Die Wellen schlagen gegen die Klippen, das Wasser ist kristallklar, der Wind weht kräftig und die Luft riecht gut, irgendwie nach Freiheit. The Gap ist ohne Frage einer der schönsten Plätze in Sydney. Gleich hinter der Watson Bay, nur einen kurzen Trip mit der Fähre vom Sydney Harbor, liegt der Teil eines Nationalparks, der zu einem romantischen Spaziergang einlädt.
Ich geniesse die Aussicht und denke, hier kann man so richtig in sich gehen und das Leben geniessen. Da stosse ich auf ein eigenartiges Schild. “Hold onto HOPE. There is always HELP.” steht da drauf. Was ist das denn. Das hört sich irgendwie nach Religion oder Sekte an. Was hat so ein Schild denn hier auf dem schönen Wanderweg zu suchen?
Bei genauerer Betrachtung wird schnell klar, dass es sich hier nicht um die Botschaft einer Sekte handelt, sondern um ein von der Stadt aufgestelltes Schild, das die Leute davon abhalten über die Klippen in den Tod zu springen. Oops…
Ein paar Meter vom Schild entfernt steht eine Notrufzelle. “This phone offers a Lifeline” steht da. “Are you thinking of suicide? You are not alone. Talk to someone you trust or call Lifeline” geht es weiter. Soviel zur guten Stimmung und zur lebensbejahenden Wirkung der Klippen von The Gap. Ich befinde mich tatsächlich genau an dem Ort, an dem sich in Australien die meisten Leute das Leben nehmen. The Gap ist weltweit einer der zehn Orte mit den meisten Selbstmorden. Nur die Golden Gate Bridge in San Francisco und der Aokigahara Forest in Japan liegen in dieser Statistik vor The Gap. Jährlich sollen sich hier mindestens 50 Menschen das Leben nehmen. Mir läuft ein kalter Schauer den Rücken hinunter und mir wird weich in den Knien. Tatsächlich merke ich erst jetzt, dass die Klippen überall mit Zäunen abgesperrt sind und dass es überall Überwachungskameras gibt.
Um weiteres Unheil am The Gap zu verhindern, hat die Regierung gerade eine hohe Summe gesprochen, um Bewegungsmelder und andere Sicherheitsvorkehrungen zu installieren. Doch ich befürchte, dass sich jemand, der den Entschluss gefasst hat, seinem Leben ein Ende zu setzen, davon nicht abhalten lassen wird.