Wir haben uns trotzdem gut amüsiert. In der Zwischenzeit hatte uns unser Host eine Nachricht zukommen lassen: Alles sollte wieder gehen, hiess es da. Cool. Zu Hause gleich der Test: Nix. Noch immer kein Internet. Mittlerweile nahm ich es schon etwas cooler. Morgen wird bestimmt alles besser dachte ich mir nochmals. So war es denn auch. Gegen Mittag kam unser Host und startete das Modem, das nicht direkt bei uns in der Wohnung steht, neu. Voila – es geht wieder – juhui.
40 Stunden ohne Internet. Das sollte nicht einmal erwähnenswert sein – ist es aber. Ich kann zwar gut darauf verzichten, die ganze Zeit auf mein Telefon zu schauen – doch nur wenn ich weiss, dass es im Prinzip funktioniert und ich ganz wichtige Nachrichten sofort schreiben oder empfangen kann. Wenn ich jedoch von der Welt abgeschnitten bin, dann fühle ich mich hilflos. Das ist zwar traurig, ist aber so. So langsam verstehe ich, dass es Entzugskliniken für Smart-Phone-Süchtige gibt. Ich hoffe schwer, ich lande nicht auch mal in so einer…