Ihr Schmerz ist in jedem ihrer Bilder sichtbar, ihre Energie unmittelbar spürbar und ihre Zielstrebigkeit und das Chaos auf den ersten Blick erkennbar. Umso erstaunlicher ist es, dass das Atelier Mexikos berühmtester Tochter Frida Kahlo eine Ruhe ausstrahlt, wie kaum ein anderer Platz auf dieser Welt. Hier im Süden von Mexico City, im Stadtteil San Angel, hat Frida zusammen mit ihrem Diego zwischen 1934 und 1940 ihre wichtigsten Werke geschaffen: Sie im blauen und Diego im weissen Haus. Das vom Bauhaus beeinflusste Gebäude wurde für die beiden Streithähne vom gemeinsamen Freund und Stararchitekten Juan Gorman gebaut.
Diego ist übrigens kein geringerer als Diego Riviera, Mexikos liebster Sohn und bedeutendster Maler, der unsterblich in Frida verliebt war, sie dennoch immer wieder unglücklich machte und sie gleich zweimal geheiratet hat. Die Ehe als wild zu bezeichnen, ist sicher eine Untertreibung.
Ich bin mir nicht ganz sicher, warum mich Frida Kahlo so fasziniert. Wie wohl die Meisten bin ich erst 2002 in Kontakt mit der grossen Künstlerin gekommen, als Salma Hayek die Hauptrolle in “Frida” spielte, und Frida sowohl die Frauen- als auch die Männerwelt zu Füssen lag. Der biographische Film, der zwei Oscars abräumte, brachte die Symbolfigur des Feminismus, die sich weigerte, ihre kräftigen Augenbrauen auszudünnen und ihren Damenbart zu rasieren und der es dennoch gelang, Männer wie Trotsky, Picasso, Max Ernst, Paul Éluard, Joan Miró und Kandinsky in ihren Bann zu ziehen, einem breiten Publikum nahe.
Zeit ihres Lebens litt Frida unter den Folgen eines Busunfalls. Kurz nach ihrem 18. Geburtstag wurde ihr eine Stange durch den Rücken gebohrt. Über Jahre hinweg trug sie deshalb ein Korsett und verspürte immer wieder grosse Schmerzen. Ihre unzähligen Selbstportraits haben auch deshalb immer etwas sehr strenges und unnahbares an sich.
Diese Schmerzen ertrug sie ihr ganzes Leben lang, rauchte, trank und erzählte unanständige Witze. Einmal sagte sie: “Doktor, wenn sie mich diesen Tequila trinken lassen, dann verspreche ich Ihnen, dass ich zu meiner Beerdigung nicht trinken werde.” Frida Kahlo schuf mit ihren Bildern etwas völlig Neuartiges – Dinge und Motive, die zu ihrer Zeit alles andere als normal waren. So malte Frida Kahlo farbenfrohe Pflanzen, Tiere, traumähnliche, mystische und religiöse Motive ebenso wie nackte und verwundete Körper, Skelette und Totenköpfe – häufig thematisiert sie in ihren Bildern Geburt und Tod, Sexualität und Gewalt.
Die Künstlerin zog immer wieder Männerkleidung an und hob in einigen ihrer Selbstporträts ihren Damenbart und ihre kräftigen Augenbrauen besonders hervor. Ein Enfant Terrible, das sich keine Grenzen setzen liess und sich auch sexuell immer genau das machte, was ihr Spass machte. Sie liess sich nie unterkriegen, egal wie schwer gerade alles war. Zitat von ihr:
“Letztlich sind wir fähig, sehr viel mehr auszuhalten, als wir uns vorstellen können.”
1954 im Alter von 47 Jahren starb Frida offiziell an einer Lungenentzündung – die meisten Kunsthistoriker gehen jedoch von einem Selbstmord aus. Diego Riviera kam über ihren Tod nie hinweg. Hier in San Angel ist all das spürbar. Doch neben all diesem Schmerz spüre ich noch etwas anderes. Ich spüre, dass im Leben vieles möglich ist. Man muss, wie es Frida immer getan hat, nur daran glauben und es auch versuchen. Das kann in Glück oder in Schmerzen Enden. Beides gehört zum Leben und beides sind Erfahrungen, die das Leben bereichern.
Übrigens, der Vater von Frida kam aus einer bürgerlichen deutschen Familie aus Pforzheim wanderte jedoch mit 18 Jahren nach Mexiko aus. Aus Carl Wilhelm wurde vier Jahre später Guillermo Kahlo, der 1898 die Tochter eines Fotografen heiratete. Frida erblickte neun Jahre später, am 6. Juni 1907, das Licht der Welt.
Hier der Link zum vollständigen Film, ganz umsonst auf Youtube:
https://www.youtube.com/watch?v=z32lIlzHMvQ