12 in 12 – Der Priester und das Bier

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Kurz nach 10. Wie fast jeden Morgen bin ich auf dem Weg zur Bar Peru, um dort meinen zweiten Caffè zu trinken. Als ich reinkomme, fällt mir ein Priester in seiner traditionellen schwarzen, bis obenhin zugeknöpften Soutane auf. Nur der Ansatz des weissen Kollars schaut etwas hervor. Er sitzt allein an einem Tisch neben dem Eingang. Vor ihm steht ein Bier, genauer gesagt ein Peroni.  Genussvoll nippt der Priester am Glas mit dem kühlen Gerstensaft.  Er sieht zufrieden aus.

Ich weiss ncht warum. Doch im ersten Moment erschrecke ich leicht. Ein Priester trinkt ein Bier um 10 Uhr morgens? Das kann doch nicht… Doch dann fasse ich mich wieder. Warum denn nicht. Erstens wird er bestimmt schon seit 4 oder 5 Uhr morgens auf den Beinen sein und im Gegensatz zu mir sein Tageswerk schon mehr oder weniger hinter sich haben. Zweitens ist er keineswegs angeheitert, geschweige denn besoffen und drittens, was geht mich das überhaupt an. Jeder so, wie er es mag.

In Rom ist die katholische Kirche allgegenwärtig. Insgesamt gibt es hier 1600 Kirchen und Kapellen und über 5000 Priester. An jeder Ecke trifft man eine Wallfahrtsgruppe, angereiste oder einheimische Geistliche und immer wieder Nonnen und Mönche. An den Espressotheken stehen Priester Schulter an Schulter mit dem Banker und Schreiner, auf der Piazza diskutieren sie genau so heftig miteinander wie alle anderen und ja, in der Bar trinken auch sie gerne ein Bier . Sie gehören ganz einfach ins Strassenbild. Das hat was Beruhigendes und Harmonisches an sich. Berührungsängste zwischen Glauben und Plebs scheint es hier kaum zu geben. Das ist sicher nur eine oberflächliche Betrachtungsweise – doch zumindest die Oberfläche ist schön anzusehen.

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