Monstrosität oder architektonisches Weltwunder? Da gehen die Meinungen auseinander. Mir fällt beim Anblick des Hauptgebäudes der staatlichen Universität Moskaus, das mit seinen 240 Metern Höhe fast 40 Jahre das höchste Gebäude Europas war, nur eines ein: Mit den Russen ist nicht zu Spassen. 50,000 Räume, 40,000 Tonnen Stahl, kilometerlange Korridore, in denen man sich garantiert verläuft. Über allem prangert der rote Stern, der für eine klassenlose Gesellschaft steht. Alles sehr kafkaesk.
Die meisten Studenten wohnen auch hier. So auch Ewgenij . Er übernachtet zusammen mit seinem Zimmergenossen Oleg in einem Zimmer von 12 Quadratmetern. Die Doktoranden seien einzeln in Zimmern von knapp 8 Quadratmetern untergebracht. So ein Zimmer will er auch mal haben. Doch dahin ist noch ein weiter Weg. Der noch keine 20 Jahre alte Physikstudent ist erst im dritten Semester. „Es ist eng, kostet dafür aber wenig“. Für jeweils zwei Zimmer gibt es je einen Duschraum und eine Toilette, ebenfalls von sehr bescheidener Grösse. Nein, mit reinnehmen das kann er leider nicht. „Nicht erlaubt“. Er müsse weiter, denn die Laborstunde stünde an und die sei enorm wichtig. Nein, fotografieren lassen will er sich nicht.
Zwischen 1949 und 1953 erbaut im Auftrag Stalins im Stil des sozialistischen Klassizismus, ist der Prunkbau der auffälligste der in der Stadt verstreuten Sieben Schwestern, wie die übergrossen stalinistischen Kathedralen in Moskau genannt werden. Gegründet wurde die Universität 1755 vom Gelehrten Victor Lomonossow. Mit 40,000 Studenten ist sie heute die mit Abstand grösste und beste Russlands. Wer hier studiert, aus dem wird was. Zu den Alumni gehören der Schriftsteller Anton Chekhov, der Poet Boris Pasternak, Friedensnobelpreisträger Andrej Sakharov und Mikhail Gorbachev.
In Europa gibt es gemäss einer OECD-Studie kein anderes Land mit einem höheren Bildungsstand als Russland. Weltweit können einzig Korea, Japan und Kanada mithalten. Die Literaturklassiker werden den Russen schon in die Wiege gelegt und auch um Naturwissenschaften kommt niemand herum. Dass Bildung allein nicht reicht, um eine funktionierende Gesellschaft zu schaffen, hatte schon Anton Chekhov erkannt. „Ach, wenn man dem Arbeitswillen Bildung verleihen könnte und der Bildung Arbeitswillen!“
Das mit dem Essen hat sich mittlerweile geändert. Ich war auch sehr überrascht – doch der Food hier ist hammergut.
Ich habe damals mein Zimmer mit einem Usbeken geteilt. Der Seminar Raum war auch nicht sehr gross. Die Diskussionen aber zu Glasnost und Perestroika waren spannend. Der Weg zur Mensa war lang (und leider gab es nicht viel das in meinen Augen essbar war, damals) aber verlaufen habe ich mich nie.