Cinema Farnese
Ein Fall für Alfredo Conte
Kapitel 4
30 Jahre wohnt Roberto Ginelli in der gleichen Wohnung. Er ist bescheiden geblieben. Daran hat auch der grosse Erfolg seines Forno Campo de’ Fiori nichts geändert. Das Mansardenzimmer liegt nur einen Steinwurf von seiner Bäckerei entfernt, an der Vicolo delle Grotte, fünf Stockwerke die steilen Treppen hinauf. Inspektor Alfredo Conte ist ganz ausser Atem, als er oben ankommt. Er muss erstmal tief durchatmen.
Das Klingeln hat Ginelli nicht gehört. Conte klopft dreimal sanft an der Tür. Ein Schlurfen, ein Schlüsseldrehen und die Tür geht auf. Dunkel war es in der Wohnung von Ginelli. Ein mächtiges durcheinander und zwar nicht das der Sorte geordnetes Chaos, sondern schlimmer. Papierhaufen überall und ein unangenehmer Geruch. Hinter den Stapeln sieht man die Umrisse eines Cheminées. Auf dessen Sims steht schön eingerahmt ein Schwarz-Weissfoto von seiner grossen Liebe Mariella Novelli aus der Schulzeit. Irgendwie traurig anzusehen. Die unerwiderte Liebe. Doch für Sentimentalitäten war jetzt keine Zeit. Das wusste der Inspektor.
„Komm, wir gehen nach draussen“ sagt Ginelli, zieht den Vorhang auf und öffnet die Balkontüre. Wow. Das ist Magie. Vom kleinen Balkon sieht man über die Dächer von Rom, direkt auf die Hügel Trasteveres und die wunderschöne Chiesa San Trinidad del Pellegrini. In der Ferne ist der Petersdom zu sehen. „Giuliano, ich muss ein ernstes Wörtchen mit dir reden“ kommt Conte gleich zur Sache. „Ich habe gehört, du hast Novelli am Abend vor seinem Tod in der Öffentlichkeit bedroht. Du hast zu ihm gesagt, er habe dein Leben zerstört, dich verraten und getäuscht und dafür werde er büssen, schwer büssen.“
Ginelli nickt. Er lässt den Blick Richtung Trastevere schweifen. „Ich habe ihm aber nichts angetan. Das musst du mir glauben, Alfredo, auch wenn ich zugeben muss, dass mich Novellis Tod nicht trifft. Er hat nichts anderes verdient. „Das hat niemand verdient,“ entgegnet Conte und schickt die Frage nach der Beretta hinterher. „Ja, das stimmt. Ich habe eine Beretta. Die ist auch ganz legal angemeldet. Irgendwo hier muss sie sein.” Ginelli macht sich daran, einige der Papierhaufen zur Seite zu schieben. Dann bückt er sich und nimmt einen Teil der Fussleiste ab. Aus dem Geheimfach zieht er eine Schachtel, die er sogleich öffnet. Sie ist leer.
Keine Beretta. Ginelli ist entsetzt. „Ich weiss auch nicht…sie war letzte Woche noch da. Ganz bestimmt. Das kann nicht sein. Niemand wusste, wo ich sie versteckt habe und Besuch hatte ich auch keinen. Ich weiss nicht.” Conte bleibt gelassen und legt Ginelli die Hand auf die Schulter. “OK, wenn du es wirklich nicht weisst, brauchst du dir auch keine Sorgen zu machen. Ich bitte dich trotzdem, die Stadt vorerst nicht zu verlassen. Ich muss da ein paar Sachen klären.
Es sah nicht gut aus für Ginelli. Doch war er tatsächlich in der Lage, jemandem den Revolver an die Schläfe zu legen und eiskalt abzudrücken?
Zurück auf dem Revier findet Conte einen Zettel auf seinem Schreibtisch. GEHEN SIE ZUM GRUNDBUCHAMT steht dort in grossen Lettern drauf. Hatte das mit dem Mord im Cinema Farnese zu tun? Warum zum Grundbuchamt? Ging es ums Kino, um das Hotel, die Bäckerei oder vielleicht das Theater oder gab es eine weitere Spur, die er bisher noch nicht berücksichtigt hatte? Conte knöpfte sein hellbeiges Hemd zu und machte sich auf den Weg. Draussen fegte der Wind durch die Strassen des Centro Storico. Der Inspektor wollte sich auf keinen Fall erkälten.
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